💼 Pflichtteil, Ausschlagung und Vermächtniskürzung – ein Praxisfall
⚖️ Fallkonstellation
Ein Pflichtteilsberechtigter wird Erbe, schlägt aber die Erbschaft aus, weil sie mit einem hohen Vermächtnis beschwert ist. Was passiert mit dem Vermächtnis, wenn nun der Nachrücker Erbe wird?
🧾 Beispiel aus der Praxis
👤 Erblasser (EL)
hinterlässt einen einzigen Sohn (S).
📝 Testamentarisch bestimmt:
S wird Alleinerbe, aber mit einem Vermächtnis belastet:
💶 S soll 30.000 € an V zahlen.
🏠 Nachlasswert: 40.000 €
📉 Rechnung von S:
- Nach Vermächtnis bleiben ihm nur 10.000 €
- Deshalb schlägt er die Erbschaft aus (§ 1953 Abs. 1 BGB)
- Er macht stattdessen seinen Pflichtteil in Höhe von 20.000 € geltend
👉 (50 % des Nachlasses gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB)
👤 Neuer Erbe (E):
Nach Ausschlagung wird E gesetzlicher Erbe.
🧮 Finanzielle Belastung von E
💼 E muss zahlen:
- ✅ 20.000 € Pflichtteil an S
- ✅ 30.000 € Vermächtnis an V
- ❗ Gesamt: 50.000 €, obwohl der Nachlass nur 40.000 € beträgt
🛡️ Lösung: Kürzungsrecht des Erben
📜 § 2322 BGB:
§ 2322 BGB Kürzung von Vermächtnissen und Auflagen
Ist eine von dem Pflichtteilsberechtigten ausgeschlagene Erbschaft … mit einem Vermächtnis … beschwert, so kann derjenige, welchem die Ausschlagung zustatten kommt, das Vermächtnis … soweit kürzen, dass ihm der zur Deckung der Pflichtteilslast erforderliche Betrag verbleibt.
🔧 E kürzt das Vermächtnis um 10.000 € – dadurch bleibt genug zur Pflichtteilszahlung an S.
📊 Endergebnis:
- S erhält Pflichtteil: ✅ 20.000 €
- V erhält gekürztes Vermächtnis: ✅ 20.000 €
- E behält: ❌ 0 € – hätte evtl. besser ebenfalls ausgeschlagen
📌 Wichtige Hinweise
- 📚 § 2322 BGB ist dispositiv, d. h. der Erblasser kann etwas anderes anordnen.
- § 2322 BGB will nicht den Ersatzerben schützen, sondern will den Vorrang des Pflichtteilsanspruchs sichern.
- ⚖️ Laut BGH NJW 1983, 2378 verdrängt § 2322 BGB in solchen Fällen § 2318 BGB, weil dies dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht:
👉 Der Nachrücker E soll nicht auf Kosten des Vermächtnisnehmers profitieren. Er hätte bei Anwendung des § 2318 BGB 5.000 € behalten können. Das ist nicht gewollt.
B
📝 Fazit für Ihre Nachlassplanung
🔍 Wer Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisse regelt, sollte die Wechselwirkungen im Ausschlagungsfall berücksichtigen.
💡 Eine klare testamentarische Regelung zur Vermächtniskürzung kann spätere Konflikte vermeiden.
👨⚖️ Lassen Sie sich hierzu fachkundig beraten – wir stehen Ihnen gern zur Seite.