🧾 Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil gemäß § 2315 BGB

Die Vorschrift des § 2315 BGB spielt in der erbrechtlichen Praxis eine zentrale Rolle. Sie regelt, unter welchen Voraussetzungen lebzeitige Zuwendungen des Erblassers auf den Pflichtteil eines Berechtigten angerechnet werden können. Ziel ist es, Ungleichbehandlungen unter Pflichtteilsberechtigten zu vermeiden und den Pflichtteil als Mindestbeteiligung am Nachlass zu sichern.


📘 1. Grundstruktur des § 2315 BGB
  • 📌 Abs. 1: Pflichtteilsberechtigte haben sich Zuwendungen anrechnen zu lassen, wenn der Erblasser dies bei der Zuwendung bestimmt hat.
  • 📌 Abs. 2: Der Wert der Zuwendung wird dem Nachlass zugerechnet und bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Zuwendung.
  • 📌 Abs. 3: Bei Abkömmlingen gilt § 2051 Abs. 1 BGB entsprechend.

⚖️ 2. Unterschied zur Ausgleichung (§ 2316 BGB)
  • 🔄 Die Anrechnung betrifft sämtliche Pflichtteilsberechtigte (z.B. auch Eltern, und nicht nur Abkömmlinge), während die Ausgleichung nur unter Abkömmlingen erfolgt.
  • 🗨️ Die Anrechnung erfordert stets eine ausdrückliche Anrechnungsbestimmung des Erblassers vor oder bei der Zuwendung.
  • 🎯 Die Bezugsgröße der Anrechnung ist der Pflichtteilsanspruch, während es bei der Ausgleichung um den gesetzlichen Erbteil geht.

3. Anrechnungsvoraussetzungen
  • 🎁 Freigebige Zuwendung: Jede nicht verpflichtende, das Erblasservermögen mindernde Zuwendung (z. B. Schenkung, Ausstattung).
  • 📝 Anrechnungsbestimmung: Muss bei oder vor der Zuwendung durch empfangsbedürftige Willenserklärung erfolgen.
  • 👁️ Bewusstsein des Pflichtteilsberechtigten: Die Anrechnungsbestimmung muss diesem bekannt sein und er muss sich der Tragweite der Anrechnungsbestimmung bewusst gewesen sein.

👶 4. Besonderheiten bei Minderjährigen
  • ⚠️ Umstritten ist, ob eine Anrechnungsbestimmung gegenüber einem Minderjährigen rechtlich vorteilhaft ist.
  • 👨‍⚖️ In der Praxis wird häufig ein Ergänzungspfleger eingeschaltet und die Genehmigung des Familiengerichts verrlangt.

📊 5. Berechnung des Pflichtteils unter Anrechnung

Der Wert der Zuwendung wird dem Nachlass zugerechnet und anschließend vom errechneten Pflichtteil abgezogen:

📐 Formel:

Pflichtteil = (Nachlass + Zuwendung) × Pflichtteilsquote – Zuwendung

💡 Beispiel:

  • Nachlasswert: 100.000 €
  • Zuwendung: 10.000 €
  • Pflichtteilsquote: 1/8

Pflichtteil: (100.000 + 10.000) × 1/8 = 13.750 € – 10.000 € = 3.750 € Anspruch


📉 6. Wertveränderungen und Sonderfragen
  • 📆 Maßgeblich nach dem Gesetz ist der Wert zum Zeitpunkt der Zuwendung.
  • 📈 Bei starkem Kaufkraftverlust (z. B. Inflation) ist eine Umrechnung anhand des Lebenshaltungskostenindex möglich.
  • ⚖️ Besonders problematisch bei Geld- vs. Sachzuwendungen.

🔁 7. Anrechnung vs. Pflichtteilsergänzung (§§ 2325 ff. BGB)
  • 🔗 Anrechnung und Pflichtteilsergänzung können sich überlagern.
  • 🎁 Pflichtteilsergänzung betrifft Schenkungen, die den Pflichtteil mindern können.
  • ➖ Die Anrechnung vermindert den Anspruch des einzelnen Pflichtteilsberechtigten, nicht den Pflichtteilsanspruch anderer.

📌 8. Fazit und rechtssichere Gestaltung

Die Anrechnung bietet dem Erblasser ein wichtiges Instrument, bereits zu Lebzeiten erbrachte Zuwendungen pflichtteilsrechtlich zu berücksichtigen.

✔️ Eine rechtssichere Anrechnungsbestimmung muss:

  • klar
  • bewusst
  • und nachweisbar getroffen werden.

⚖️ Streitige Auslegungen lassen sich durch eindeutige Formulierungen vermeiden.

💬 Hinweis: Dies ist eine allgemeine Darstellung. Eine individuelle Beratung über die rechtlichen und steuerlichen Auswirkungen einer Anrechnung sollte stets im Einzelfall erfolgen.

📞 Gerne beraten wir Sie dazu umfassend in unserer Kanzlei.

Fanden Sie diesen Artikel hilfreich?

Erbrechtkanzlei Ruby – Wir machen nur Erbrecht – Wir helfen Ihnen – Überall in Deutschland – Tel. 07721 / 9930505

Wichtig: Auch wenn sich auf unserer Homepage vieles für Sie einfach darstellen mag, fehlt auch dem intelligentesten Laien der Gesamtüberblick im Erbrecht. Oft werden schwierigste Punkte, die scheinbar im Vordergrund stehen, verstanden, grundlegende andere Probleme, die für den konkreten Fall wirklich entscheidend sind, aber gar nicht gesehen. Wir empfehlen Ihnen daher, unsere günstige Erstberatung, bei der sie auf jeden Fall eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kostenlos erhalten. Sparen Sie nicht am falschen Ort. Oft müssen die Erben später viele Jahre prozessieren und Zigtausende an Anwalts- und Gerichtskosten zahlen, nur weil der Erblasser die geringen Erstberatungskosten sparen wollte.

Das könnte Sie auch interessieren