Ausschlagung der Vorerbschaft. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Wird nach Ausschlagung der Vorerbschaft durch mich mein als Nacherbe eingesetztes Kind Ersatzerbe?
Frage:
Mein Vater ist verstorben. Die Mutter ist bereits fünf Jahre vorher verstorben. Wir sind drei Kinder. Meine beiden Geschwister haben keine Kinder. Ich selber habe eine Tochter. Im handschriftlichen Testament meines Vaters, in dem ich als A und meine Geschwister als L und G bezeichnet werden, steht unter anderem
„Das Erbe ist nicht zum verschwenderischen Verbrauch gedacht, sondern als Rücklage für unverschuldete Notzeiten: 1. a) Meine Frau erbt 34% des Erbes, die drei Kinder je 22%. Meine Tochter L erhält 10% von der Wohnung an der X-Str. 21/2 mi., EW 23, im Voraus, weil A und G beim Kauf der Wohnung bereits je 10% erhalten haben. Von meinen Kindern sollen blutsverwandte Abkömmlinge erben. Wenn es gesetzlich zulässig ist, sollen die Ehegatten der Kinder von meinem Nachlass nicht erben. ……
(Ort), den 2. 11. 2002, Unterschrift“.
Ich habe die Erbschaft form- und fristgerecht ausgeschlagen und meinen Pflichtteil verlangt. Meine Schwester hat einen Erbschein beantragt, in dem sie zusammen mit meinem weiteren Geschwister zu je 1/2 als Erbe ausgewiesen ist. Ist das richtig?
Ich bin der Auffassung, dass meine beiden Geschwister und meine Tochter zu je 1/3 Erben sind, und dass meine beiden Geschwister nur Vorerben sind. Nacherben sind jeweils die Abkömmlinge der Vorerben, ersatzweise meine Kinder nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.
Wer hat recht?
Antwort:
Das Testament ist so auszulegen, dass Ihr Vater Vor- und Nacherbschaft angeordnet hat. Seine drei Kinder sollten Vorerben und deren Abkömmlinge Nacherben sein. Die Mutter war bereits vorverstorben und konnte nicht mehr erben. Ihre Ausschlagung erfolgte nur für Sie selbst und nicht für Ihren Stamm, bezog sich also nicht auch auf Ihre Tochter. Vielmehr ist nach § 2102 Abs. 1 BGB Ihre als Nacherbin eingesetzte Tochter zugleich als Ersatzerbin für die Vorerbschaft berufen. Hieraus folgt, dass die beiden Kinder, die die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatten, Vorerben zu je 1/3 und Ihre Tochter zu 1/3 Vollerben geworden war.
Tipp:
Lesen Sie OLG München vom 26. 10. 2011, 31 Wx 30/11