🧾 Die Stufenklage – Prozessrecht trifft Praktikabilität

Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht


⚖️ Was ist die Stufenklage?

Die Stufenklage nach § 254 ZPO ist ein echtes „Werkzeug der Gerechtigkeit“. Sie hilft Klägern dann, wenn ihnen zwar ein Anspruch zusteht – sie aber noch nicht alle Informationen haben, um diesen Anspruch in voller Höhe oder im konkreten Umfang durchzusetzen.

Beispiel:
Ein Erbe weiß, dass er pflichtteilsberechtigt ist – kennt aber die Nachlasswerte nicht.
→ Dann kann er zuerst Auskunft und danach Zahlung einklagen – in ein und derselben Klage.


📜 Woher kommt die Stufenklage eigentlich?

Die Stufenklage wurde im Rahmen der großen Zivilprozessreform von 1898 in die ZPO eingefügt. Der Gesetzgeber hatte damals erkannt, dass die neue Systematik des BGB – mit materiellrechtlichen Auskunftsansprüchen – auch eine verfahrensrechtliche Ergänzung brauchte.

Denn bis dahin war es nicht zulässig, Auskunft und Leistung in einer Klage zu verbinden, wenn der Kläger noch nicht genau wusste, was ihm zusteht. Man musste also zwei Prozesse führen – erst auf Auskunft, dann auf Leistung.

Das war unpraktisch, teuer und oft mit dem Risiko der Verjährung verbunden.


🎯 Was will § 254 ZPO erreichen?

Die Stufenklage soll vor allem eines sein: prozessökonomisch.

Vorteile:

  • Einheitliche Klage statt Doppelprozess
  • Verjährung wird sofort gehemmt – nicht erst bei der Zahlungsklage
  • Kostengünstiger: Es fällt nur eine Verfahrensgebühr an
  • Keine Risiken wegen unbestimmter Leistung: Die genaue Höhe wird erst im Laufe des Verfahrens geklärt

🧠 Warum war die Regelung notwendig?

Vor Einführung der Stufenklage galt:
Eine Klage war nur zulässig, wenn der Leistungsantrag bestimmt war (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Wer keine Zahlen oder Gegenstände benennen konnte, lief Gefahr, mit seiner Klage abgewiesen zu werden.

In der Praxis musste der Kläger also:

  • auf gut Glück schätzen (→ hohes Kostenrisiko), oder
  • zwei Prozesse führen (→ teurer und zeitaufwendig), oder
  • einen Feststellungsantrag stellen – der aber nicht dieselbe Wirkung wie eine Leistungsklage hat.

🔍 Ein Blick in die Vergangenheit

Schon das Reichsgericht (RGZ 14, 100) erkannte:
Die damalige Prozessordnung kennt keinen Mechanismus, mit dem man innerhalb eines Verfahrens zuerst zur Auskunft und dann zur Leistung übergehen kann – das war systematisch ausgeschlossen.

Deshalb wurde die Stufenklage geschaffen – um diesen Zweischritt innerhalb eines Verfahrens zu ermöglichen.


🧾 Typische Stufenklagen – Beispiele

  • Pflichtteilsanspruch:
    1. Auskunft über Nachlass
    2. eidesstattliche Versicherung
    3. Zahlung des Pflichtteils
  • Unterhaltsklage:
    1. Offenlegung von Einkommen
    2. eidesstattliche Versicherung
    3. Zahlung des geschuldeten Unterhalts
  • Gesellschaftsrecht:
    1. Rechnungslegung des Mitgesellschafters
    2. Herausgabe von Vermögenswerten

📌 Heutige Bedeutung

Die Stufenklage ist heute aus der Praxis nicht mehr wegzudenken – vor allem in familienrechtlichen und erbrechtlichen Auseinandersetzungen.

Sie erlaubt es dem Kläger, seinen gesamten Anspruch – von der Information bis zur Zahlung – in einem einzigen Verfahren durchzusetzen. Dabei wird ein „unbestimmter“ Leistungsantrag zunächst hingenommen, bis die Auskunft vorliegt.

Die prozesstaktischen Vorteile sind erheblich:

  • Verjährungshemmung tritt früher ein
  • Zinsansprüche entstehen früher
  • Der Prozess ist einfacher und kostensparender als zwei separate Verfahren

⚠️ Achtung: Nicht zu verwechseln mit…

Manchmal wird die Stufenklage mit einer bloßen „Auskunftsklage + Leistungsklage“ verwechselt. Der Unterschied liegt aber in der prozeduralen Verknüpfung der Anträge in einer Stufenklage. Nur hier greift § 254 ZPO und lässt eine anfängliche Unbestimmtheit zu.


✅ Fazit

Die Stufenklage ist ein aus der Not geborenes, aber heute hochwirksames Rechtsinstrument, das den Zugang zur Gerechtigkeit vereinfacht. Sie schafft klare Verhältnisse, spart Kosten – und verhindert, dass berechtigte Ansprüche an Formalitäten scheitern.

Gerhard Ruby
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Erbrecht

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