Schweizer Erbrecht: Ähnlich und doch ganz anders. Schweizer Erbrecht. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Spezialist Erbrecht

Schweizer Erbrecht: Ähnlich und doch ganz anders

Das Schweizer Erbrecht

ähnelt in den Grundprinzipien dem deutschen Erbrecht. Allerdings gibt es auch große Unterschiede. Zu beachten ist, vor allem dass die gleichen Begriffe im deutschen und schweizerischen Erbrecht oft mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet werden. So zum Beispiel der Begriff „Pflichtteil“. Das ist in der Schweiz ein Noterbrecht, das mit einer sogenannten Herabsetzungsklage durchgesetzt wird und zu einem Erbteil am Nachlass als Mitglied der Erbengemeinschaft führt, während es in Deutschland ein Geldanspruch ist (s.u. 3.2). Der „Willensvollstrecker“ in der Schweiz ist der deutsche Testamentsvollstrecker. „Wohnsitz“ ist ebenfalls ein solcher Begriff. Nach deutschem Recht ist mehr als ein Wohnsitz denkbar, zumindest ein Haupt- und ein Nebenwohnsitz. Nach Schweizer Recht gibt es nur einen Wohnsitz, nach dem sich aus Schweizer Sicht richtet, welches Erbrecht anwendbar ist).

Inhalt:

1. Ist schweizerisches oder deutsches  Erbrecht anwendbar?
2. Wenn schweizerische und deutschen Gerichte unterschiedlicher Auffassung sind
3. Schweizer Erbrecht
4. Nachlassverfahren

1. Ist schweizerisches oder deutsches  Erbrecht anwendbar?

Zunächst ist zu klären, nach welchem Erbrecht sich der Erbfall richtet.

Ob bei einem Erbfall deutsches oder Schweizerisches Erbrecht anwendbar ist, ist eine Frage des sogenannten internationalen Privatrechts. Hier gibt es grundlegende Unterschiede zwischen dem internationalen Privatrecht Deutschlands und der Schweiz.

  • Die Schweiz beruft sich auf das Wohnsitzprinzip, d.h. das Erbrecht richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte.
  • Deutschland beruft sich auf das Staatsangehörigkeitsprinzip, d.h. das Erbrecht richtet sich nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. 

Dies kann dazu führen, dass ein Schweizer Richter auf einen Erbfall ein anderes Recht anwendet, als der deutsche Nachlassrichter.

Hat der Schweizer Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Deutschland, findet auf seinen Nachlass aus schweizerischer Sicht wie aus deutscher Sicht deutsches Erbrecht Anwendung (letzteres ist aus besonderen Gründen, die hier nicht dargelegt werden können, kein Widerspruch zum Staatsangehörigkeitsprinzip).

Hat der deutsche Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz, findet auf seinen Nachlass aus schweizerischer Sicht Schweizer Erbrecht Anwendung (aus deutscher Sicht ist deutsches Erbrecht anwendbar!). Schweizerisches Recht erlaubt dem Deutschen mit letztem Wohnsitz in der Schweiz aber durch Verfügung von Todes wegen die Anwendung seines deutschen Heimatrechts zu wählen, das nach deutscher Auffassung ohnehin Anwendung findet.  Dies kann beispielsweise bei Pflichtteilsansprüchen von großer Bedeutung sein.

2. Wenn schweizerische und deutschen Gerichte unterschiedlicher Auffassung sind

Bemisst sich die Erbfolge einerseits nach deutschem Recht und andererseits nach Schweizer Recht (Nachlassspaltung), so ist für jede Nachlassmasse ein selbstständiger Erbschein auszustellen. Die Erbscheine können nach außen in einem Zeugnis zusammengefasst werden. Für jede Masse ist eine eigene Quote zu bilden.

Es sind Fälle vorstellbar, dass die Schweizer Behörden  zum Ergebnis kommen, dass Schweizer Erbrecht anwendbar ist und die deutschen Nachlassgerichte, dass ausschließlich deutsches Erbrecht anwendbar ist.

Hierbei ist zu beachten: Die Erbfolge nach einer Person mit letztem Wohnsitz in der Schweiz richtet sich aus Schweizer Sicht nach Schweizer Recht (Artikel 90 Abs. 1 IPRG). Da beim Tod eines Deutschen mit Schweizer Wohnsitz aus deutscher Sicht deutsches Erbrecht zur Anwendung gelangt, kommt es hier zu einem internationalen Entscheidungsdissens (es sei denn, der Erblasser hat das deutsche Recht gewählt). Wenn kein deutsches Recht gewählt wurde, werden Schweizer Behörden immer eine Erbfolge nach Schweizer Recht annehmen und deutsche Nachlassgerichte eine Erbfolge nach deutschem Recht. Hier muss dann aber einfach nur ein deutscher Erbschein beantragt werden.

Wie gesagt, kann ein Deutscher sein deutsches Heimatrecht in einer formgültigen Verfügung von Todes wegen auch aus Schweizer Sicht wählen (Artikel 90 Abs. 2 IPRG). Anders als bei einem Schweizer in Deutschland kann ein Deutscher in der Schweiz sein deutsches Heimatrecht nur für den gesamten Nachlass, also auch den in der Schweiz belegenen, wählen.

Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in Deutschland untersteht dem Recht, auf welches das Kollisionsrecht des Wohnsitzstaates verweist (Artikel 91 Abs. 1 IPRG); bei einem Schweizer Erblasser mit letztem Wohnsitz in Deutschland verweist Artikel 25 Abs. 1 EGBGB auf das Schweizerische Heimatrecht, dessen internationales Privatrecht (Artikel 91 Abs. 1 IPRG) auf das deutsche Kollisionsrecht des Wohnsitzlandes zurückverweist, welches die Rückverweisung in Artikel 4 Abs. 1 EGBGB annimmt, so dass deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt (BayObLGZ 2001, 203, 205).

Artikel 91 Abs. 2 IPRG ermöglicht im Ausland Schweizer auch die umfassende Wahl des Rechts seines letzten Wohnsitzes als Erbstatut. Der Auslandsschweizer kann aber auch sein in der Schweiz belegenes Vermögen oder sein gesamtes Vermögen der Schweizer Zuständigkeit unterstellen (Artikel 92 Abs. 2, 87 IPRG).

3. Schweizer Erbrecht

Das schweizerische  und das deutsche Erbrecht beruhen auf denselben Wurzeln und folgen denselben Prinzipien:

  • Gleichbehandlung der Erben unter Berücksichtigung der Generationenfolge innerhalb der nach Stämmen gegliederten Nachkommenschaft
  • Pflichtteilschutz der nächsten Erbberechtigten
  • Unterscheidung von erbrechtlichen Zuwendungen als Erbteil oder als Vermächtnis
  • Eigentumsübergang am Nachlass durch den Tod direkt an die Erben ohne Zwischeneigentum bei einem Testamentsvollstrecker  wie zum Beispiel im Sinne des angloamerikanischen Executor
  • Selbstregelung der Erbschaft durch die Erben, allenfalls unter Mitwirkung eines Testamentsvollstreckers, aber grundsätzlich ohne Behörde
  • Gemeinsame Haftung der Erben für die Schulden des Nachlasses

Es gibt aber dennoch wesentliche Unterschiede:

3.1 Gesetzliche Erbfolge

Abgesehen vom überlebenden Ehegatten sind die Nachkommen des Verstorbenen die nächsten gesetzlichen Erben, und zwar zunächst die Kinder (zu gleichen Teilen); anstelle eines vorverstorbenen Kindes treten (zu gleichen Teilen) dessen Kinder usw. Hinterlässt der Erblasser Nachkommen, schließen diese die entfernteren Verwandten von der gesetzlichen Erbfolge aus.

Hinterlässt der Erblasser keine Nachkommen, gelangt der Nachlass an Vater und Mutter (zu gleichen Teilen). Anstelle eines vorverstorbenen Elternteils treten (zu gleichen Teilen) deren Kinder, also die Geschwister des Erblassers bzw. bei deren Vorversterben deren Nachkommen.

Hinterlässt der Erblasser auch keine Erben des elterlichen Stammes, gelangt die Erbschaft an die Großeltern bzw. deren Nachkommen, also zum Beispiel an die Vetter und Basen.

Der überlebende Ehegatte erbt von Gesetzes wegen neben, d. h. sogleich mit den vorgenannten anderen Erben. Die Höhe seines gesetzlichen Erbteils richtet sich danach, mit welchen anderen Verwandten der überlebende Ehegatte den Nachlass teilt: Teilt er den Nachlass mit den Nachkommen des Verstorbenen, ist sein gesetzlicher Erbteil ½ des Nachlasses, aber er wächst an auf ¾ des Nachlasses, wenn er mit den Eltern des Erblassers teilt.

Dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Kinder, Nachkommen und generell der Mitglieder einer gleichgeordneten Erbengruppe dient auch die Regel, dass die gesetzlichen Erben verpflichtet sind, alles zur sogenannten „Ausgleichung“ zu bringen, was ihnen der Erblasser zu Lebzeiten auf Anrechnung an ihren Erbteil zugewendet hat. Ausgleichungen sind auch Zuwendungen des Erblassers und seine Nachkommen als Mitgift, Ausstattung zur Etablierung im eigenen Beruf und Ähnliches, doch kann der Erblasser diese Ausgleichung durch Verfügung von Todes wegen ausschließen. Ausbildungs- und Erziehungskosten eines Nachkommen sind nur auszugleichen, falls sie gegenüber den anderen das übliche Maß übersteigen, doch kann der Erblasser die ganze Ausgleichung verfügen.

Die Ausgleichung erfolgt im Zeitpunkt des Erbganges durch Rückübertragung oder Anrechnung.

Im Übrigen ist der Grundsatz der Gleichbehandlung nur von subsidiärer Bedeutung. Unter Vorbehalt des Pflichtteilsrechts kann der Erblasser davon abweichen, und zum Beispiel ein vom Leben weniger gut behandeltes Kind besser stellen, als ein vom Leben besser bedachtes.

3.2 Pflichtteil

Nach Schweizerischem Recht ist der Pflichtteil ein im Umfang gekürzter Erbteil, der Pflichtteilsberechtigte kann mittels einer besonderen Klage, seine Stellung als Miterbe durchsetzen. Diese Klage muss binnen einen Jahres nach Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Testament erhoben werden, längstens 10 Jahre nach dem Erbfall. Setzt der Pflichtteilsberechtigte mit dieser Herbseetzungsklage die Erbbeteiligung der Erben herab und seinen eigenen Pflichtteil durch ist er Miterbe, d. h. auch der Pflichtteilserbe hat ein umfassendes Auskunftsrecht, er hat das Recht, bei der Erbteilung mitzuwirken, und er trägt mit den anderen Erben alle damit verbundenen Pflichten und Haftungen.

Pflichtteilsgeschützt sind die Nachkommen des Erblassers, seine Eltern (falls diese mangels Nachkommen überhaupt zur Erbschaft berufen sind), und der überlebende Ehegatte.

Der Pflichtteil muss dem Berechtigten ungeschmälert und unbelastet zukommen, d.h. ohne Auflagen und Bedingungen und –abgesehen von den Fällen von Minderjährigkeit bzw. Handlungsunfähigkeit- frei von Erbschaftsverwaltung.

Der rechnerische Umfang des Pflichtteils bestimmt sich nach dem Grad der Verwandtschaft zum Erblasser und zu den übrigen Erben: Hinterlässt der Erblasser einen Ehegatten und Nachkommen, erben von Gesetzes wegen der Ehegatte ½ und die Nachkommen zusammen ebenfalls ½ des Nachlasses. Der Pflichtteil des Ehegatten beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also in diesem Fall ¼ des Nachlasses, derjenige der Nachkommen ¾ des gesetzlichen Erbteils, in diesem Fall also 3/8.

Den nicht durch die Summe der Pflichtteile belegten Nachlass nennt man die verfügbare Quote oder den verfügbaren Teil.

Übersicht:

  1. Erblasser ohne Nachkommen, ohne Eltern, ohne Ehegatten: 100 % verfügbare Quote
  2. Erblasser mit Nachkommen, ohne Ehegatten: Pflichtteil der Nachkommen ¾, verfügbare Quote ¼
  3. Erblasser mit Nachkommen und Ehegatte: Pflichtteil der Nachkommen 3/8, Pflichtteil des Ehegatten ¼, verfügbare Quote 3/8
  4. Erblasser ohne Nachkommen, mit Eltern, ohne Ehegatten: verfügbare Quote ½, Pflichtteil der Eltern ½
  5. Eltern ohne Nachkommen, mit Eltern und Ehegatten: verfügbare Quote ½, Pflichtteil des Ehegatten 3/8, Pflichtteil der Eltern 1/8
  6. Erblasser ohne Nachkommen, ohne Eltern, mit Ehegatten: verfügbare Quote ½, Pflichtteil des Ehegatten ½

Die Entziehung des Pflichtteils bedarf der sogenannten Enterbung in der Form einer Verfügung von Todes wegen. Sie ist zulässig, wenn der betreffende Erbe gegen den Erblasser ohne eine diesem nahe verbundene Person ein schweres Verbrechen begangen oder gegenüber dem Erblasser oder einem von dessen Angehörigen die familienrechtlichen Pflichten schwer verletzt hat.

Wenn gegen einen Nachkommen des Erblassers zwangsvollstreckungsrechtliche Verlustscheine (d. h. Ausweise über den Verlust des Gläubigers im Zwangsvollstreckungsverfahren) bestehen, kann ihm vom Erblasser die Hälfte des Pflichtteils entzogen werden. Die entzogene Hälfte des Pflichtteils muss den Kindern des Enterbten zugewendet werden.

Eine Verletzung des Pflichtteils eines Erben ist grundsätzlich auf zwei Arten denkbar: Entweder dadurch, dass der Erblasser

  • die Festlegung der Erbteile und Vermächtnisse (absichtlich oder aus Versehen) unrichtig vornimmt. Beispiel: Der Erblasser übersieht, dass der Pflichtteil seiner beiden Kinder, die zugleich seine einzigen gesetzlichen Erben sind, ¾ des Nachlasses beträgt, und er wendet einer Person 1/3 statt plus ¼ zu; oder der Erblasser vermacht in derselben Konstellation wie oben einer dritten Person ein Legat von 200 bei einem reinen Nachlass von 400, oder
  • den Nachlass durch lebzeitige Zuwendungen verringert. Beispiel: Im Verlauf der Jahre verschenkt der Erblasser (Vater von zwei Kindern als einzigen gesetzlichen Erben) an diverse Stiftung insgesamt 500. Im Zeitpunkt des Todes beträgt sein reiner Nachlass noch 100.

Im ersten Fall wird die Zuwendung an die Drittperson auf Klage des Pflichtteilserben um 1/12 (ein Drittel minus ¼) bzw. im zweiten Fall um 100 herabgesetzt, damit diese ihren Pflichtteil von ¾ bzw. 300 erhalten. Im zweiten Fall muss eine sogenannte „Schattenrechnung“ vorgenommen werden: Zum effektiven Vermögen im Zeitpunkt des Todes des Erblassers werden alle Zuwendungen hinzugerechnet, die er in den letzten fünf Jahren vorgenommen hat, sowie all jene Zuwendungen, ohne Frist, die er vorgenommen hat, um die Regeln des Pflichtteilsrechtes zu umgehen. Die beiden pflichtteilsgeschützten Erben haben Anspruch darauf, den an diesem hypothetischen Vermögen gemessenen Erbteil zu erhalten. Wenn wir annehmen, es liege auf Seiten des Erblassers keine Umgehungsabsicht vor, und alle Schenkungen an die Stiftungen seien in den letzten fünf Jahren vorgenommen, betrüge der hypothetische Nachlass 600, sodass die Pflichtteilserben zusammen Anspruch auf 450 haben, die Stiftungen also (anteilsmäßig) insgesamt 350 herausgeben müssen.

Allerdings sind sie (unter Vorbehalt des bösen Glaubens) zur Rückleistung nur verpflichtet, insoweit sie noch bereichert sind.

3.3 Verfügungen von Todes wegen (Testament und Erbvertrag)
3.3.1 Letztwillige Verfügung (Testament)

Durch Testament kann der urteilsfähige, mindestens 18 Jahre alte Erblasser im Rahmen der Rechtsordnung Willenserklärungen jeglichen Inhalts betreffend seinen Nachlass einseitig verfügen. Er kann zum Beispiel

  • den Erbteil eines gesetzlichen Erben bis auf den Pflichtteil reduzieren
  • einen nicht durch einen Pflichtteil geschützten gesetzlichen Erben von der Erbschaft ausschließen
  • die verfügbare Quote einem gesetzlichen oder einer Drittpersonen zuwenden, die dadurch zum sogenannten „eingesetzten“ Miterben wird
  • ein Vermächtnis zu Gunsten eines Erben oder einer Drittperson aussetzen
  • die Zuwendung eines Vermächtnisses oder eines Erbteils (unter Vorbehalt des Pflichtteilsschutzes) mit Auflagen oder Bedingungen belegen
  • sogenannte „Teilungsvorschriften“ erlassen
  • die Testamentsvollstreckung (in der Schweiz „Willensvollstreckung“) anordnen, und einen Willensvollstrecker bestellen

Auch wenn der Erblasser keine Pflichtteile zu beachten hat (sei es, dass er keine pflichtteilsgeschützten Erben hinterlässt, sei es, dass diese auf ihren Erbteil verzichtet haben), ist er doch insofern in seiner Dispositionsfreiheit eingeschränkt, dass er mindestens einen gesetzlichen Erben nicht ausschließen darf oder mindestens eine Drittperson als Erben einsetzen muss; d. h. er kann über seinen Nachlass nicht bloß durch Vermächtnisse verfügen.

Abgesehen vom sehr seltenen mündlichen „Nottestament“ vor zwei Zeugen kann das Testament vom Erblasser von Anfang bis Ende eigenhändig (einschließlich Ort, Datum und Unterschrift) verfasst oder vor einem Notar unter Mitwirkung von zwei Zeugen erklärt werden. Die Wirkung des eigenhändigen und des notariellen Testaments sind identisch. Das notarielle Testament genießt allenfalls einen erhöhten Schutz gegenüber der Behauptung, der Erblasser sei im Zeitpunkt der Errichtung nicht urteilsfähig gewesen. Ein notarielles Testament kann durch ein notarielles oder handschriftliches, ein handschriftliches durch ein handschriftliches oder notarielles Testament ergänzt, aufgehoben oder ersetzt werden. Ein im Ausland handschriftlich oder zum Beispiels vor einem deutschen Notar errichtetes Testament wird in der Schweiz anerkannt, wenn es den Formvorschriften am Ort der Errichtung entspricht.

Im Gegensatz zum deutschen Recht erlaubt das Schweizerische  Recht das gemeinschaftliche Testament unter Ehegatten nicht, dessen Inhalt von einem Ehegatten von Hand geschrieben, und vom anderen nur mit unterzeichnet werden muss.

Ein Testament kann angefochten werden wegen seines Inhaltes, oder wegen eines Formmangels, oder wenn der Erblasser nicht verfügungsfähig war (urteilsfähig und mindestens 18 Jahre alt). Da Testamente in der Schweiz nicht von Amts wegen auf ihre Gültigkeit überprüft werden, erwächst auch ein an sich ungültiges Testament in volle Rechtskraft, wenn es (zum Beispiel aus Gründen der Pietät) nicht rechtzeitig angefochten wird. Die Klage verjährt mit Ablauf eines Jahres vom Zeitpunkt an gerechnet, da der Kläger von der Verfügung und dem Ungültigkeitsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch absolut 10 Jahre nach der Eröffnung der Verfügung.

Beim Tod des Erblassers muss jedes Testament zur zuständigen Behörde eingeliefert werden. Im Hinblick auf die weitgefasste Gültigkeitsbestimmung wird dabei auch ein Entwurf, eine überholte oder unvollständige Fassung, ja auch eine bloße Kopie als einlieferungspflichtig betrachtet. Wenn der Erblasser verhindern will, dass auch solche Texte dereinst Gegenstand der Beurteilung durch die Erben werden, tut er gut daran, jeweils alle nicht mehr relevanten Texte physisch zu vernichten, auch jene, die er bei seinem Anwalt aufzubewahren pflegt, da auch diesen die Pflicht zur Einlieferung trifft.

3.3.2 Erbvertrag

Die Inhalte eines Testamentes können auch Inhalt eines Erbvertrages sein, mit der gewichtigen Ausnahme, dass der Erbvertrag, soweit nicht zwingendes Recht betroffen ist, von der gesetzlichen Vorschrift abweichen, also zum Beispiel auch den Pflichtteil herabsetzen oder ausschließen kann, wenn er mit dem Betroffenen selbst abgeschlossen wird. Dem Testament gegenüber hat der Erbvertrag aber natürlich den Nachteil, dass er auch nach dem Tode des Vertragspartners nicht einseitig geändert werden kann, mit Ausnahme der Bestellung des Willensvollstreckers, die auch im Erbvertrag als „testamentarische“ und damit einseitig abänderbare Klausel angesehen wird.

Der Erbvertrag wird namentlich geschlossen

  • als Erbverzichtvertrag: Der Vertragspartner des Erblassers verzichtet zum Beispiel im Hinblick auf frühere Zuwendungen, auf seinen Erb- bzw. Pflichtteil und ermöglicht damit dem Erblasser, vertraglich oder durch Testament anderweitig über seinen Nachlass zu verfügen.
  • als Erbzuwendungsvertrag: Der Erblasser wendet seinen Nachlass oder einen Teil davon, allenfalls auch bloß die verfügbare Quote, einem gesetzlichen oder eingesetzten Erben zu, der regelmäßig, aber nicht notwendigerweise, eine damit verbundene Auflage oder Bedingung (ein Anliegen des Erblassers) akzeptiert.
  • als Erbauskaufvertrag: Der Erbe verzichtet auf seinen Erb- bzw. Pflichtteil und erhält dafür eine andere (zum Beispiel schon lebzeitige) Zuwendung.

Der Erbvertrag kann nur in notarieller Urkunde unter Mitwirkung von zwei Zeugen abgeschlossen werden; er setzt Urteilsfähigkeit und Mündigkeit der Parteien voraus. Ein im Ausland, zum Beispiel vor einem deutschen Notar abgeschlossener Erbvertrag wird in der Schweiz anerkannt, wenn er den Formvorschriften am Ort der Errichtung entspricht.

4.  Nachlassverfahren
4.1 Schweiz
4.1.1 Erwerb der Erbschaft

Unter Vorbehalt der Ausschlagung (unten 4. 1. 4.) erwerben die gesetzlichen oder durch Verfügung von Todes wegen eingesetzten Erben die Erbschaft im Zeitpunkt des Todes des Erblasers von Gesetzes wegen ohne jeden formellen Akt, ja selbst wenn sie davon keine Kenntnis haben. Die formelle Testamentseröffnung durch die zuständige Behörde entfaltet (unter Vorbehalt der späteren erbrechtlichen Klagen) zwar eine vorläufige Beweis- und Legitimationswirkung ist für den Erwerb der Erbschaft aber  nicht konstitutiv. Durch den Erwerb der Erbschaft geht das Eigentum an den Erbschaftsaktiven an die Erben über; diese werden ebenfalls von Gesetzes wegen gemeinschaftlich (solidarisch) Schuldner der Verpflichtungen des Erblassers.

Demgegenüber werden die Vermächtnisnehmer weder unmittelbarer Eigentümer der ihnen zugewendeten Vermögenswerte, noch Schuldner der damit gegebenenfalls verbundenen Verpflichtungen; vielmehr haben sie einen bloßen Anspruch gegen den Erben auf Auslieferung der betreffenden Vermögenswerte und werden erst dadurch auch Schuldner der damit eventuell verbundenen Verpflichtungen.

4.1.2 Nachweis der Erbenstellung

Die Stellung als gesetzlicher oder eingesetzter Erbe wird durch den Tod des Erblassers erworben. Der Nachweis dieser Erbenstellung (zum Beispiel gegenüber den Banken und anderen Schuldner des Erblassers) erfolgt durch die von der zuständigen Behörde namentlich ausgestellten Erbbescheinigung.

Der Erblasser hat unter Umständen aus durchaus achtenswerten Gründen das Bedürfnis, den Erben gegenüber nicht den Umfang der Erbschaft bzw. nicht die Identität aller Erben offen zu legen. Beispiel: Der ehe- und kinderlose Erblasser möchte die Existenz einer ihm nahestehenden Person verschweigen. Er wird diese Person deshalb nicht in seinem Testament bedenken können, weil dieses ja allen Erben bekannt wird, sondern sucht den Ausweg dadurch, dass er dieser Person auf einem besonderen Bankkonto, das der besagten Person dereinst zufallen soll, eine seinen Tod überdauernde Verfügungsvollmacht erteilt. Davor ist zu warnen. Zwar erlaubt das schweizerische Vertragsrecht die Erteilung einer den Tod überdauernden Vollmacht, aber durch den Eintritt des Todes entsteht eine Konkurrenz von Vertrags- und Erbrecht. Gestützt auf einschlägige Urteile schweizerischer Gerichte wird sich die Bank vermutlich weigern, die Instruktionen der betreffenden Bevollmächtigten auszuführen, bevor sie sich nicht auch erbrechtlich legitimiert hat, was nur durch eine amtlich eröffnete Verfügung von Todes wegen und gestützt auf einen ausgestellten Erbschein möglich wäre. Die Bank wird sich wohl nicht anders verhalten, wenn die Bevollmächtigte ein sie begünstigendes spezielles Testament vorweist, denn sie weiß ja nicht, ob dieses auch im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch gültig war. Würde die Bank ohne solche erbrechtliche Legitimation auszahlen, hätte sie Rückgriffsansprüche der Erben zu befürchten.

Einen besseren Schutz der zu begünstigenden Person bietet das Gemeinschaftskonto. Je nach Bank auch „compte-joint“ oder „Und/Oder-Konto“ genannt. Dieses Konto lautet nicht auf den Erblasser als Kontoinhaber (mit Vollmacht zu Gunsten der zu begünstigenden Person), sondern es lautet auf diese beiden Personen als gemeinschaftliche Kontoinhaber, von denen jeder allein zur Handlung befugt ist. Stirbt der eine Kontoinhaber, dauert die Verfügungsmacht des anderen an. Das Risiko dieses Kontos liegt natürlich darin, dass diese alleinige Verfügungsmacht jedes einzelnen schon zu Lebzeiten des Erblassers besteht. Allerdings gehört auch in diesem Fall das betreffende „compte-joint“ zum Nachlass und muss gemäß Testament oder gesetzlicher Ordnung in die Teilung einbezogen werden, aber die Bank ist davon nicht berührt, und wird die Auszahlung erlauben, sodass –rein praktisch gesehen- die Ausgangslage für die betreffende Person doch stark verbessert ist.

4.1.3 Erbengemeinschaft

Die Erben erwerben den Nachlass nicht nach Anteil als Miteigentümer, sondern ungeteilt als Gesamteigentümer, und jeder Erbe haftet solidarisch mit den anderen Erben für alle Verbindlichkeiten des Nachlasses. Sie bilden eine Erbengemeinschaft.

Von besonderen Situationen abgesehen stehen den Erben alle Verwahrungs- und Verfügungsrechte gemeinsam zu.

Jeder Erbe hat grundsätzlich das Recht, jederzeit die Teilung der Erbschaft zu verlangen.

4.1.4 Ausschlagung, Öffentliches Inventar, Amtliche Liquidation

Solange er sich nicht in qualifizierter Weise in die Erbschaft eingemischt oder Vermögenswerte des Nachlasses angeeignet hat, kann jeder Erbe während dreier Monate nach Kenntnis vom Tod des Erblassers und seiner Erbenstellung der zuständigen Behörde gegenüber ohne Begründung die Ausschlagung der Erbschaft erklären. Die Ausschlagung bewirkt, dass der ausschlagende Erbe keine Vermögenswerte des Nachlasses erhält, aber auch nicht für die Schulden mit haftet.

Die Ausschlagung erfolgt in der Regel bei Kenntnis des Bestehens bedeutender, das aktive Vermögen des Nachlasses übersteigender Verbindlichkeiten. Die Ausschlagung kann aber auch aus rein persönlichen Gründen erfolgen.

Will ein Erbe die Erbschaft nicht rundweg ausschlagen, aber doch seine Haftung für die ihm oft nicht bekannten Verbindlichkeiten des Erblassers beschränken, kann er bei der zuständigen Behörde die Aufnahme eines öffentlichen Inventars verlangen. Das Gesuch eines einzelnen hat Wirkung für alle Erbe. Das Inventar wird und publiziertem Aufruf an die Gläubiger und Schuldner des Erblassers erstellt mit der Wirkung, dass die Erben für die inventarisierten Schulden mit ihrem eigenen und dem ererbten Vermögen haften, für die unverschuldet nicht inventarisierten Schulden nur, soweit sie aus der Erbschaft bereichert sind, und für verschuldet nicht inventarisierte Schulden gar nicht.

Verlangt ein Erbe die amtliche Liquidation des Nachlasses, erfolgt eine Versilberung der Aktiven und Tilgung der Passiven durch die zuständige Behörde ohne persönliche Haftung der Erben. Ein eventueller Aktivenüberschuss wird ihnen allerdings dennoch ausgehändigt. Die amtliche Liquidation kann nicht erfolgen, wenn auch nur ein Erbe die Annahme der Erbschaft vorbehaltlos oder unter öffentlichem Inventar verlangt. Die wegen einer eventuellen Haftung besorgten anderen Erben werden dann vorzugsweise das öffentliche Inventar verlangen.

4.1.5 Testamentsvollstreckung ist gleich Willensvollstreckung

Von Gesetzes wegen gehen die Rechte und Pflichte des Erblassers durch seinen Tod auf die Gesamtheit der Erben, die Erbengemeinschaft, über. Diese hat den Nachlass zu inventarisieren, aktiven einzutreiben, Verbindlichkeiten zu tilgen, die verlangten behördlichen Erklärungen abzugeben, namentlich die Steuererklärung einzureichen, die Steuer zu entrichten, das Nachlassvermögen zu verwalten, die Vermächtnisse auszurichten und die Erbschaft zu teilen. Es gibt aber eine Vielzahl von Gründen, diese Pflichten und Befugnisse einer Person zu übertragen, die hierfür vom Erblasser als besonders geeignet betrachtet wird: Den Testamentsvollstrecker.

Das schweizerische Recht verlang für diese Funktion keine besonders ausgewiesene Fachkompetenz oder gar spezifische Zulassung, abgesehen von Urteilsfähigkeit und Mündigkeit. Der Testamentsvollstrecker muss nicht, aber er darf Miterbe sein.

Die Anordnung der Testamentsvollstreckung und die Bestellung des Testamentsvollstreckers bedürfen der Form einer Verfügung von Todes wegen. Da die Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im Gesetz geregelt sind, wenn auch äußerst rudimentär, genügt die Formulierung „Ich ernenne X zum Testamentsvollstrecker“. Es dürfte sich aber doch empfehlen, jene Kompetenzen, die dem Erblasser ganz besonders am Herzen liegen, ausdrücklich zu nennen.

Bestimmtheit der Person des Testamentsvollstreckers im Testament ist nicht erforderlich, wohl aber ist Bestimmbarkeit aus dem Testament selbst zwingend („Auf meine jüngste Tochter“, „Der älteste Teilhaber der Anwaltskanzlei M“).

Auch empfiehlt sich dringend, eine Nachfolgeregelung für den Fall der Verhinderung vor der Annahme des Mandates oder während dessen Ausübung vorzusehen. Im Gegensatz zum deutschen Recht muss der Erblasser all diese Regelungen selbst vornehmen; er kann sie keinem Dritten oder dem zuständigen Gericht übertragen.

Der testamentarisch bezeichnete Testamentsvollstrecker ist nicht verpflichtet, das ihm zugedachte Amt anzunehmen. Er wird im Rahmen der Testamentseröffnung von der zuständigen Behörde ausdrücklich angefragt und hat 14 Tage Bedenkzeit. Trotzdem ist der Testamentsvollstrecker nicht von der Behörde ernannt, sondern vom Erblasser und seine Funktion beginnt unter Vorbehalt der Ablehnung im Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Den Nachweis seiner Funktion führt der Testamentsvollstecker durch das ihm von der zuständigen Behörde ausgestellte Testamentsvollstreckerzeugnis.

Der Testamentsvollstrecker hat von Gesetzes wegen Anspruch auf eine angemessene Vergütung.

Sind mehrere Testamentsvollstrecker ernannt, haben sie ihr Amt gemeinsam auszuüben.

Die Abgrenzung der Kompetenzen des Testamentsvollstreckers von jenen der Erben ist in manchen Einzelheiten umstritten. Als gesichert gelten darf, dass der Testamentsvollstrecker nicht gegen den einhelligen Willen der Erben handeln darf.

Da der Testamentsvollstrecker nicht von den Erben, sondern vom Erblasser bestellt ist, kann er auch nicht von den Erben entlassen werden. Verhält sich der Testamentsvollstrecker pflichtwidrig, kann er von der zuständigen Behörde zur Ordnung gerufen, diszipliniert und im Extremfall abgesetzt werden.

4.1.6 Erbteilung

Sind die vielfältigen Obliegenheiten erledigt, wird der Nachlass durch die Erben, gegebenenfalls unter Mitwirkung des Testamentsvollstreckers, aber grundsätzlich ohne Mitwirkung einer Behörde, im Sinne der Anordnungen des Erblassers geteilt. Hat der Erblasser zu wenig konkrete oder umfassende Verfügungen hinsichtlich der Zuweisung der einzelnen Vermögenswerte hinterlassen, müssen sich die Erben darüber selbst einigen, weil grundsätzlich alle gleichberechtigt sind und keine Vorrechte zum Beispiel hinsichtlich des Alters, des Geschlechtes oder Berufes gelten. Können sich die Erben nicht einigen, bildet die Behörde auf Antrag eines Erben die „Lose“ (d.h. Gruppen von Vermögenswerte). Können sich die Erben nicht auf die Zuweisung eines bestimmten Vermögensobjektes einigen, wird es öffentlich oder unter den Erben verkauft.

Die Teilung wird abgeschlossen durch die Entgegennahme seines Loses durch jeden Erben oder durch den schriftlichen Teilungsvertrag mit anschließendem Vollzug.

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Wichtig: Auch wenn sich auf unserer Homepage vieles für Sie einfach darstellen mag, fehlt auch dem intelligentesten Laien der Gesamtüberblick im Erbrecht. Oft werden schwierigste Punkte, die scheinbar im Vordergrund stehen, verstanden, grundlegende andere Probleme, die für den konkreten Fall wirklich entscheidend sind, aber gar nicht gesehen. Wir empfehlen Ihnen daher, unsere günstige Erstberatung, bei der sie auf jeden Fall eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kostenlos erhalten. Sparen Sie nicht am falschen Ort. Oft müssen die Erben später viele Jahre prozessieren und Zigtausende an Anwalts- und Gerichtskosten zahlen, nur weil der Erblasser die geringen Erstberatungskosten sparen wollte.

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