Ausschlagung
Ausschlagung

Wie funktioniert die „Ausschlagung“ im Erbrecht? Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen. 

Wie funktioniert die „Ausschlagung“ im Erbrecht?

Die Beratung des als Erben oder Vermächtnisnehmer berufenen Mandanten zur Frage, ob er diese letztwillige Zuwendung ausschlagen oder annehmen soll, bereitet in der Praxis oft größte Probleme, da sich der Anwalt innerhalb kurzer Frist Klarheit über die Zusammensetzung des Nachlasses und dessen Bewertung verschaffen muss.

1. Ausschlagung der Erbschaft

Der Erbe hat das Recht (§ 1942 I BGB), die ihm angefallene Erbschaft auszuschlagen, es sei denn, er hat die Erbschaft bereits vorher wirksam angenommen (§ 1943 BGB) oder die sechswöchige Ausschlagungsfrist (§ 1944 I BGB) ist abgelaufen. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu welchem der Erbe weiß, dass ihm die Erbschaft als gesetzlichem oder testamentarischem Erben angefallen ist (§ 1944 II 1 BGB). Bei einem durch Testament oder Erbvertrag berufenen Erben beginnt die Ausschlagungsfrist nicht vor Verkündung dieser Verfügung durch das Nachlassgericht (§ 1944 II 2 BGB). Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland oder hielt sich der Erbe bei Fristbeginn im Ausland auf, verlängert sich die Ausschlagungsfrist auf sechs Monate (§ 1944 III BGB).

Die Ausschlagung der Erbschaft muss (anders als deren Annahme) entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder vor einem Notar in öffentlich beglaubigter Form gegenüber dem Nachlassgericht erfolgen (§ 1945 I BGB). Der anwaltliche Vertreter des Erben bedarf zur Ausschlagung einer öffentlich beglaubigten Vollmacht (§ 1945 III BGB). Die Ausschlagung ist bedingungsfeindlich (§ 1947 BGB) und hat mit Ausnahme der § 1371 III und § 2306 I 2 BGB den Verlust des Pflichtteilsrechtes zur Folge. Eine voreilige Ausschlagung – z.B. wegen vermuteter Nachlassüberschuldung – sollte vermieden werden, da der Erbe auch bei Annahme die Möglichkeit hat, sein Privatvermögen durch eine Beschränkung der Erbenhaftung zu schützen.

2. „Taktische“ Ausschlagung (§ 2306 I 2 BGB)

Beschwerungen und Beschränkungen in Form der Testamentsvollstreckung, der Teilungsanordnung, eines Vermächtnisses, einer Auflage oder Nacherbeneinsetzung, die den testamentarischen Erbteil eines Pflichtteilsberechtigten belasten, berechtigten den Pflichtteilsberechtigten zur Ausschlagung der Erbschaft, um den Pflichtteil zu erlangen. 

3. Ausschlagung der Nacherbschaft (§ 2142 BGB)

Ein pflichtteilsberechtigter Nacherbe, dessen Nacherbteil größer als sein Pflichtteil ist, kann gem. § 2306 II, I 2 BGB die Nacherbschaft ausschlagen und vom Vorerben, der hierdurch im Zweifel (§ 2142 II BGB) zum Vollerben wird, seinen Pflichtteil verlangen (BayObLGZ 1966, 227, 232). Die Ausschlagungsfrist beginnt für den Nacherben erst mit seiner Kenntnis vom Nacherbfall (§§ 2139, 1944 II BGB). Er kann allerdings schon vor dem Nacherbfall ausschlagen (§ 2142 BGB) und wird auch gut daran tun, da für den Pflichtteilsanspruch die Verjährungsfrist von drei Jahren unabhängig von der Ausschlagung läuft (§ 2332 III BGB).

4. Familienrechtliche Ausschlagung (§ 1371 III BGB)

Der Gesetzgeber räumt dem überlebenden Ehegatten, der in Zugewinngemeinschaft gelebt hat, die Möglichkeit ein, die ihm angefallene Erbschaft auszuschlagen und stattdessen zwei Forderungen gegen die Erben des verstorbenen Ehepartners geltend zu machen (§ 1371 III BGB): Zum einen kann er den konkret berechneten Zugewinnausgleich wie im Fall der Scheidung gem. § 1378 BGB verlangen. Zum anderen kann er gem. §§ 1371 III BGB, 2303 II BGB seinen Pflichtteil fordern: Die Pflichtteilsquote wird dabei aus dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des § 1931 I, II BGB ermittelt, beträgt also bei Vorhandensein von Abkömmlingen nur ein Achtel (so genannter „kleiner“ Pflichtteil).

5. Ausschlagung des Vermächtnisses (§ 2180 BGB)

Hintergrund der Ausschlagung eines Vermächtnisses kann sein, dass dieses mit Untervermächtnissen oder Auflagen belastet ist, von denen sich der Vermächtnisnehmer befreien will. Häufigster Anwendungsfall ist die Vermeidung der Anrechnung eines Vermächtnisses auf den Pflichtteilsanspruch (§ 2307 I BGB).
Eine vorherige Annahme des Vermächtnisses schließt dessen Ausschlagung aus. Die Ausschlagung des Vermächtnisses ist nicht gegenüber dem Nachlassgericht, sondern dem Beschwerten gegenüber – formfrei zu erklären (§ 2180 BGB). Der anwaltliche Vertreter des Vermächtnisnehmers bedarf zur Ausschlagung keiner besonderen Vollmacht, da § 1945 III BGB hier nicht gilt. Sie ist bedingungsfeindlich (§ 2180 II 2 BGB), aber nicht fristgebunden. Der beschwerte Erbe kann aber im Fall des § 2307 II BGB dem Pflichtteilsberechtigten eine Annahmefrist setzen; mit deren Ablauf gilt das Vermächtnis als ausgeschlagen.

6. Ausschlagung der Zuwendung durch den überlebenden Ehegatten (§ 2271 II BGB)

Bei einem gemeinschaftlichen Testament erlischt mit dem Tod des Erstversterbenden das Recht zum Widerruf von wechselbezüglichen Verfügungen (§ 2271 II 1 BGB). Der überlebende Ehegatte kann sich aber durch Ausschlagung des ihm Zugewendeten von dieser Bindungswirkung befreien. Erfolgt die Zuwendung mittels Erbeinsetzung, muss diese form- und fristgemäß ausgeschlagen werden (§§ 1944, 1945 BGB); bei einem Vermächtnis ist dagegen die Ausschlagung form- und fristlos möglich (§ 2180 BGB).

7. Fazit

Der im Erbrecht tätige Anwalt muss alle Ausschlagungsvarianten sicher beherrschen. Er hat etwaige Formen und Fristen einzuhalten. Kurze Ausschlagungsfristen zwingen den Berater, unverzüglich nach Mandatsannahme zu prüfen, ob die Annahme der Zuwendung wirtschaftlich oder rechtlich nachteilig ist.

 

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