💼 Ersatzpflichtiger Nachlass (§ 102 SGB XII)

🧾 Grundgedanke

Die Ersatzpflicht der Erben nach § 102 SGB XII bezieht sich nicht auf das persönliche Vermögen des Erben, sondern nur auf den Nachlass des Verstorbenen.
👉 Die Haftung ist also auf den Nachlasswert beschränkt.


💶 Freibeträge

🔹 Sockelbetrag

  • Vom Nachlass wird ein Freibetrag in Höhe des 6-fachen Eckregelsatzes abgezogen.
  • Beispiel 2024: 3.378 €.
  • Zusammen mit dem allgemeinen Freibetrag (ebenfalls 3.378 €) ergibt sich ein Gesamtfreibetrag von 6.756 €.

🔹 Pflegefreibetrag

Erben, die den Hilfeempfänger bis zu dessen Tod in häuslicher Gemeinschaft selbst gepflegt haben, sind zusätzlich begünstigt:

  • Freibetrag: 15.340 € (§ 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII).
  • Ist nur ein Erbe vorhanden, „verschmilzt“ der Sockelbetrag mit diesem Pflegefreibetrag.

🔹 Härtefallregelung

Bei unbilliger Härte (§ 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII) können weitere Ausnahmen greifen. Beispiele:
✅ Investitionen des Erben in das Haus des Hilfeempfängers.
❌ Keine Härte liegt vor bei bloßem Verbrauch der Erbschaft oder fortgesetzter Nutzung des Eigenheims durch die Familie – hier ist allenfalls eine Stundung möglich.


🏠 Umfang des Nachlasses

  • Erfasst wird der Nachlass zum Todeszeitpunkt.
  • Nicht einbezogen:
    • Lebensversicherungen auf den Todesfall (sofern nicht Nachlassbestandteil),
    • nicht vererbliche Gesellschaftsanteile.
  • Forderungen des Erben gegen den Erblasser gelten fiktiv als fortbestehend und mindern den Nachlass.

👉 Wichtig: Postmortales Schonvermögen gibt es nicht mehr. Auch zuvor geschützte Vermögenswerte (z. B. angespartes Contergan-Kapital) werden verwertet.


💡 Gestaltungsüberlegungen

🔹 Vermeidung der Nachlassverwertung

Ein Hilfeempfänger kann sein Vermögen zu Lebzeiten übertragen (z. B. durch Schenkung oder Verkauf auf Leibrente).
➡️ Anders als im Pflichtteilsrecht (§ 2325 BGB) enthält § 102 SGB XII keine Nachlassergänzung.
Das heißt: Schenkungen sind nicht erbenregressgefährdet, auch ohne Vorlaufzeit.

🔹 „Flucht in § 528 BGB“

Überträgt der Hilfeempfänger Vermögen in vorweggenommener Erbfolge, gilt:

  • Der Erwerber muss dem Sozialhilfeträger ggf. Wertersatz leisten,
  • darf das Geschenk aber behalten.
    Dies kann günstiger sein, als wenn der Nachlass später voll verwertet würde.

⚖️ Nachlassverbindlichkeit

  • Die Ersatzpflicht ist eine Nachlassverbindlichkeit (§ 102 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 1967 Abs. 2 BGB).
  • Sie ist keine Erblasserschuld, sondern trifft den Erben als solchen (Erbfallschuld).

👉 Abzugsfähig sind:

  • Schulden des Erblassers (z. B. Darlehen),
  • Beerdigungskosten (§ 1968 BGB),
  • Kosten der Nachlasssicherung und Verwaltung,
  • Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten (§ 1371 BGB).

❌ Nicht abzugsfähig sind:

  • Eigenschulden des Erben,
  • Kosten, die nur dem Erben nützen (z. B. Testamentseröffnung, Erbschein).

📊 Rangfolge & Konkurrenz

  • Es gibt keinen automatischen Vorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber anderen Nachlassgläubigern.
  • Zunächst ist der Wert des Nachlasses zu ermitteln.
  • Reicht der Nachlass nicht aus, muss der Erbe ggf. Maßnahmen zur Beschränkung der Haftung (§ 1975 BGB) ergreifen oder bei Überschuldung die Erbschaft ausschlagen.

📌 Hinweise für die Praxis

  • 💡 Schenkungen zu Lebzeiten können den Erbenregress vermeiden.
  • ⚠️ Die Haftung des Erben beschränkt sich nicht automatisch auf den Nachlass – eine aktive Haftungsbeschränkung ist erforderlich.
  • ⚰️ Beerdigungskosten sind abzugsfähig, laufende Grabpflegekosten nicht.
  • 👩‍❤️‍👨 Zugewinnausgleichsansprüche sind vorrangig zu berücksichtigen.

✅ Zusammenfassung

  • Erben haften nur mit dem Nachlasswert (§ 102 Abs. 2 SGB XII).
  • Freibeträge: 6.756 € allgemein, 15.340 € Pflegefreibetrag.
  • Härtefallregelungen können zusätzliche Entlastungen bringen.
  • Kein postmortales Schonvermögen – alles im Nachlass ist verwertbar.
  • Schenkungen zu Lebzeiten sind nicht erbenregressgefährdet.
  • Die Haftung ist eine Nachlassverbindlichkeit, keine persönliche Schuld.

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