Ablehnung eines Sachverständigen: Kosten und Erstattungsfähigkeit
Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht
🔹 Einleitung
Wird ein vom Gericht bestellter Sachverständiger von einer Partei wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, entstehen nicht selten Unsicherheiten: Welche Kosten kommen auf die Beteiligten zu? Was ist erstattungsfähig? Und wer trägt das Risiko? Nachfolgend ein Überblick für Praktiker, basierend auf der herrschenden Meinung und Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH).
📄 I. Gerichtskosten
1. Ablehnungsverfahren
Im Ablehnungsverfahren selbst fallen keine Gerichtsgebühren an. Es wird durch die Gerichtsgebühr für das Hauptverfahren abgegolten (z. B. Nr. 1210, 5110 GKG-KV).
2. Beschwerdeverfahren
Bei Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde gegen die Ablehnungsentscheidung entstehen Festbetragsgebühren:
- Beschwerde: 60 Euro (z. B. Nr. 1812 GKG-KV)
- Rechtsbeschwerde zum BGH: 120 Euro (z. B. Nr. 1826 GKG-KV)
Eine Streitwertfestsetzung ist hier unzulässig.
📈 II. Anwaltsvergütung
1. Ablehnungsverfahren
a) Anwalt der Hauptsache
Die Ablehnung zählt zur Neben- oder Abwicklungstätigkeit. Die Vergütung ist durch die Verfahrensgebühr der Hauptsache abgegolten (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 RVG).
b) Einzelauftrag
Wird ein Anwalt nur für das Ablehnungsverfahren beauftragt:
- Verfahrensgebühr: 0,8 nach Nr. 3403 VV RVG
- Bei Verfahren mit niedrigeren Gebührensätzen (z. B. Zwangsvollstreckung): Begrenzung gem. § 15 Abs. 6 RVG
2. Beschwerdeverfahren
a) Anwalt der Hauptsache
Hier entsteht eine besondere Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG:
- Verfahrensgebühr: 0,5 nach Nr. 3500 VV RVG
Voraussetzung: Besonderer Auftrag für das Beschwerdeverfahren (wird in der Regel angenommen).
b) Einzelauftrag
Auch beim Einzelauftrag: 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG
Bei reiner Einzeltätigkeit: 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG (i.d.R. auf 0,5 begrenzt).
3. Rechtsbeschwerdeverfahren
Hier entsteht:
- Verfahrensgebühr: 1,0 (Nr. 3502 VV RVG)
- Ausnahmsweise Terminsgebühr: 1,2 (Nr. 3516 VV RVG)
💰 III. Gegenstandswert
Im Ablehnungsverfahren kann der Gegenstandswert ausnahmsweise festgesetzt werden:
- Nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG: Billiges Ermessen
- Orientierung an § 3 ZPO: 1/3 des Hauptsachestreitwerts (so OLG Düsseldorf OLGR 2009, 334)
📝 IV. Kostenerstattung
1. Ablehnungsverfahren
Kosten der anwaltlichen Einzeltätigkeit sind bei erfolgreichem Hauptsacheverfahren erstattungsfähig.
2. Beschwerdeverfahren
Streitfrage: Gehören die Anwaltskosten der nicht ablehnenden Partei zu den erstattungsfähigen Kosten?
a) Mindermeinung
Nein, da kein kontradiktorisches Verfahren (z. B. OLG München AnwBl. 1994, 426).
b) Überwiegende Meinung & BGH
Ja. Die nicht ablehnende Partei hat ein rechtlich geschütztes Interesse an einem neutralen Sachverständigen.
- BGH RVGreport 2019, 21 (Hansens): Erstattungsanspruch bei erfolgloser Beschwerde
- Die Kostenentscheidung erfolgt unabhängig vom Hauptsacheverfahren
Fazit: Die unterlegene Partei im Beschwerdeverfahren muss die Anwaltskosten der Gegenseite tragen.
✅ Zusammenfassung
- Die Ablehnung eines Sachverständigen kann erhebliche Kostenfolgen haben.
- Die Anwaltskosten sind grundsätzlich erstattungsfähig, v. a. im Beschwerdeverfahren.
- Der BGH stellt klar: Auch die nicht ablehnende Partei hat einen Kostenerstattungsanspruch.
Tipp: Vor Einlegung eines Ablehnungsantrags sollte stets eine wirtschaftliche Folgenabschätzung erfolgen. Die Erfolglosigkeit kann teuer werden.
Gerhard Ruby Fachanwalt für Erbrecht