Nacherbe
Antrag nach § 7 II 1 ErbStG bei Zuwendung des Vorerben

Hinzurechnung von Zuwendungen des Vorerben bei Antrag nach § 7 II 1 ErbStG.  Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Hinzurechnung von Zuwendungen des Vorerben bei Antrag nach § 7 II 1 ErbStG

Die Vor- und Nacherbschaft sind in der Erbschaftsteuer hochkomplex und schwierig. Dies resultiert daraus, dass es starke Unterschiede zwischen der zivilrechtlichen und erbschaftsteuerlichen Behandlung der Vor– und Nacherbschaft gibt. Im Zivilrecht sind sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe Erben des Erblassers. Der Erblasser wird also von zwei verschiedenen Personen beerbt, also zwei Mal, obwohl es sich nur um einen einheitlichen Erbfall handelt. Der Vorerbe ist Erbe auf Zeit (nämlich bis zum Eintritt des Nacherbfalls), der Nacherbe, der wieder vom Erblasser und nicht vom Vorerben erbt, ist dann endgültiger Erbe. 

Im Erbschaftsteuerrecht ist das anders. Die Erbschaftsteuer behandelt den Vorerbfall und den Nacherbfall wie zwei getrennte Erbfälle. Beim ersten Erbfall erbt der Vorerbe vom Erblasser. Dann kommt der entscheidende Unterschied: Bei Eintritt des Nacherbfalls erbt der Nacherbe steuerlich – nicht wie im Zivilrecht vom Vorerben –  sondern vom Vorerben.  Im Ergebnis führt also die Erbschaftsteuer bei der Vor- und Nacherbschaft zu einer doppelten Besteuerung der Erbschaft, einmal beim Vorerben und dann beim Nacherben. 

Das ist besonders dann fatal, wenn die Erbschaftsteuerklasse des Nacherben in Beziehung zum Erblasser günstiger ist, als die Erbschaftsteuerklasse in Bezug zum Vorerben. Beispiel: Der Vorerbe ist der Großvater des Nacherben (Erbschaftsteuerklasse I) , die Vorerbin ist die Tochter des Erblassers und Tante des Nacherben  (in Bezug zu ihr befindet sich der Nacherbe als Neffe in der ungünstigsten Erbschaftsteuerklasse II). Um dieses Dilemma wenigstens etwas zu entschärfen gewährt das Erbschaftsteuerrecht dem Nacherben die Möglichkeit, zu beantragen dass dem Nacherbfall bei der Besteuerung sein Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser (also seinem Großvater) zugrunde gelegt wird. 

So war es auch in einem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall: 

Die Übertragung eines Erbanteils durch die Vorerbin (Tante des Nacherben), dessen Versteuerung auf Antrag des Erwerbers nach § 7 Abs. 2 S. 1 ErbStG sein Verhältnis zum Erblasser (Großvater) zugrunde gelegt wurde, kann bei der nachfolgenden Besteuerung des Erwerbes von Todes wegen nach der Vorerbin (Eigenvermögen der Tante) nicht nach § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG hinzugerechnet werden. Eine abweichende Regelung ergibt sich auch nicht aus § 6 Abs. 2 S. 3, 4 ErbStG 1974.

Für Experten:
FG Düsseldorf v. 14.10.2009 – Az.: 4 K 186/09 Erb

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Die kinderlose Tante hatte ihren Anteil am Nachlass  Wege vorweggenommener Erbfolge auf den Neffen übertragen Das Finanzamt setzte die Schenkungsteuer dafür  fest und folgte dabei dem gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gestellten Antrag des Neffen, der Versteuerung sein Verhältnis zu seinem Großvater und nicht zu seiner Tante zugrunde zu legen. Das Finanzamt zog demgemäß von dem Wert des Erwerbs von 268 251 € den in § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bestimmten Freibetrag von damals 205 000 € ab (seine Mutter als Tochter des Großvaters war bereits vorverstorben) und wandte nach § 19 Abs. 1 ErbStG einen Steuersatz von 11 v. H. an.

Danach starb die Tante und vererbte ihr Eigenvermögen an ihren Neffen.  Das FA rechnete jetzt dem Erwerb durch Erbanfall von 160 370 € gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG den Wert des von der Tante auf den Neffen übertragenen Anteils am Nachlass des Großvaters  von 268 251 € hinzu und zog den in § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vorgesehenen Freibetrag von damals 10 300 € ab. Auf den sich hieraus ergebenden, auf volle hundert Euro abgerundeten steuerpflichtigen Erwerb von 418 300 € wandte das Finanzamt einen Steuersatz von 22 v. H. an. Von der sich daraus errechnenden Erbschaftsteuer von 92 026 € zog es gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG für den Vorerwerb eine Steuer von 44 470 € ab. 

Der Neffe klagte mit der Begründung, sein Antrag, der Besteuerung des Vorerbteilserwerbs von seiner Tante sein Verhältnis zum Großvater zugrunde zu legen, müsse auch im Rahmen der Steuerberechnung nach § 14 Abs. 1 ErbStG berücksichtigt werden. Die Erbschaftsteuer sei daher wie folgt zu berechnen: Der Erwerb durch Erbanfall von 160 370 € sei ohne Berücksichtigung eines Freibetrags nach § 16 Abs. 1 ErbStG mit 17 v. H. zu versteuern (Steuerbetrag: 27 262 €). Der Vorerwerb von 268 251 € sei nach Abzug eines Freibetrags von 205 000 € (verbleibender Betrag: 63 251 €) mit 11 v. H. anzusetzen (Steuerbetrag: 6 957 €). Von der sich hieraus ergebenden Erbschaftsteuer von 34 219 € seien als anrechenbare Steuer für den Vorerwerb 6 952 € abzuziehen. Die Erbschaftsteuer sei demgemäß auf 27 267 € festzusetzen. Diesem Antrag war das Finanzgericht Düsseldorf gefolgt.

Das Finanzamt beantragte in der Revision, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Bundesfinanzhof wies die Revision zurück.  Hier die

Leitsätze:

1. Überträgt ein Vorerbe mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbschaft Vermögen auf den Nacherben, handelt es sich auch dann um einen gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG mit einem späteren Erwerb des Nacherben vom Vorerben zusammenzurechnenden Erwerb vom Vorerben, wenn der Nacherbe nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG beantragt, der Versteuerung der Vermögensübertragung sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen.

2. Bei der Versteuerung des späteren Erwerbs des Nacherben vom Vorerben ist in diesem Fall § 7 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 ErbStG entsprechend anzuwenden.

BFH, Urteil vom 3. 11. 2010 – II R 65/09 (FG Düsseldorf 14. 10. 2009 4 K 186/09 Erb) EFG 2010, 156, BeckRS 2009, 26028166

In den Gründen führt der BFH aus, dass die Vorentscheidung des FG Düsseldorf im Ergebnis richtig gewesen sei.  Der Antrag des Neffen, der Besteuerung des übertragenen Vorerbenanteils sein Verhältnis zum Großvater zugrunde zu legen, muss auch im Rahmen der Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 ErbStG berücksichtigt werden. Die Zusammenrechnung nach dieser Vorschrift ist so vorzunehmen, dass dem Neffen der Steuervorteil aus seinem Antrag nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nicht ganz oder teilweise wieder verloren geht. § 14 Abs. 1 ErbStG solle verhindern, dass die Freibeträge innerhalb des Zusammenrechnungszeitraums mehr als einmal angewendet werden und sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung mit deren Gesamtwert ein Progressionsvorteil ergibt. Es sei aber nicht Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 ErbStG, dem Steuerpflichtigen den Vorteil aus einem Antrag nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ganz oder teilweise zu entziehen.

19 Bei einer den Zielsetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG einerseits und des § 14 Abs. 1 ErbStG andererseits entsprechenden Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften bedeutet dies, dass in Fällen der vorliegenden Art die Steuerberechnung für den Letzterwerb in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 ErbStG zu erfolgen hat

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