Pflichtteil
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§ 2287 BGB: Bereicherungsanspruch abzüglich Pflichtteil. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

§ 2287 BGB: Bereicherungsanspruch abzüglich Pflichtteil

Wer durch ein Berliner Testament oder einen Erbvertrag gebunden ist, kann zwar noch Schenkungen vornehmen. Allerdings ist der bindende Schlusserbe oder der Vertragserbe dann berechtigt, nach dem Tod des Schenkers diese Schenkung vom Beschenkten heraus zu verlangen. Der Herausgabeanspruch richtete sich nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen, also nach §§ 812 ff. BGB. In einer Entscheidung hat der Bundesgerichtshof klargestellt, wie hier zu rechnen ist (BGH, Urteil vom 28.09.1983 – IVa ZR 168/82).

Der Fall

Die Eltern hatten – wie so oft – ein Berliner Testament errichtet. Sie hatten nur eine einzige Tochter. Sie setzten sich als Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein und ihr einziges Kind, eine Tochter, nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten zur alleinige Schlusserbin. Nach der Testamentserrichtung erwarben sie zwei Eigentumswohnungen. Die Mutter verstarb 25 Jahre nach der Testamentserrichtung, der Vater weitere 10 Jahre später. Er hatte ein Jahr vor seinem Tod Alter von 88 wieder geheiratet, nämlich seine langjährige Haushälterin. Bereits drei Jahre vor der Heirat der Haushälterin hatte er dieser eine der beiden Eigentumswohnungen “geschenkt”, sich jedoch den lebenslänglichen Nießbrauch vorbehalten. Die andere Eigentumswohnung hatte er zwei Jahre vor seinem Tod – ebenfalls unter Vorbehalt des Nießbrauchs – an den Sohn der Haushälterin für 60000 verkauft. Seine Tochter verlangte nach seinem Tod von der Haushälterin die Übereignung der auf sie übertragenen Eigentumswohnung.

Das Urteil des BGH

Der BGH wies zunächst darauf hin, dass bei Anspruch aus § 2287 BGB eine Abwägung vorzunehmen ist.  

Einerseits habe der Erblasser bei der Schenkung an die Haushälterin in der Absicht gehandelt, dass seine Tochter von dem Vermögen ihrer Eltern nichts erhalten sollte. Andererseits muss aber auch ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers berücksichtigt werden, wenn er durch die Schenkung sein Bedürfnis als alleinstehender Mann nach Versorgung und Pflege im Alter absichern wollte. Es ist also zu prüfen,, ob die Schenkung trotz des notwendigen Schutzes des Schlusserben bzw. Vertragserben billigenswert und gerechtfertigt ist. Hierbei sind, sämtliche Umstände zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Dies ist vordringliche Aufgabe des Tatrichters.

Soweit nach dieser Absicht mangels lebzeitigem Eigeninteresse eine missbräuchliche Schenkung vorliegt, muss der Richter allerdings ein etwaiges Pflichtteilsrecht des Beschenkten (hier der Haushälterin als Ehefrau des Erblassers) berücksichtigen. Zu beachten ist dabei, dass der Anspruch aus § 2287 BGB nicht zum Nachlass gehört und der geschenkte Gegenstand sich nicht mehr im Nachlass befindet. Wie wirkt sich das auf die Pflichtteilsberechnung aus?

Der Pflichtteil soll auch dem Ehegatten des Erblassers seine Beteiligung am Nachlass zumindest in Gestalt einer Geldforderung sichern. Das Gesetz stuft ihn als Schutz der nächsten Angehörigen hoch ein. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der mit § 2287 BGB gewährte Schutz Einschränkungen erfährt, wenn ihm das Recht auf den Pflichtteil gegenübersteht. Der BGH hat das sogar in einem Fall angenommen, in dem der Pflichtteilsberechtigte auf sein gesetzliches Erbrecht (einschließlich des Pflichtteils) verzichtet hatte.

Vertragserbe und Schlusserbe müssen bei ihrer Erberwartung mit der Pflichtteilslast rechnen. Sie sind gegebenenfalls vor dem Beschenkten zur Ergänzung des Pflichtteils wegen Schenkungen verpflichtet. Demgemäß kann auch ihr Anspruch aus § 2287 BGB nur soweit reichen, wie sie in ihrer berechtigten Erberwartung beeinträchtigt werden. Da sie die Pflichtteilsansprüche vorab zu erfüllen haben oder ohne die beeinträchtigende Schenkung zu erfüllen hätten, sind sie von vornherein nicht i. S. von § 2287 BGB beeinträchtigt, soweit ein Geschenk des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten dessen Pflichtteil zu decken geeignet ist. Der Bereicherungsanspruch aus § 2287 BGB ist auf das beschränkt, was nach Begleichung des Pflichtteils übrig bleibt. Deshalb muss im zu entscheidenden Fall die klagende Tochter, wenn sie die Herausgabe des Geschenkes beansprucht und verlangen kann, zugleich den fiktiven Pflichtteil der Ehefrau bzw. frühere Haushälterin des Erblassers an diese auskehren.

Der Bereicherungsanspruch aus § 2287 BGB ist gegebenenfalls nach Maßgabe der Grundsätze geltend zu machen und zu berechnen, wie sie zur gemischten Schenkung von der Rechtsprechung entwickelt worden sind. Dabei kann der zu begleichende Pflichtteil höchstens von dem Betrage errechnet werden, der sich aus der Summe der Werte der noch vorhandenen, also grundsätzlich herauszugebenden Schenkung und des Nachlasses für den Zeitpunkt des Erbfalles ergibt. Der so berechnete Pflichtteil ist von vornherein dem Beschenkten als Pflichtteilsberechtigten zu belassen. Deshalb kann der aus § 2287 BGB Berechtigte seinen Herausgabeanspruch – wenn er einen solchen hat – nur Zug um Zug gegen Zahlung des Pflichtteilsbetrages geltend machen; einer dahingehenden Einrede der Bekl. bedarf es insoweit nicht.

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