Gesetzliche Erbfolge, Testamente, Pflichtteil und Steuern sind die vier Säulen unseres Erbrechts

Wie funktioniert unser Erbrecht?

  • Verblüffend einfach

Die Antwort darauf, wie unser Erbrecht funktioniert, ist zunächst verblüffend. Eigentlich geht alles automatisch. Das Gesetz regelt die gesetzliche Erbfolge, so dass sogar ohne Testament feststeht, wer Erbe wird. Mit dem Todesfall geht die Erbschaft von selbst und automatisch auf den oder die Erben über. Man muss das Erbe nicht etwa bei Gericht antreten (wie z.B. in Österreich). In der Sekunde des Todes sind die Erben Eigentümer der Erbschaft, ohne dass es hierzu irgendwelcher Handlungen des Erben, des Nachlassgerichts oder sonstiger Ämter bedarf. Das geht alles automatisch. Dabei geht – wiederum automatisch – alles auf die Erben über, was der Verstorbene hatte. Es muss nichts besonders aufgelistet oder übertragen werden. Alles was der Erblasser hatte, sogar Dinge, die er vergessen hatte, gehen auf den oder die Erben über. Zur Wiederholung:

  • Grundsatz des Vonselbsterwerbes:
    Die Erbschaft geht automatisch auf die Erben über, ohne dass es hierzu irgendwelcher Handlungen des Erben bedarf.
  • Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge:
    Alle Rechte und Pflichten gehen dabei über, also die aktiven Vermögenswerte, aber auch alle Schulden.
  • Grundsatz gesetzliche Erbfolge:
    Ist kein Testament vorhanden, regelt das Gesetz automatisch die Erben.

Hier können Sie den Podcast zum Artikel hören. 

Die Gesetzliche Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Sie tritt immer dann ein, wenn der Erblasser kein Testament aufgesetzt hatte, in dem er geregelt hat, wer seine Erben sein sollen.

Man kann also durch ein Testament das Gesetz, sprich die vom Gesetz vorgesehene Erbfolge, abändern. Das ist die Testierfreiheit.

Liegt kein Testament vor, erben die sogenannten „gesetzlichen Erben“,  das sind der Ehegatte und die Verwandten des Erblassers (= des Verstorbenen).

Mit dem Erblasser näher Verwandte schließen bei der gesetzlichen Erbfolge entferntere Verwandte von der Erbfolge aus. Ist zum Beispiel ein Kind vorhanden, kann kein Neffe oder Cousin etwas erben.

Das Gesetz legt hierfür sogenannte Erbordnungen fest. Es gibt Erben erster Ordnung, die den Erben der zweiten Ordnung vorgehen, diese gehen wiederum den Erben der dritten Ordnung vor usw. Der Ehegatte nimmt dabei eine Sonderstellung ein. Er wird weiter unten behandelt.

Zur ersten Erbordnung gehören die Kinder des Erblassers. Stiefkinder gehören nicht dazu. Allerdings zählen zu den Kindern neben den ehelichen Kindern auch die nichtehelichen Kinder und adoptierten Kinder. Genau genommen sind Erben der ersten Ordnung auch die Kindeskinder, also auch die Enkel. Die Enkel kommen aber nur dann zum Zug, wenn das Kind des Erblassers, von dem der Enkel abstammt, im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr lebt oder die Erbschaft ausschlägt.

Neben den Erben der ersten Ordnung erbt der überlebende Ehegatte (im Regelfall) die Hälfte. Es erben also der Ehegatte die Hälfte und die Kinder die andere Hälfte zu gleichen Teilen. Bei einem Ehegatten und drei Kindern erbt der Ehegatte ½ und die drei Kinder erben je 1/6. Dass der Ehegatte neben den Kindern die Hälfte erbt, ist in der Mehrzahl der Fälle so, nämlich wenn der Verstorbene im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet war, das heißt wenn die Ehegatten keinen notariellen Ehevertrag vereinbart hatten. Bei Gütertrennung und Gütergemeinschaft haben wir andere Ehegattenerbteile. Wir konzentrieren uns hier allein auf die Zugewinngemeinschaft.

  • Erben der zweiten Ordnung: Böse Überraschung für kinderlose Ehepaare

Sind keine Kinder oder Enkel des Erblassers vorhanden, können auch die Eltern oder deren Abkömmlinge als Erben der zweiten Ordnung zum Zuge kommen. Stirbt der Erblasser in der Zugewinngemeinschaft ohne Kinder zu hinterlassen, erbt der überlebende Ehegatte ¾ und die Eltern beziehungsweise deren andere Kinder (wenn ein Elternteil nämlich vorverstorben ist) das andere ¼. Die Geschwister des Erblassers gehören wie dessen Eltern zur zweiten Erbordnung, da sie ja von den Eltern des Erblassers abstammen. Sie werden dann gesetzliche Erben, wenn die Eltern oder ein Elternteil des Erblassers nicht mehr leben. Sie erben dann das 1/8 oder die 2/8, die eigentlich den Eltern zugestanden hätten.

Staatserbrecht

Oft hört man, dass der Staat erbt, wenn keine Verwandten vorhanden sind. Das ist richtig. Wenn keine Verwandten vorhanden sind oder kein Ehepartner aufgefunden wird, erbt der Staat. Staat ist allerdings nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern das Bundesland, in dem der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte. Bei einem Erblasser aus Stuttgart wird also das Land Baden-Württemberg Erbe, wenn keine Verwandten auffindbar sind.

Testament

Wer die gesetzliche Erbfolge nicht will, kann ein Testament errichten. Er kann also frei bestimmen, wer seine Erben werden sollen und wer was bekommt. Das nennt man Testierfreiheit (Achtung: Wo Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind, kann man nur über die Hälfte seines Vermögens völlig frei verfügen). Ein handschriftliches Testament mit Unterschrift genügt. Die Angabe von Ort und Datum der Testamentserrichtung ist aber sinnvoll. Ehegatten haben den Vorteil, dass sie ein gemeinschaftliches Testament errichten können. Einer schreibt und unterschreibt und der anderen unterschreibt mit. Hier gibt es aber einige Fallen (Steuerfalle, Bindungsfalle), so dass eine Beratung durch den Fachanwalt für Erbrecht immer sinnvoll ist.

Pflichtteil 

Der Testierfreiheit sind durch das Pflichtteilsrecht Grenzen gesetzt. Sind Pflichtteilsberechtigte vorhanden, stehen 50 % des Nachlasswertes den Pflichtteilsberechtigten zu, und zwar in Geld. Pflichtteilsberechtigte können – müssen aber nicht – den Pflichtteil geltend machen. Der Pflichtteil muss innerhalb von drei vollen Jahren nach dem Tod des Erblassers (gerichtlich) geltend gemacht werden, weil sonst der Pflichtteilsanspruch verjährt. Pflichtteilsberechtigt sind nur der Ehegatte, die Kinder und Kindeskinder (also Enkel, Urkenkel usw.). Wenn keine Kinder oder Enkel des Erblassers vorhanden sind, sind ausnahmsweise auch die Eltern des Verstorbenen pflichtteilsberechtigt, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers (also ihres eigenen Kindes) noch leben. Sonst ist niemand pflichtteilsberechtigt, also auch nicht Geschwister, Nichten, Neffen oder Lebensgefährten.

Erbschaftsteuer: Miterbe Finanzamt

„Miterbe Finanzamt“ will auch seinen Anteil vom Kuchen. Den bekommt der Staat aber bei normalen Vermögen nur, wenn kein Ehegatte oder Kinder vorhanden sind. Ehegatten können das selbst bewohnte Haus nämlich völlig steuerfrei und daneben noch mindestens 500.000 Euro steuerfrei erben. Das ist eine ganze Menge. Jedes Kind (auch Stiefkinder) kann von jedem Elternteil 400.000 Euro steuerfrei erben, Enkel 200.000 Euro und Urenkel 100.000 Euro. Die Zeche bei der Erbschaftsteuer zahlen die anderen: Geschwister, Nichten, Neffen, Lebensgefährten haben nur 20.000 Euro steuerfrei und bei allem was darüber hinausgeht schlägt der Fiskus erbarmungslos zu, mit mindestens 15 %, in der Regel aber 30 %.

Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Wer dabei ist, seine Angelegenheiten zu regeln, sollte auch Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung nicht vergessen (Schauen Sie sich bitte das entsprechende Kapitel mit Mustern an). Eventuell ist auch eine Betreuungsverfügung sinnvoll. Wenn Sie das alles umgesetzt haben, haben Sie für den Ernstfall gut vorgesorgt

 

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Wichtig: Auch wenn sich auf unserer Homepage vieles für Sie einfach darstellen mag, fehlt auch dem intelligentesten Laien der Gesamtüberblick im Erbrecht. Oft werden schwierigste Punkte, die scheinbar im Vordergrund stehen, verstanden, grundlegende andere Probleme, die für den konkreten Fall wirklich entscheidend sind, aber gar nicht gesehen. Wir empfehlen Ihnen daher, unsere günstige Erstberatung, bei der sie auf jeden Fall eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kostenlos erhalten. Sparen Sie nicht am falschen Ort. Oft müssen die Erben später viele Jahre prozessieren und Zigtausende an Anwalts- und Gerichtskosten zahlen, nur weil der Erblasser die geringen Erstberatungskosten sparen wollte.

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