Pfändung

Pfändung eines Erbteils: Rechtsfolgen für die Auseinandersetzung. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Pfändung eines Erbteils: Rechtsfolgen für die Auseinandersetzung

KGJ Band 48 (Jahrgang 1916), Seite 161 – 167

Wir haben diese schwer zu findende und heute noch wichtige Entscheidung für Sie hier eingestellt (KGJ 48, 161)

Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen
Nr. 43 Rechtsfolgen der Pfändung des Erbteils eines Miterben für die Erbauseinandersetzung

Ein Gläubiger, der den Erbteil seines Schuldners als Miterben hat pfänden lassen, kann nicht an Stelle des Schuldners einen Auseinandersetzungsvertrag in Ansehung des Nachlasses selbständig abschließen. Er ist indes selbständig zum Antrag auf Vermittlung der Auseinandersetzung, die unter Zuziehung des Schuldners des Beteiligten zu erfolgen hat, befugt.

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Beschluss vom 16. September 1915 (I. X. 203/15).
Amtsgericht und Landgericht Schweidnitz.

 Für den S. ist im Grundbuch eine Briefhypothek eingetragen. S ist 1897 verstorben. Erben sind seine Witwe und die gemeinsamen fünf Kinder geworden. Die Witwe ist 1913 verstorben und ebenfalls von den fünf Kindern beerbt. Der Miterbe O.S. hat wegen einer Forderung gegen seinen Bruder den Miterben R.S., dessen Erbteil nach den Eltern und ferner dessen Recht, von den Miterben die Nachlaßteilung zu fordern und diese an Stelle des Schuldners abzuschließen, pfänden und sich gleichzeitig den Anspruch des R.S. zur Einziehung überweisen lassen. Die Miterben haben darauf ohne Zuziehung des R.S. in notariell beglaubigter Urkunde die Hypothek an die Frau des O.S., der eingetragener Eigentümer des Pfandgrundstücks ist, abgetreten, das Entgelt für die Hypothek untereinander verteilt und hierbei den Anteil des R.S. auf Grund des Pfändungsbeschlusses dem O.S. übereignet. O.S. hat die Urkunde „für sich und als Gläubiger des Miterben R.S. zufolge der Pfändung und Überweisung von dessen Erbteil“ vollzogen. Nunmehr wurde die Löschung der Hypothek von der Frau des O.S. bewilligt und von O.S. als Grundstückseigentümer beantragt. Das Grundbuchamt beschied den O.S., daß die Unterschrift des R.S. auf der Urkunde nachzuhlen sei, da dessen dingliches Gläubigerrecht trotz der Pfändung des Erbteils und trotz der Teilung des Hypothekenentgelts fortbestehe. In einer besonderen, dem O.S. nicht bekannt gegebenen Nummer de Verfügung ist vermerkt: „Nach 10 Tagen“. Die Beschwerde fdeO.S., der geltend machte, daß auch das Recht gepfändet sei, an Stelle des R.S. die Nachlaßteilung abzuschließen, war erfolglos.

Der weiteren Beschwerde des O. S. wurde stattgegeben.

Gründe:

Die weitere Beschwerde ist zulässig und formgerecht eingelegt, sie ist aber auch begründet insofern, als das Landgericht mit Unrecht die angefochtene Verfügung des Amtsgerichts als eine den Vorschriften des § 18 GBO. entsprechende Zwischenverfügung angesehen hat.

Nach § 18 aaO. hat der Grundbuchrichter, wenn einer beantragten Eintragung ein Hindernis entgegensteht, falls er den Antrag

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nicht zurückweist, dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Hebung des Hindernisses zu bestimmen. Diese Frist muß danach dem Antragsteller mitgeteilt werden und demgemäß in der ihm zugehenden Zwischenverfügung enthalten sein (vgl. Güthe, GBO.³ § 18 A. 28, 31). Dies ist hier nicht geschehen, da die vermerkte Frist von zehn Tagen sich in einer besonderen Nummer der Verfügung des Richters befindet und davon nach dem Inhalte der Akten dem Antragsteller auch seine Mitteilung gemacht worden ist. Daß anderseits eine Zwischenverfügung und nicht bloß etwa eine gutachtliche Äußerung oder lediglich ein Verfügung, die dem Antragsteller Gelegenheit geben sollte, seinen Antrag zurückzunehmen, gemeint war (in welchem Falle überhaupt keine beschwerdefähige Entscheidung aus § 71 GBO. vorliegen würde, vgl. KGJ 46 S. 176), ergibt der Inhalte der Verfügung. Aus dem Umstande, daß der Richter erklärt, die Unterschrift des R.S. sei „nachzuholen“, und der offenbar zu diesem Zwecke unter Nr. 2 der Verfügung vermerkten Frist von zehn Tagen erhellt zweifelsfrei, daß der Richter jedenfalls ein Zwischenverfügung erlassen wollte. Wenn dies nun in fehlerhafter Weise geschehen ist, so hätte deshalb auf die gegen diese Verfügung eingelegte Beschwerde die Verfügung wegen Verstoßes gegen § 18 GBO. aufgehoben werden müssen. Da dies vom Landgericht verabsäumt ist, ist dies jetzt nachzuholen, damit das Amtsgericht auf den gestellten Antrag eine den Vorschriften des § 18 GBO. entsprechende sachgemäße Verfügung erläßt. Denn hierauf hat der Antragsteller Anspruch. Wenn er nach derzeitiger Rechtslage die Zurückweisung seines Antrags und damit einen Rangverlust zu gewärtigen hat, so darf er im Hinblick auf die aus § 18 GBO. sich ergebenden Rechtsfolgen auch über den Zeitpunkt des Eintritts dieser Rechtsfolgen nicht im Unklaren gelassen werden. Die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses hat deshalb auch zu erfolgen, obwohl den Beanstandungen der Vorinstanzen sachlich im Endergebnisse beizutreten ist.

Die Frau O.S. beruft sich für ihre Berechtigung zur Erklärung der Löschungsbewilligung auf die in der Urkunde vom 26. Februar 1915 erfolgte Abtretung der fraglichen Hypothek an sie. Für den Grundbuchrichter kommt es deshalb an sich und in erster Linie nur auf die Prüfung dieser Abtretung an, ob nämlich durch dieselbe tatsächlich das Recht aus der Hypothek auf Frau O.S. über-

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tragen werden konnte und demgemäß auf sie übergegangen ist. Dies haben Amtsgericht und Landgericht mit Recht verneint. Zur Abtretung der Hypothek an Frau O.S. war an sich die Mitwirkung sämtlicher Berechtigter, also sämtlicher Miterben einschließlich des R.S. nötig. Dieser Mitbestimmungsrecht des R.S. ist nun keineswegs infolge des von O.S. erwirkten Pfändungsbeschlusses auf diesen übergegangen. Durch diesen Beschluß sollte und konnte nach den erbrechtlichen Grundsätzen sowohl des preuß. Allgemeinen Landrechts als auch des BGB. nur das Erbrecht des R.S. am Nachlaß, also sein Erbteil im ganzen von dem Beschwerdeführer gepfändet werden. Der Anteil eines Miterben an den einzelnen Nachlaßgegenständen (hier also der streitigen Hypothek) ist nach § 382 I. 9,  §§ 115 ff. I. 17 ALR. und § 2033 Abs. 2 BGB. der Verfügung des Miterben und entsprechend der Pfändung nicht unterworfen, vielmehr unterliegt dem Pfandrecht aus §§ 859, 857 ZPO. nur das Recht des Miterben an dem Nachlaß als einem Inbegriffe von Rechten und Pflichten (§ 859 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 ZPO.; RG. 49 S. 405; 84 S. 396; Güthe aaO. § 36 A. 19 aE.). Auch ein bedingtes Verfügungsrecht, wie es die preuß. Rechtsübung bezüglich des Anteils des Miterben an einzelnen Nachlaßgegenständen in manchen Beziehungen entwickelt hat, ist hinsichtlich jener Hypothek nach dem oben wiedergegebenen Inhalte des Pfändungsbeschlusses nicht Gegenstand des Pfandrechts. Es bedufte deshalb an sich der Zustimmung des R.S. zu dieser Abtretung.

An diesem Erfordernis ist auch dann nichts geändert, wenn, wie es dies den Anschein hat, die Abtretung zu demn Zwecke erfolgt ist, um daraufhin die Auseinandersetzung bezüglich der Nachlaßhypothek unter den Beteiligten gemäß §§ 2042, 752, 754 BGB. zu bewirken. In Frage kommen hier zwei Auseinandersetzungen, und zwar anscheinend zwei teilweise, nämlich auf die Hypothek oder deren Entgelt beschränkte Auseinandersetzungen. Einmal diejenige nach dem vor 1900 verstorbenen S., für die gemäß Art. 213 EG.BGB. die früheren Vorschriften Platz greifen (vgl. Schlegelberger, FGG. Bem. III vor § 86 S. 508). Sodann die Auseinandersetzung nach dessen Witwe. Beide Auseinandersetzungen sind ohne Rücksicht hierauf in unklarer unübersichtlicher Weise miteinander verbunden worden. Nun ist es allerdings sowohl nach dem früheren preuß. Rechte (vgl. Dernburg, Pr.PrivR. 3 4 § 245 z. 1) wie auch nach

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jetzigem Rechte (vgl. RGRäte, BGB. ² § 2042 A. 1) grundsätzlich zulässig, die Auseinandersetzung von Miterben außergerichtlich und auch mittels Privatschrift zu bewirken. Immerhin bedarf es auch zu solcher außergerichtlichen Auseinandersetzung der Mitwirkung sämtlicher Beteiligter, vorliegend also ebenfalls des R.S. Verfehlt ist in dieser Beziehung die Ansicht des Beschwerdeführers, daß er insoweit an die Stelle jenes Miterben getreten sei, weil er durch den Pfändungsbeschluß nicht nur das Recht desselben erlangt habe, von den Mitbeteiligten die Nachlaßteilung zu fordern, sondern auch das weitere Recht, diese Nachlaßteilung an Stelle des R.S. „abzuschließen“. Hieran ist allein richtig, daß der Pfändungspfandgläubiger aus §§ 859, 857 ZPO., dessen Rechtsstellung an dem von ihm gepfändeten Erbteil im übrigen, wie auch Eccius in GruchotsBeitr. 43 S. 810 hervorhebt, der näheren gesetzlichen Regelung entbehrt, durch den Pfändungsbeschluß das Recht erlangt, gemäß § 86 Abs. 2 FGG. (bezw., sofern früherens Recht in Frage kommt, nach §§ 1 ff. I. 46 Pr.AGO., §§ 117 ff. I. 17 Pr.ALR.) die Auseinandersetzung durch Vermittlung des Nachlassgerichts zu betreiben (vgl. Schlegelberger, FGG. § 86 A. 14, 15; RG.60 S. 133; 84 S. 395, Stein, ZPO. 11 § 859 A. III 2; Sydow-Busch, ZPO. 14 § 859 A. 3; v. Steaudinger, BGB. 7. 8 § 2033 A. 4; Leonhard, ERbR. d. BGB § 2033 A. V; Planck, BGB. ³ § 2033 A. r; Predari, GBO. ² § 48 A. 2 S. 658; Drenburg, Bürg.R. 5 ³ § 189 S. 544; Strohal, ERbR. ³ 2 § 88z. III S. 344 f.). Man wird daraus auch das Recht des Pfändungspfandgläubigers folgern müssen, wie hier, sich mit einer außergerichtlichen Auseinandersetzung zu begnügen, wenn alle Beteiligten mit einer solchen Auseinandersetzung einverstanden sind und diese zum Ziele führt. Durch diese Rechtswirkung des Pfändungsbeschlusses im Gegensatze zu einem bloß schuldrechtlichen Anspruche gegenüber den Miterben (vgl. KGJ. 45 S. 159) wird aber keineswegs die Mitwirkung des Pfändungspfandschuldners ausgeschaltet. Der Pfändungspfandgläubiger tritt infolge der ihm durch den Pfändungsbeschluß erwachsenen Befugnis zur Herbeiführung der Auseinandersetzung, insbesondere zum Antrag aus § 86 Abs. 2 FGG. nur neben den betreffenden Miterben in der Weise, daß er die Auseinandersetzung zwar selbständig betreiben, nicht aber ohneseine Mitwirkung und Zuziehung an dessen Stelle durchführen kann. Demnach erstreckt sich die Wirkung der Pfändung, worauf auch RG. 43 S. 377 für den dort behandelten gleichliegenden Fall

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verweist, darauf, daß der betreffende Miterbe ferner nicht befugt ist, seinen Anteil an der Erbschaft zum Nachteile des Pfändungspfandgläubigers zu veräußern oder anderweitig darüber zu verfügen. Erwerber des Erbteils des Miterben im Sinne des § 86 Abs. 2 FGG. wird er Pfandgläubiger nicht. Davon würde nur dann die Rede sein können, wenn infolge der Pfändung der Gläubiger den Miterben in seinem ganzen Rechte vertreten, mit dinglicher Wirkung in seine gesamte Rechtsstellung eintreten würde. Dies ist nicht der Fall. In Wirklichkeit beschränkt der Pfändungspfandgläubiger den Miterben infolge der Pfändung nur in Höhe eines bestimmten Geldbetrags, nämlich seiner Forderung, deren Beitreibung er durch die Pfändung erstrebt. Vg. Schlegelberger, FGG. § 86 A. 3, 14 ff.; Josef, FGG. ² § 86 A. 8 b u. i. BadNOtZ. 1913 S. 136. ff., 142 z. III; Gerner das. S. 45 ff., 50 z.a; auch Predari u. Dernburg AAO.; ferner OLG. Colmar i. ZBlFG. 1908 S. 630 541, wo umgekehrt übereinstimmend ausgesprochen ist, daß in solchem Falle der Pfändungspfandschuldner nicht ohne Zustimmung des Pfändungspfandgläubigers mehr über seinen Erbteil verfügen kann: es wird dort also ebenfalls der Standpunkt vertreten, der auch aus den Ausführungen RG. 43 S. 377 folgt, daß der Pfändungspfandschuldner infolge der Pfändung seines Erbtiels jedenfalls nicht überhaupt aus seiner Rechtsstellung als Miterbe ausscheidet und sein Mitbestimmungsrecht bei der Erbteilung verliert.

Ist dies aber grundsätzlich anzunehmen, so ist es auch unerheblich, ob im einzelnen Falle die Forderung des Pfandgläubigers den Wert des Erbanspruchs des betreffenden Miterben übersteigt, wie es anderseits ohne weiteres erhellt, daß der Pfandgläubiger, dessen Foderung gering ist, den Miterben nicht wohl unter völliger Ausschließung desselben vertreten kann, wenn dessen Erbanspruch die Forderung seines Gläubigers um das Vielfache übertrifft.

Hieraus folgt, daß die Pfändung, insoweit sie darauf geht, die Nachlaßteilung an Stelle des Schuldners abzuschließen, rechtsunwirksam und deshalb unbeachtlich ist, eben weil es sich hierbei um ein höchst persönliche Befugnis des Miterben handelt, die ihm überhaupt nicht entzogen werden kann.

Stellt sich demnach die Erbteilung ohne seine Zuziehung als Verfügung Nichtberechtigter dar (Gerner aaO.), so ist auch diese Maßnahme nicht geeignet, die an sich nicht bewirkte Abtretung der

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Hypothek an Frau O.S. rechtswirksam zu gestalten oder zu ersetzen. Mit Recht hat also das Amtsgericht in der angegriffenen Verfügung die Vollziehung der Urkunde vom 26. Februar 1915 auch durch R.S. verlangt. Es hat deshalb nunmehr diesem Verlangen in einer den Vorschriften des § 18 GBO. entsprechenden Zwischenverfügung mit Bestimmung einer dazu angemessenen Frist Ausdruck zu geben.

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