198 BewG leicht erklärt: Der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts bei der Erbschaftsteuer
Von Rechtsanwalt Gerhard Ruby – Fachanwalt für Erbrecht
Gesetzestext § 198 BewG:
(1) Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen. Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften.
(2) Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen.
(3) Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind.
Einfach erklärt:
Wenn man ein Grundstück erbt oder geschenkt bekommt, bewertet das Finanzamt den Wert des Grundstücks meist mit Hilfe pauschaler Rechenmethoden. Diese Methoden ergeben oft Werte, die über dem tatsächlichen Marktwert (Verkehrswert) liegen. § 198 BewG gibt Erben oder Beschenkten die Möglichkeit, dagegen vorzugehen.
Wann lohnt sich das?
Wenn der vom Finanzamt berechnete Wert deutlich höher ist als das, was ein Gutachter als Verkehrswert ermitteln würde, kann man mit einem Gutachten den niedrigeren Wert nachweisen und so die Erbschaftsteuer senken.
Drei Wege zum niedrigeren Verkehrswert
- Sachverständigengutachten:
- Das Gutachten muss von einem amtlichen Gutachterausschuss oder einem zertifizierten Sachverständigen stammen.
- WICHTIG: Der Sachverständige muss von einer staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle zertifiziert sein.
- Wichtig: Nicht jedes „Immobiliengutachten“ ist geeignet! Achten Sie auf die Qualifikation. Die Finanzämter lehnen alle Gutachten, die nicht vom amtlichen Gutachterausschluss oder einer Stelle nach DIN EN ISO/IEC 17024 stammen, knallhart ab.
- Tatsächlicher Verkaufspreis:
- Wurde das Grundstück kurz vor oder nach dem Bewertungsstichtag verkauft?
- Dann kann der tatsächlich erzielte Kaufpreis als Nachweis für den wahren Wert dienen – sofern die Umstände sich nicht geändert haben.
- Einzelfallentscheidung durch das Finanzamt:
- Wenn ein professionelles Gutachten Schwächen hat, muss das Finanzamt prüfen, ob diese korrigierbar sind oder ob das Gutachten insgesamt unbrauchbar ist.
Hintergrund: Warum überhaupt ein Gutachten?
Das Erbschaftsteuergesetz geht mit seinen Pauschalwerten den einfachen Weg. Doch dieser einfache Weg führt manchmal zu ungerechten Ergebnissen. § 198 BewG ist deshalb eine Art „Notausgang“ für Fälle, in denen die pauschale Bewertung zu hoch ist.
Allerdings: Das Finanzamt nimmt diese Korrektur nicht von sich aus vor. Es liegt an Ihnen, den Nachweis zu liefern. Und das kostet Geld: Die Kosten für das Gutachten müssen Sie selbst zahlen.
Tipp vom Fachanwalt:
Ich empfehle meinen Mandanten in vielen Fällen, prüfen zu lassen, ob sich ein Wertgutachten lohnt. Vor allem bei bebauten Grundstücken oder bei Immobilien in schlechter Lage oder mit besonderen Belastungen (Nießbrauch, Wohnrecht, Altlasten) kann sich der Aufwand schnell bezahlt machen.