Testament wirksam, wenn Ehefrau erst nach sechs Jahren unterschreibt?

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Ist Testament wirksam, wenn Ehefrau erst nach sechs Jahren unterschreibt? Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Ist Testament wirksam, wenn Ehefrau erst nach sechs Jahren unterschreibt?

Frage:

Wir sind die beiden Kinder unseres 2009 verstorbenen Vaters E. Unser Vater war mit unserer Mutter (F), die 1992 verstorben ist, in erster Ehe verheiratet. 1995 hat er seine zweite Ehefrau (B1) geheiratet. Es liegt eine letztwillige Verfügung unserer Eltern von 1971/1977 vor. Sie ist von unserem Vater 1971 geschrieben und unterschrieben worden. Unsere Mutter hat 1977 eine Beitrittserklärung abgegeben und unterschrieben. Nachfolgend der Text des Testamentes samt Beitrittserklärung:

„Gemeinschaftliches Testament
Wir, die Eheleute E und F bestimmen für den Fall unseres Todes was folgt:
Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu befreiten Vorerben unseres dereinstigen Nachlasses ein, d.h. der Überlebende ist von sämtlichen im Gesetz vorgeschriebenen Beschränkungen befreit und kann frei und unbeschränkt über den Nachlass verfügen.
Als Nacherben setzen wir unsere Kinder( B2 und B3) zu gleichen Teilen ein. Sollte eines unserer Kinder vor uns sterben, so treten dessen Abkömmlinge an seine Stelle.
(Ort), den 19. Februar 1971
(Unterschrift des E)
Das vorstehende Testament meines Ehemannes soll auch als mein Testament gelten.
(Ort), den 20. März 1977
(Unterschrift der F)“

Unser Vater übersandte dieses Testament nach dem Tode unserer Mutter an das Nachlassgericht. Er bezeichnete das Testament als das „gemeinsame Testament von meiner verstorbenen Frau und mir“. Bei der Eröffnung gab er gegenüber den Nachlassgericht an, dass ihm und unserer Mutter der Begriff der Vor- und Nacherbschaft nicht bekannt gewesen sei. Er habe die Formulierung einer Broschüre entnommen. Unsere Eltern hätten tatsächlich eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung gewollt, wobei der Überlebende rechtsgeschäftlich über den gesamten Nachlass allein verfügungsberechtigt sein sollte. Erben des überlebenden Ehegatten sollten die Kinder B2 und B3 sein. Unser Vater E wurde antragsgemäß ein Erbschein als Alleinerbe ohne Nacherbenvermerk erteilt. Unser Vater errichtete 2004 ein handschriftliches Testament, in dem er seine zweite Ehefrau B1 als Alleinerbin einsetzte. 2008 schlossen unser Vater und seine zweite Ehefrau sogar einen notariellen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Ich habe 2010 einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, der mich und mein Geschwister zu je ½ als Miterben nach unserem 2009 verstorbenen Vater ausweist. Seine zweite Ehefrau hat meinem Erbscheinsantrag widersprochen, da sie Alleinerbin aufgrund des Erbvertrages von 2008 sei. Wer hat Recht?

Antwort:

Sie haben recht. Das gemeinschaftliche Testament Ihrer Eltern aus dem Jahre 1971/77 ist wirksam, so dass Sie und Ihr Geschwister zu je ½ Erben des Vaters sind. So hat das OLG München entschieden. Es nahm an, dass ein gemeinschaftliches Testament auch dann wirksam errichtet werden kann, wenn der andere Ehegatte erst nach längerer Zeit beitritt, sofern im Zeitpunkt des Beitritts der Wille des zuerst testierenden Ehegatten zur gemeinschaftlichen Testierung fortbesteht. Hiervon ist in Ihrem Fall auszugehen, weil Ihr Vater nach dem Tode Ihrer Mutter 1992 einen Erbschein beantragt und in diesem Zusammenhang erklärt hatte, das Testament sei von ihm und Ihrer Mutter als gegenseitige Alleinerbeinsetzung und als Schlusserbeinsetzung der beiden Kinder zu verstehen.

Für Experten: OLG München vom 1. 12. 2011, 31 Wx 249/10

 

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