Alles Wichtige: Wie funktioniert die Patientenverfügung?

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Patientenverfügung

Wie funktioniert die Patientenverfügung?. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen. 

Wie funktioniert die Patientenverfügung?

1. Was ist eine Patientenverfügung?

Mit der Patientenverfügung gibt der Betroffene seinen Willen kund, wonach er meist für einen späteren Zeitpunkt, in dem er sich nicht mehr äußern kann, „bestimmte ärztliche Maßnahmen“ untersagt,  z.B. eine künstliche Ernährung.

Achtung: Man muss die Patientenverfügung von der Vorsorgevollmacht und diese wiederum von der Betreuungsverfügung unterscheiden. Nicht durcheinander bringen!

  • Mit der Vorsorgevollmacht kann man einer anderen Person die Wahrnehmung einzelner oder aller Angelegenheiten für den Fall übertragen, dass man die Fähigkeit selbst zu entscheiden einbüßt. Der Bevollmächtigte kann dann handeln, ohne dass es weiterer Maßnahmen bedarf. Das Gericht wird nur eingeschaltet, wenn es zur Kontrolle des Bevollmächtigten erforderlich ist. Die Vorsorgevollmacht ermöglicht so ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit.
  • Mit der Betreuungsverfügung kann jeder schon im voraus festlegen, wen das Gericht als Betreuer bestellen soll, wenn es ohne rechtliche Betreuung nicht mehr weitergeht. Genauso kann bestimmt werden, wer auf keinen Fall als Betreuer in Frage kommt. Möglich sind auch inhaltliche Vorgaben für den Betreuer, etwa welche Wünsche und Gewohnheiten respektiert werden sollen oder ob im Pflegefall eine Betreuung zu Hause oder im Pflegeheim gewünscht wird.
  • In der Patientenverfügung kann man vorab über das Ob und Wie medizinischer Maßnahmen entscheiden. Wer nicht möchte, dass andere über die medizinische Behandlung entscheiden, wenn man selbst dazu nicht mehr in der Lage ist, kann durch Patientenverfügung festlegen, ob bei konkret beschriebenen Krankheitszuständen bestimmte medizinische Maßnahmen gewünscht oder nicht gewünscht sind. Dank einer fraktionsübergreifend unterstützten Initiative ist die Patientenverfügung seit September 2009 gesetzlich verankert. 
2. Ist die Patientenverfügung gesetzlich geregelt?

Ja. Die gesetzliche Grundlage für die Patientenverfügung steht in § 1901a des Bürgerlichen Gesetzbuches.

§ 1901a BGB (Patientenverfügung)
   
(1) Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriff einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.
   
(2) Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.
   
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten.
   
(4) Niemand kann zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden. Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung darf nicht zur Bedingung eines Vertragsabschlusses gemacht werden.
   (5) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.

Nach dem Gesetz müssen also Patienten bei der Errichtung der Verfügung volljährig und einwilligungsfähig sein. Zudem muss die aktuelle Situation eines Patienten, in der die Patientenverfügung zum Einsatz kommen soll, auch in der Verfügung geregelt sein. Ärzte, denen die Patientenverfügung vorgelegt wird, müssen prüfen, ob die Voraussetzungen gegeben sind. Häufig sind es zwei Punkte, die zu Streit um die Anwendbarkeit der Patientenverfügung führen. Zum einen passen die in der Verfügung beschrieben Behandlungssituationen nicht zu der tatsächlichen, aktuellen Situation nach einem Unfall oder einer schweren Erkrankung. Außerdem sind die Verfügungen bei den gewünschten Behandlungen oft sehr schwammig formuliert. Man liest dann etwa: ‚Ich möchte nicht an Schläuchen sterben‘. Der Arzt kann hieraus aber keinen Rückschluss auf den Patientenwillen ziehen.“

3. Wie mache ich die Patientenverfügung sicher?

Von Ankreuzformularen raten wir ab. Hier können Zweifel entstehen, ob in so einem Formular überhaupt der individuelle Wille des Patienten zum Ausdruck kommen kann. Gemeinsam mit dem Arzt sollten für die konkreten Behandlungssituationen, dann bestimmte gewünschte Behandlungen ausgeschlossen werden (oder umgekehrt festgelegt werden). Ein weiterer Vorteil der ärztlichen Beratung: unabsehbare und ungewollte Folgen von Anweisungen in der Verfügung können vermeiden werden. Viele Patienten tendieren dazu, dass sie lebenserhaltende Maßnahmen prinzipiell ausschließen. Davon ist aber dringend abraten. Wenn man beispielweise einen Herzstillstand erleidet, kann man nach lebenserhaltenden Maßnahmen, zum Beispiel einer Reanimation, oft so weiterleben, wie man vor dem Herzstillstand gelebt hat. Diese Chance nimmt man sich aber, wenn man in einer Patientenverfügung lebenserhaltende Maßnahmen kategorisch ausschließt. 4. Was kostet ein Arztgespräch? Die Kosten für ein laut Gebührenordnung der Ärzte (Nr. 34 GoÄ analog) mindestens 20-minütiges Beratungsgespräch betragen je nach Komplexität zwischen 40 und 60 Euro. Diese Kosten werden in den Krankenkassen in der Regel nicht übernommen. Trotzdem sollte man nicht auf die ärztliche Beratung verzichten. 5. Kann ich die Patientenverfügung beim Arzt hinterlegen? Ja. Wir empfehlen das Beratungsgespräch beim Arzt auch deswegen, weil man dann das Original oder eine Kopie der Patientenverfügung beim Arzt zu hinterlegen kann. Der Arzt nimmt sie dann zu den Krankenakten. Und man selbst sollte sich ein kleinen Zettel machen auf dem steht: ‚Achtung Patientenverfügung‘ und die Kontaktdaten des Arztes. Diesen Zettel kann man in seinem Geldbeutel oder in der Brieftasche tragen. 

6. Sollte man auch Hilfe von Juristen einholen

Das ist auch sinnvoll. Wir Juristen sind darauf geschult, Widersprüche im Zusammenhang mit Patientenverfügungen zu erkennen und aufzulösen. Ein klassisches Beispiel für einen Widerspruch ist, wenn man in der Patientenverfügung vorsieht, dass keine lebensverlängernden Maßnahmen durchgeführt werden sollen, und auf der anderen Seite aber – zum Beispiel durch einen  Organspendenausweis – in eine Organspende eingewilligt wird. Der Arzt, der beides vorliegen hat, weiß nicht, was er machen soll. Beide Anweisungen widersprechen sich, denn für die Organspende sind lebensverlängernde Maßnahmen notwendig, damit die Organe am Leben gehalten bleiben, bis sie entnommen werden können.  

Schließlich können Juristen auch behilflich sein, die Patientenverfügung beim zentralen Vorsorgeregister zu melden. Hinterlegt werden können sie dort nicht.  Die Meldung beim Vorsorgeregister verweist dann zum Beispiel auf die Hinterlegung beim Arzt. Der Vorteil dieser Meldung ist, dass in absehbarer Zeit alle Krankenhäuser angeschlossen werden sollen, so dass der Arzt, sobald er einen Patienten vorgestellt bekommt, auch automatisch dessen Patientenverfügung erhält.

7. Was passiert in der Behandlungssituation, beispielsweise nach einem Unfall? Halten sich die Ärzte an die Patientenverfügung?

Der Betreuer hat beim Vorliegen einer solchen aktuellen Situation dann zu prüfen, ob die Voraussetzungen, die der Betroffene in der Patientenverfügung bestimmt hat, vorliegen.

Sodann hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Geltung zu verschaffen (z.B. den Arzt darauf hinweisen, dass eine künstliche Ernährung im Komafall in der Patientenverfügung untersagt ist).

Arzt und Betreuer besprechen dann, ob eine „bestimmte ärztliche Maßnahme“ (z.B. künstliche Ernährung oder künstliche Beatmung) durchgeführt werden soll oder nicht. Dabei wird die Patientenverfügung berücksichtigt.

Sind sich Arzt und Betreuer einig, wie verfahren werden soll, gibt es keine Probleme. Das Betreuungsgericht bleibt bei Einigkeit von Betreuer und Arzt außen vor. Es wird nach dem übereinstimmenden Willen von Arzt und Betreuer verfahren.

8. Wann muss ein Gericht entscheiden?

Bei Uneinigkeit muss das Betreuungsgericht entscheiden. Neben dem Betreuer / Bevollmächtigten muss das Betreuungsgericht einen zusätzlichen „Verfahrenspfleger“ bestellen. Vor der Entscheidung über einen Behandlungsabbruch muss zudem ein Sachverständigengutachten eingeholt werden (§ 398 FamFG). Ein Beschluss des Betreuungsgerichts über einen Behandlungsabbruch wird dabei erst zwei Wochen nach der Bekanntgabe an den Betreuer / Bevollmächtigten und dem Verfahrenspfleger wirksam (§ 287 FamFG). 

9. Tipp: Kostenlose Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

Das Bundesministerium der Justiz hat für eine Patientenverfügung sehr ausführliche Textbausteine entwickelt, die unter www.bmj.de/publikationen eingesehen werden können.

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Wichtig: Auch wenn sich auf unserer Homepage vieles für Sie einfach darstellen mag, fehlt auch dem intelligentesten Laien der Gesamtüberblick im Erbrecht. Oft werden schwierigste Punkte, die scheinbar im Vordergrund stehen, verstanden, grundlegende andere Probleme, die für den konkreten Fall wirklich entscheidend sind, aber gar nicht gesehen. Wir empfehlen Ihnen daher, unsere günstige Erstberatung, bei der sie auf jeden Fall eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kostenlos erhalten. Sparen Sie nicht am falschen Ort. Oft müssen die Erben später viele Jahre prozessieren und Zigtausende an Anwalts- und Gerichtskosten zahlen, nur weil der Erblasser die geringen Erstberatungskosten sparen wollte.

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