Baden

Exzerpt aus Wilhelm Heinzmann, Das badische Anerbenrecht, 1933. Ich habe hier veröffentlicht, was mir aus rechtlicher Sicht, heute noch wichtig erscheint. Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht mit Büros in Rottweil, VS-Villingen. Radolfzell, Konstanz.

Wilhelm Heinzmann, Das badische Anerbenrecht, 1933

S. 9:

Baden war von jeher das Land des bäuerlichen Kleinbesitzes und Kleinbetriebes. Der Kleinbauer steht im Mittelpunkt der badischen Landwirtschaft. Nach dem Ergebnis der Zählung der landwirtschaftlichen Betriebe vom 16.05.1925 ergibt sich, dass in Baden 254.938 Betriebe eine Fläche von zusammen 956.650 ha bewirtschafteten. Demnach umfasst in Baden ein landwirtschaftlicher Betrieb durchschnittlich 3,8 ha, während es in Württemberg 4,6 ha, in Bayern 8,6 ha und in Mecklenburg-Schwerin sogar 12,2 ha sind.

S. 13:

60,64 % aller Betriebe bilden keine selbstständige Ackernahrung. Demgemäß können ihre Inhaber auch nur einen Teil ihres Lebensbedarfes aus der Landwirtschaft ziehen und sind in ihrer hauptberuflichen Tätigkeit auf anderweitigen Verdienst angewiesen. Die Bedeutung dieser Zwergbetriebe liegt vornehmlich auf ideellem Gebiet. … Von den insgesamt 254.938 landwirtschaftlichen Betrieben Badens können danach 180.366 Betriebe eine 5-köpfige Familie nicht selbstständig ernähren. ….

S. 18:

Der Begriff des Anerbenrechts im subjektiven Sinne ist leicht zu definieren. Es ist der Anspruch eines von mehreren Miterben (des Anerben), das zum Nachlass gehörende Gut mit Zubehör den übrigen Miterben gegenüber vorzugsweise zu übernehmen. … Dieser Anspruch … wirkt also nicht dinglich, sondern obligatorisch nach der Art des römischen Damnationslegates. … Von dem Anerbenrecht als Sondererbrecht eines einzelnen und anderer Erben zu sprechen, ist deshalb verfehlt. Ebenso rechtfertigt sich nach moderner Auffassung das Wort „Anerbenrecht = Einerbenrecht“ nicht mehr. Mit dem Erbfall wird vielmehr das Anerbengut gemeinschaftliches Eigentum der Miterbengemeinschaft im Sinne der §§ 2032 ff. BGB.

Während also der Abfindling nach älterem Anerbenrecht nicht Erbe war, ist er es nach neuerem Anerbenrecht geworden. Mit seiner Stellung als wahrer Erbe tritt er, soweit gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen, auch in die Schuldenhaftung für den Nachlass ein.

Als Miterbe kann der weichende Erbe auch über seinen Anteil am Nachlassganzen gemäß § 2033 Abs. 1 BGB verfügen. Der Anteilserwerber tritt dann anstelle des Ausscheidenden als Gesamthänder in die Erbengemeinschaft ein, und er muss den Anspruch des Anerben auf Übernahme des Hofgutes in gleichem Maße gegen sich gelten lassen wie der ausgeschiedene Miterbe.

S. 20:

Vergleicht man das Anerbenrecht mit anderen Rechtsinstituten, so fällt eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Fideikommissrecht auf. Beide Rechtsinstitute treten der Zersplitterung eines landwirtschaftlichen Gutes entgegen. Während aber das Fideikommissrecht ausschließlich den Interessen einer Familie dient, will das Anerbenrecht das Gut aus allgemein volkswirtschaftlichen Gründen erhalten. Es soll nicht in erster Linie, wie nach Fideikommissrecht, der einheitliche Verbleib eines Sondergutes in einer Familie gewährt werden, sondern das Anerbenrecht will vornehmlich das Gut als solches im Interesse der Bewirtschaftung und ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einer Familie in seiner bestehenden Größe erhalten. Es ist deshalb nach Anerbenrecht auch möglich, dass der Anerbe das Anerbengut als Ganzes veräußern und belasten kann, während dieses bei Fideikommissrecht nur mit Genehmigung der Erbanwärter möglich ist. Letzteres ist ein Privileg zu Gunsten einer Familie, das Anerbenrecht privilegiert nur das Gut aus Gründen des allgemeinen Wohls. … Sollen bei einem Anerbengut einzelne losgetrennt werden, dann ist hierzu auch infolge des öffentlichen Interesses an der Erhaltung solcher Güter die Genehmigung der Verwaltungsbehörde erforderlich, welcher nachzuweisen ist, dass der Zerlegung volkswirtschaftlicher Bedenken nicht entgegenstehen. Dieser Einfluss der Öffentlichkeit ist bei den Fideikommissen nicht erforderlich… Das Fideikommiss ist zufolge einer vom Stifter gemachten und von der Obrigkeit bestätigten Satzung dazu bestimmt, jeweils einem bestimmten Familienmitglied zuzufallen. Die testamentarische Verfügung über das Gut ist dem Fideikommissbesitzer entzogen; sein Eigentum ist beschränkt zu Gunsten der Familie. Er hat nur die Nutznießung des Gutes bei Lebzeiten. Anders ist es beim Anerbenrecht. Hier kann der Anerbe auch im Wege des Testaments über das Grundstück frei verfügen, wenn nur das Gut als Ganzes erhalten bleibt. Liegt ein Testament vor, dann hat dieses sogar den Vorrang vor der anerbenrechtlichen Regelung. Nur wenn kein Testament vorhanden ist, ist der Anerbe berufen.

S. 23:

So wurden nach der Geburtsstatistik im Jahre 1928 in ganz Baden 5.429 uneheliche Kinder geboren. Diese sind 11,5 % sämtlicher Geburten. Demgegenüber bleibt aber die Zahl der unehelichen Geburten in den Bezirken mit geschlossenen Hofgütern beträchtlich hinter dem Durchschnittssatz zurück. So kamen 1928 auf 100 Geborene in den Amtsbezirken:

Villingen 8,1 uneheliche Geburten

S. 24:

Im Vergleich zu den Amtsbezirken mit überwiegender Industrie stehen jedoch die Bezirke mit Hofgüterrecht geradezu günstig da. So beträgt der Prozentsatz der unehelichen Geburten in den Amtsbezirken Mannheim 17,1 %, Heidelberg 19,3 %, Karlsruhe 16,4 %, Pforzheim 13,4 % und Freiburg 17,9 %…

S. 28:

Anders (als mögliche Ertragswertabfindung nach BGB) ist es, wenn das Gut nach Anerbenrecht vererbt wird. Nach diesem werden die Abfindungsgelder der ausscheidenden Geschwister nötigenfalls gekürzt, um einen bestimmten Teil des Gutes frei von Lasten zu erhalten (§ 10 Abs. 3 Badisches Hofgütergesetz). Auf diese Weise wird es ermöglicht, dass der Übernehmer einen Risikofonds erhält und nicht schon von Anfang an das ganze Gut belastet ist. Es kommt noch hinzu, dass nach Anerbenrecht die Geschwister nicht sofort, wie beim BGB, in voller Höhe ausbezahlt werden müssen, sondern die Abfindung erfolgt in Jahresraten bei mäßiger Verzinsung (§ 11 Hofgütergesetz).

S. 47:

Man schuf deshalb in Artikel 64 EGBGB einen Vorbehalt:

„Unberührt bleiben die landesrechtlichen Vorschriften über das Anerbenrecht in Ansehung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Grundstücke nebst deren Zubehör.

Die Landesgesetze können das Recht des Erblassers, über das dem Anerbenrecht unterliegende Grundstück von Todes wegen zu verfügen, nicht beschränken.“

Danach bleibt es der Landesgesetzgebung unbenommen, das Anerbenrecht für das ganze Land oder nur für gewisse Teile desselben aufrechtzuerhalten oder neu einzuführen. Das Verfügungsrecht des Erblassers von Todes wegen darf jedoch nicht ausgeschlossen werden, weil dem Eigentümer des Grundstücks die Möglichkeit gegeben werden müsse, den tatsächlichen Verhältnissen, die ihm am besten bekannt seien, Rechnung zu tragen, sei es durch Ausschließung, sei es durch anderweitige Regelung des Anerbenrechts. Diese Verfügungsfreiheit entspreche nicht allein neueren Gesetzen, sondern sei auch ein notwendiges Schutzmittel gegen die Nachteile, die im einzelnen Fall mit dem Anerbenrecht verbunden sein können (vgl. die Protokolle S. 9035 ff. und Motive S. 205). Nicht mehr möglich ist aber eine Regelung der Verhältnisse, wie es in früheren Zeiten war, nämlich in dem Sinn, dass der Anerbe als alleinige Erbe betrachtet und ihm nur die Verpflichtung auferlegt wird, diejenigen, welche nach gemeinem Recht Miterben sein würden, mit dem außer dem Hof vorhandenen Nachlass abzufinden (Planck Kommentar zum BGB 6. Band 1905, Anmerkung 3b zu Artikel 64 EGBGB). Davon abgesehen gewährt aber der Vorbehalt des Artikels 64 der Landesgesetzgebung in der Konstruktion des Anerbenrechts freie Hand.

Heinzmann, Seite 53:

Ein Hofgut muss nicht notwendigerweise eine vollständig zusammenhängende Fläche bilden (dies ist historisch bedingt). Das Gesetz von 1988 erachtete es nämlich für genügend, wenn die Fläche des landwirtschaftlichen Anwesens nur der Hauptsache nach zusammenhängt. Es können somit also auch nicht zusammenhängende Grundstücke ein geschlossenes Hofgut bilden, sofern sie nur eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Damit wird aber in Baden eine Ausnahme von einem richtigen Rechtssatz geschaffen. § 5 Abs. 1 Badisches Hofgütergesetz bestimmt, dass ein geschlossenes Hofgut ein Grundstück im Grundbuch einzutragen ist. Während sonst das Badische Recht keine Grundstückseinheiten kennt, die sich aus zerstreut liegenden Pachtzellen zusammensetzen, ist dieses bei den geschlossenen Hofgütern als Ausnahme zugelassen. Es wird hier der Grundsatz durchbrochen, …, dass nämlich ein Grundstück, um rechtlich als Sache angesehen werden zu können, sich als ein räumlich abgegrenzter, d.h. von einer in sich zurücklaufenden Grenzlinie umschlossener Flächenabschnitt darstellen muss.

Seite 54:

Aus der Tatsache, dass ein geschlossenes Hofgut sich aus räumlich getrennt liegenden Parzellen zusammensetzen kann, ergeben sich Schwierigkeiten, wenn die das Hofgut bildenden Grundstücke nicht auf derselben Gemarkung liegen. …

Verordnung vom 22.02.1906 „Zuständigkeit zur Führung des Grundbuchs für geschlossene Hofgüter betreffend“ § 1 der Verordnung ….

„Zur Führung des Grundbuchs für ein geschlossenes Hofgut, das aus mehreren in verschiedenen Grundbuchamtsbezirken belegenen Parzellen besteht, ist das Grundbuch zuständig, in dessen Bezirk sich das Hauptgebäude befindet.“

Seite 64:

Auch wenn im Testament das Anerbenrecht als Ganzes ausgeschlossen wird, kann eine Teilung des Hofguts ohne Genehmigung der Verwaltungsbehörde nicht erfolgen. Das Testament hat eine solche dingliche Wirkung nicht, und § 3 Badisches Hofgütergesetz kann bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht ausgeschlossen werden, da er seine gesetzliche Grundlage neben Art. 64 EGBGB auch noch in Art. 119 Ziffer 2 EGBGB hat. Die auf Art. 119 Ziffer 2 EGBGB gestützten landesrechtlichen Bestimmungen können aber durch letztwillige Verfügungen nicht umgangen werden. …

Seite 65:

Damit ist aber auch von selbst der Rahmen gegeben, innerhalb dessen der Erblasser wirksame Verfügungen treffen kann.

Er kann sowohl das Anerbenrecht vollständig ausschließen und damit den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge herbeiführen, als auch Teilbestimmung des Anerbenrechts anders regeln, z.B. den Anerben bestimmen oder den Übernahmewert des Guts festsetzen. Immer aber ist eine Teilung oder Lostrennung von Teilen des Hofgutes grundsätzlich ausgeschlossen.

Badisches Anerbenrecht

Seite 74

Von einer gesetzlichen Festlegung der Grundsätze, nach welchen die Schätzung des Ertragswerts vorzunehmen ist, hat das Gesetz abgesehen. Art. 55 des Badischen Ausführungsgesetzes zum BGB bestimmt aber, dass als Ertragswert eines landwirtschaftlichen Guts der 25-fache Betrag des jährlichen Reinertrages im Sinne des § 2949 Abs. 2 BGB geht. Dieser 25-fache Betrag entspricht einem Zinsfuß von 4 %, und er wurde in entsprechender Übertragung des § 246 BGB gefunden. Diese Art der Ertragsberechnung findet auch bei geschlossenen Hofgütern Anwendung, auch wenn eine diesbezüglich letztwillige Anordnung des Erblassers nicht vorliegt.

Seite 75

Dieser so gefundene Ertragswert ist im Zweifel auch maßgebend, wenn ein Abkömmling gemäß § 2050 BGB ein vom Erblasser bei dessen Lebzeiten erhaltenes Hofgut zur Ausgleichung zu bringen hat (§ 17 Badisches Hofgütergesetz). Auch die Pflichtteilsberechnung richtet sich nach dem Ertragswert des Hofguts. … Liegt demnach schon in der Zugrundelegung des Ertragswertes eine Bevorzugung des Anerben gegenüber seinen Miterben, so gehen viele Gesetze noch darüber hinaus, indem sie dem Anerben noch einen Voraus in Höhe von 1/3 bis 1/5 des Gutswerts zubilligen. Es wird dabei von der Erwägung ausgegangen, dass die Festsetzung des Gutswerts nach dem Ertrag nicht genügt um den Anerben von der drückenden Abfindungslast zu bewahren. …

Deshalb wird in der Regel dem Anerben ein Bruchteil des Gutswerts als Voraus zugebilligt, der auch als Vergütung für die Dienste aufgefasst wird, die der Anerbe seit seinem 14. Lebensjahr auf dem Gut geleistet hat (Begründung des Württembergischen Anerbenrechtsgesetzes zu Art. 9). So gewährt Württemberg demselben ¼ des Gutswerts als Voraus.

Seite 76

Die Benachteiligung, die die übrigen Geschwister durch den Voraus erleiden, muss hingenommen werden aus dem Grundgedanken, der das ganze Anerbenrecht durchzieht: An erster Stelle kommt der Hof im Interesse der Allgemeinheit und dann erst der Einzelne.

Das Badische Hofgütergesetz hat aber von der Gewährung eines Voraus abgesehen. Die Vergünstigung des Anerben besteht neben der Schätzung nach dem Ertragswert nur darin, dass 1/5 des Ertragswerts des Gutes frei von Lasten sein muss, und dass zu diesem Zweck die Erbanteile der Miterben auf ¼ und die Pflichtteile auf die Hälfte ermäßigt werden können (§ 10 Abs. 2 Hofgütergesetz). … Unter Lasten sind hier aber nur solche privatrechtlicher Art nicht auch öffentlich-rechtlich zu verstehen. Eine Belastung des Hofguts mit Steuern oder Straßenkostenbeiträgen usw. muss also der Anerbe selbst übernehmen und kann daher keine Kürzung der Miterben oder Pflichtteilsberechtigten verlangen (Bericht der ersten Kammer, Rümelin zu § 14, K.E. § 11).

Fundstelle Rümelin: Kommissionsbericht der ersten Badischen Kammer, Protokoll vom 12.02.1898.

Seite 77

Kann aber das Hofgut trotz Kürzung der Erb- und Pflichtteile nicht zu 1/5 von Lasten frei gehalten werden, dann erlischt das Anerbenrecht (§ 17 Badisches Hofgütergesetz). Es erfolgt alsdann Auseinandersetzung unter den Miterben, die aber in Folge des für das geschlossene Hofgut bestehenden Teilungsverbotes nur im Wege des Verkaufs durch Zwangsversteigerung erfolgen kann (§§ 2042 und 753 BGB). Wird aber der Anerbe nicht kraft Gesetzes sondern kraft Testaments in das Hofgut eingesetzt, dann erlischt das Anerbenrecht nicht, auch wenn nicht 1/5 des Hofguts frei von Lasten ist. Unter Anerbenrecht im Sinne dieser Bestimmung ist nämlich nur das Intestat Anerbenrecht zu verstehen. „Es ist einleuchtend, dass die testamentarische Einsetzung eines Alleinerben oder die testamentarische Ernennung eines Anerben nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass bei der Übernahme eines Hofguts nicht 1/5 des Ertragswerts frei von Lasten bleibt.“ (Bericht der ersten Kammer Rümelin zu K.E. § 16). Es entspricht dies dem Umstand, dass das Gesetz nur eine Musterlösung der Übernahme eines geschlossenen Hofguts sein soll, die jederzeit durch Testament oder Übergabevertrag anders geregelt werden kann (Art. 64 EGBGB).

Seite 78

Zur Tilgung der Schulden, die der Anerbe seinen Miterben und den Pflichtteilsberechtigten gegenüber hat, ist ihm in § 11 Hofgütergesetz eine weitere in der Natur des landwirtschaftlichen Betriebs begründete Vergünstigung gewährt. Um zu vermeiden, dass der Anerbe sofort bei seinem Antritt ein Darlehen aufnehmen muss zum Zwecke der Abfindung seiner Miterben, deren Ansprüche, soweit sie Geldforderungen sind, an sich sofort fällig werden, kann er bei der Auseinandersetzung verlangen, dass ihm hierzu fünf gleiche zu 4 % verzinsliche Jahrestermine bewilligt werden. Jedoch hat der Anerbe für diese gestundete Forderung bei der Auseinandersetzung Sicherheit zu leisten. Als Sicherheit wird in der Regel nur die Bestellung von Hypotheken an Grundstücken und die Stellung von Bürgen in Frage kommen. Es müssen aber hierzu die Voraussetzungen der  §§ 238 und 239 BGB erfüllt sein. Eine Hypothek kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn sie mündelsicher ist. Die Stellung eines Bürgen ist nur subsidiär und kann nur erfolgen, wenn derselbe ein entsprechendes Vermögen besitzt, seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat und auf die Einrede der Vorausklage verzichtet. Daneben kann der Anerbe aber auch noch von den anderen der in § 232 BGB genannten Sicherungsmittel Gebrauch machen, denn die einschlägigen Bestimmungen des BGB greifen ohne weiteres Platz. So kann der Anerbe beispielsweise durch Verpfändung seiner Fahrnisse oder durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren Sicherheit leisten.

Seite 79

Vermag der Anerbe die im Hofgütergesetz erwähnten Sicherheiten nicht zu leisten, dann geht er auch hier wieder des Anerbenrechts verlustig. Der Nächstberufene rückt an seine Stelle. Erst, wenn keiner dieser Ersatzberufenen die Sicherheit zu leisten vermag, erlischt das Anerbenrecht und die allgemeinen erbrechtlichen Grundsätze kommen zur Anwendung (§ 15 Ziffer 2 Hofgütergesetz).

Seite 80

Verkauft der Anerbe innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall das Hofgut an einen nicht zu den Abkömmlingen zählenden Käufer, dann findet eine Berichtigung der bereits erfolgten Auseinandersetzung statt (§ 23 Hofgütergesetz). Dem Anerben werden sämtliche früher gewährten Vorrechte wieder genommen. Er muss die gekürzten Erb- und Pflichtteile bis zu ihrer vollen Höhe ausbezahlen. Diese selbst werden nicht mehr nach dem Ertragswert berechnet, sondern es wird der erzielte Kauferlös unter Abrechnung der gemachten Verbesserungen zugrunde gelegt. Bleibt aber der erzielte Erlös hinter dem Ertragswert des Hofguts zurück, dann findet eine Aufbesserung der weichenden Erben und Pflichtteilsberechtigten nicht statt. Ebenso steht den Miterben und Pflichtteilsberechtigten keinerlei Anspruch zu, wenn die Veräußerung nicht an einen Dritten, sondern an einen Abkömmling erfolgt. Dieser ist aber beim Weiterverkauf an einen Dritten innerhalb zehn Jahren vom Erbfall an gerechnet ebenso wie der Anerbe zur Berichtigung der Pflichtteil- und Erbteile verpflichtet (§ 25 Hofgütergesetz).

Selbst beim Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung muss eine nachträgliche Ausgleichung stattfinden.

Heinzmann spricht sich auf Seite 80 auch dann für eine Nachabfindung aus, wenn das Hofgut nicht verkauft, sondern nur verpachtet wird. Der Zweck des Anerbenrechts sei nämlich ebenso wie beim Verkauf vereitelt, wenn das Hofgut durch Verpachtung aus den Händen des Anerben komme. Es müsse deshalb auch in diesem Fall eine Ausgleichung der Miterben und Pflichtteilsberechtigten stattfinden. Im Gesetz selbst sei dem auch Rechnung getragen. Die Bestimmungen des § 23 Abs. 1 und 2 Hofgütergesetz fänden entsprechende Anwendung, wenn das Hofgut durch Tausch oder ein „anderes entgeltliches Rechtsgeschäft“ veräußert werde.

Seite 81

Für den Anspruch der weichenden Erben auf den Mehrerlös im Falle der wirtschaftlichen Übertragung des Hofguts gewährt § 24 Hofgütergesetz eine Sicherungshypothek, die auf Verlangen der Miterben und Pflichtteilsberechtigten auf dem Hofgut eingetragen wird. Bei Bemessung des Höchstbetrages, bis zu welchem das Hofgut haften soll, ist von dem Gesichtspunkt auszugehen, dass ein künftiger Kaufpreis den bei der Auseinandersetzung maßgebenden Ertragswert um 1/3 übersteigen kann. Die Höhe der evtl. Ansprüche kann auf diese Weise leicht berechnet werden. Die Sicherungshypothek selbst entsteht, wie im Falle des § 648 BGB, durch Einigung und Eintragung. Die erforderliche Willenserklärung des Anerben kann nötigenfalls durch Urteil im Wege des § 894 ZPO ersetzt werden.

Um den Ausgleichsanspruch zeitlich zu begrenzen, ist erforderlich, dass dieser binnen Jahresfrist durch Klage geltend gemacht wird. Damit ist de facto die Verjährung des Ausgleichsanspruchs auf ein Jahr festgesetzt, denn nach Ablauf des Jahres tritt eine Erlahmung der Kraft des Anspruchs in dem Sinne ein, dass im Einklagungsfall der Hinweis des Anerben genügt, um ein klageabweisendes Urteil zu erlangen. Eine Ausschlussfrist in der Bestimmung des § 26 Hofgütergesetz zu erblicken ist nicht angängig, weil sonst die im Gesetzestext enthaltene Einschränkung „durch Klage“ unbillig und deshalb unverständlich wäre. Die Frist selbst beginnt mit dem Tag, an welchem die Miterben und Pflichtteilsberechtigten von der Veräußerung Kenntnis erhalten haben, spätestens aber mit dem Tag der Auflassung. Da im Falle der Verpachtung eine Eintragung im Grundbuch nicht erfolgt, ist hier für den Beginn der Frist nur der Tag der Erlangung der Kenntnis vom Pachtverhältnis maßgeblich.

Seite 81 Das Anerbenrecht bei der Ehelichen Gütergemeinschaft

Seite 82

völlig überflüssig sind besondere landesrechtliche Vorschriften, wenn das Hofgut nicht zum Gesamtgut gehört oder die Ehe ohne Gemeinschaft besteht. Die Bestimmungen des BGB sind deshalb ausreichend beim Gütersystem des BGB und der Gütertrennung (§ 426 ff BGB a.F.), da hier das Hofgut im Alleineigentum steht und entweder dem Mann oder der Frau gehört. Die §§ 7 ff. Hofgütergesetz finden hier ohne weiteres Anwendung.

Anders ist es, wenn das Hofgut Gesamtgut ist. Das BGB hat hier nur wenige Spezialbestimmungen getroffen, welche es ermöglichen, dass bei der Teilung des Gesamtgutes eine Person berechtigt ist, das Hofgut gegen Wertersatz zu übernehmen (vgl. § 1477 und § 1502 BGB). Aufgrund der landesrechtlichen Vorschriften im Hofgütergesetz ergibt sich dabei für die einzelnen Güterstände mit Gesamtgut folgendes Bild:

I. Allgemeine Gütergemeinschaft:

a) Wird die Gütergemeinschaft bereits bei Lebzeiten beider Ehegatten durch Ehevertrag, Urteil oder Scheidung der Ehe aufgehoben, dann erfolgt die Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten nach allgemeinem Recht.

b) Erfolgt die Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten, ohne dass dabei jedoch fortgesetzte Gütergemeinschaft eintritt, also in den Fällen der §§ 1482, 1484 Abs. 1, 1508 und 1509 BGB, dann soll zunächst der überlebende Ehegatte das Hofgut übernehmen können. Dieser kann verlangen, dass ihm bei der Auseinandersetzung das Gut nebst Zubehör gegen Ersatz des Ertragswertes überlassen wird (§ 19 Ziffer 2 Abs. 1 Hofgütergesetz). Sind Erben oder Pflichtteilsberechtigte des verstorbenen Ehegatten vorhanden, dann kommt dem überlebenden Ehegatten auch die Vorschrift des im vorgehenden Kapitel besprochenen § 11 zugute (§ 22 Hofgütergesetz). Der überlebende Ehegatte ist in seiner doppelten Eigenschaft als Gemeinschaftsteilhaber und Erbe am besten in der Lage, das Hofgut zu übernehmen und zu behaupten. Damit das Hofgut aber der Familie erhalten bleibt und nicht unter Umständen auf Nichtverwandte übergehen kann, ist im Gesetz ausdrücklich bestimmt, dass das Recht des überlebenden Ehegatten, das Hofgut zu verlangen, nicht auf dessen Erben übergeht. Es ist dieses eine dem § 1502 Abs. 1 BGB analoge Bestimmung. Ist also der überlebende Ehegatte vor der Auseinandersetzung gestorben, dann gilt das Gleiche, wie wenn dieser von seinem Recht, das Hofgut zu übernehmen, keinen Gebrauch macht. Das Hofgut ist alsdann dem Anteil des verstorbenen Ehegatten zuzuschreiben, wenn derselbe ein Abkömmling hinterlassen hat, welcher das Hofgut als Alleinerbe erhält oder als Anerbe übernimmt. Sind aber keine Abkömmlinge des verstorbenen Ehegatten vorhanden und übernimmt auch der überlebende Ehegatte das Hofgut nicht, dann finden wieder die allgemeinen Bestimmungen des BGB Anwendung, wobei jedoch beachtet werden muss, dass das Hofgut infolge der Bestimmungen der §§ 2 bis 5 Hofgütergesetz nicht getrennt werden kann.

Eine Ausnahme von dem Übernahmerecht des überlebenden Ehegatten ist gegeben, wenn der verstorbene Ehegatte das Hofgut in die Gütergemeinschaft eingebracht hat oder es während derselben durch Erbfolge, durch Vermächtnis oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht durch Schenkung oder als Ausstattung erworben hat. Das Hofgut gehört ja auch in letzterem Fall, da eine Vorbehaltsklausel nicht vorhanden ist, zum Gesamtgut (§§ 1440, 1369 BGB). Hier müssen aber die Abkömmlinge des verstorbenen Ehegatten dem überlebenden Ehegatten vorgehen, denn das Gut soll, da es vom verstorbenen Ehegatten ins Gesamtgut gebracht wurde, der Familie erhalten bleiben und nicht evtl. durch die Frau einer anderen Familie zugewendet werden. Deshalb schreibt auch § 19 Ziffer 1 Hofgütergesetz vor, dass in diesem Fall das Hofgut dem Anteil des Verstorbenen zuzuschreiben ist, wenn derselbe einen Abkömmling hinterlassen hat, welcher das Hofgut als Alleinerbe erhält oder als Anerbe übernimmt.

Seite 84

Nur subsidiär und bei Wegfall der Abkömmlinge ist der überlebende Ehegatte zur Übernahme berechtigt. Die oben erläuterten Vorschriften des § 19 Ziffer 2 HGG finden alsdann wieder Anwendung.

c) Verhältnismäßig selten wird im Schwarzwald nach dem Tod eines Ehegatten die Gütergemeinschaft mit den gemeinschaftlichen Abkömmlingen nach § 1483 BGB fortgesetzt. Solange dann diese fortgesetzte Gütergemeinschaft besteht, ist das Hofgut Gesamtgut. Wird sie aber bereits bei Lebzeiten des überlebenden Ehegatten aufgelöst, dann sind hier wegen der Besonderheit des Falles andere Regelungen erforderlich. Als Endigungsgründe der fortgesetzten Gütergemeinschaft bestimmt das BGB die Aufhebung gemäß § 1492 BGB, die Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten (§ 1493 BGB) und das rechtskräftige Urteil auf Klage eines Abkömmlings (§§ 1495 und 1496 BGB). Für diese Fälle gilt grundsätzlich das unter b) zu § 19 Hofgütergesetz gesagte, jedoch mit der Maßgabe,

1. dass anstelle der Abkömmlinge des verstorbenen Ehegatten die an der Gütergemeinschaft anteilsberechtigten Abkömmlinge treten. Unter denselben richtet sich dann wieder die Berufung zum Anerben nach den Vorschriften der §§ 7 ff. Hofgütergesetz;

2. dass dem überlebenden Ehegatten die Befugnis zur Übernahme nicht zusteht, wenn die fortgesetzte Gütergemeinschaft durch Urteil aufgehoben ist (§§ 1495, 1496 BGB). Alsdann kommt das Hofgut immer einem anteilsberechtigten Abkömmling zu.

Hinzuzufügen ist noch, dass § 1502 Abs. 1 BGB keine Anwendung findet, wenn der verstorbene Ehegatte das Gut in die Gütergemeinschaft eingebracht hat, usw. Hier gehen die Abkömmlinge dem Ehegatten auch in anderen als in den §§ 1495, 1496 BGB genannten Fällen vor (siehe auch Begründung des Entwurfs vom 18.12.1897 zu § 21).

d) Wird die fortgesetzte Gütergemeinschaft durch den Tod des überlebenden Ehegatten aufgelöst, dann fällt nach Reichsrecht die Hälfte des Gesamtguts an die anteilsberechtigten Abkömmlinge, die andere Hälfte an die Erben des überlebenden Ehegatten. Das Hofgut wird aber durch die Vorschrift des § 21 Hofgütergesetz dem Anteil der an der Gütergemeinschaft anteilsberechtigten Abkömmlinge zugeschrieben, da die Erben des Ehegatten und die anteilsberechtigten Abkömmlinge nicht die gleichen zu sein brauchen. Auch hier hat sich wieder der Gedanke, dass das Hofgut nicht in fremde Hände kommen soll, Geltung verschafft. Die Reihenfolge der Berufung unter den anteilsberechtigten Abkömmlingen richtet sich nach Anerbenrecht.

Diese gesetzlichen Regelungen haben natürlich nur insoweit Platz zu greifen, als nicht gültige abweichende Bestimmungen vorliegen. So ist  gemäß §§ 1515 und 1516 BGB derjenige Anteilsberechtigte Abkömmling als Anerbe berufen, welchem der Erstverstorbene mit Zustimmung des anderen Ehegatten die Befugnis zur Übernahme des Hofguts durch letztwillige Verfügung zugewendet hat.

Wenn beim Tode eines Ehegatten, der in allgemeiner Gütergemeinschaft gelebt hat, neben gemeinschaftlichen Abkömmlingen auch noch andere Abkömmlinge, z.B. Kinder des Verstorbenen aus früherer Ehe, vorhanden sind, dann bestimmt sich ihr Erbrecht und ihr Erbteil ohne Rücksicht auf die fortgesetzte Gütergemeinschaft (§ 1483 Abs. 2 BGB). Ihr Erbteil wird also aus dem Anteil am Gesamtgut und dem sonstigen Vermögen gerechnet. Die Auseinandersetzung zwischen den nichtgemeinschaftlichen Abkömmlingen und den Gesamthändern der fortgesetzten Gütergemeinschaft erfolgt nach Gemeinschaftsrecht. Da das Hofgut aber unteilbar ist und die an der Gütergemeinschaft nicht beteiligten Abkömmlinge daran einen Anteil haben, müsste dieses zum Zwecke der Auseinandersetzung verkauft der Erlös dann geteilt werden. Dabei bestünde die Gefahr, dass das Hofgut in fremde Hände übergeht, wenn es nicht von einem Familienmitglied selbst  gekauft wird.

In der Praxis wird es allerdings kaum zu einer solchen Auseinandersetzung kommen. Sollten zweierlei Abkömmlinge vorhanden sein, dann wird zweckmäßigerweise die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ausgeschlossen werden. Bei der Auseinandersetzung hat dann § 19 Hofgütergesetz Anwendung zu finden.

Die Schwierigkeiten, die sich demnach ergeben, sind im Württembergischen Anerbengesetz dadurch umgangen, dass gem. Artikel 1 anstelle des Anerbenguts der Gutswert tritt. Das Gut selbst bleibt Bestandteil der fortgesetzten Gütergemeinschaft und wird so der Familie auf jeden Fall erhalten.

Eine entsprechende Regelung dieses Falle findet sich in Badischen Gesetzen nicht. Bei einer Neufassung wäre daher eine Ausfüllung dieser Lücke im Sinne der Württembergischen Bestimmung trotz der geringfügigen praktischen Bedeutung wünschenswert.

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