📘 Die Beschwer bei Verurteilung zur Auskunft – Drei BGH-Entscheidungen im Überblick

⚖️ I. Rechtlicher Hintergrund

Bei Verurteilung zur Auskunft im Erbrecht (Nachlassbestand oder Auskunft des Hausgenossen etc.), ist eine Berufung oder Revision nur zulässig, wenn der Wert der Beschwer bestimmte Schwellenwerte überschreitet:

  • Berufung: > 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)
  • Nichtzulassungsbeschwerde (Revision): > 20.000 € (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)

Entscheidend ist dabei nicht der Pflichtteilswert, sondern allein das Interesse des Rechtsmittelführers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen.

Dieses Interesse bemisst sich ausschließlich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, die die Auskunftserteilung erfordert.


📌 II. Kernaussagen der Rechtsprechung

🏛️ 1. BGH, Beschluss vom 22.02.2023 – IV ZR 320/22

  • Die Beschwer richtet sich nicht nach dem Nachlass- oder Pflichtteilswert, sondern nach dem Aufwand zur Erstellung der Auskunft.
  • Maßstab: § 20 JVEG, Zeitaufwand mit 4 €/Stunde bewertet.
  • Bei einem typischen Auskunftsanspruch (Nachlassverzeichnis): Aufwand unter 500 €.
  • Keine Berücksichtigung von Steuerberaterkosten, wenn deren Hinzuziehung nicht zwingend ist.
  • Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beschwerdebewertung ist der Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
  • Die spätere wirtschaftliche Bedeutung (z. B. durch einen Vergleich) spielt keine Rolle.

🏛️ 2. BGH, Beschluss vom 08.03.2017 – IV ZB 18/16 (ZEV 2017, 278)

  • Bei Auskunftsverurteilung geht es nicht um Vermögenswerte, sondern um den Aufwand, der zur Auskunft erforderlich ist.
  • Maßgeblich ist der reale Zeitaufwand des Betroffenen, nicht der Umfang oder Wert des Nachlasses.
  • Berufung unzulässig, wenn dieser Aufwand unter 600 € bleibt.
  • Aufwand von 5–7 Tagen (à 8 Stunden) = 160–224 € (nach JVEG: 4 €/h).

🏛️ 3. BGH, Beschluss vom 04.06.2014 – IV ZB 2/14 (FamRZ 2014, 1453)

  • Auch bei höherem Pflichtteilsanspruch bleibt die Auskunftsstufe unterhalb der Berufungsschwelle, wenn kein erheblicher Zusatzaufwand substantiiert wird.
  • Unverhältnismäßige Ausdehnung des Auskunftsbegriffs (z. B. Wertermittlung, Rechtsfragen, Bewertungen) wird zurückgewiesen – der Erbe schuldet nur die Benennung der vorhandenen Nachlassgegenstände, nicht deren Bewertung.

🔍 III. Auswirkungen auf die Berufungs- und Revisionspraxis

AspektMaßgeblich laut BGH
BeschwerdewertZeit- und Kostenaufwand der Auskunftserteilung
Nicht berücksichtigtPflichtteilsquote, Nachlasswert, Steuerberaterkosten ohne Nachweispflicht
Maßstab für Zeitaufwand§ 20 JVEG: 4 €/Stunde
Relevanter ZeitpunktLetzte mündliche Verhandlung vor Berufungsgericht
Rechtsfolge bei Beschwer < 600 €Berufung unzulässig (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)
Rechtsfolge bei Beschwer < 20.000 €Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)

💡 Praxishinweis für Anwälte

  • Eine Berufung ist nur zulässig, wenn der Mandant glaubhaft darlegt, dass ihm durch die Auskunftspflicht ein besonders hoher Aufwand entsteht (z. B. durch:
    • große Unternehmensstrukturen
    • schwer zugängliche Archive
    • zwingende Steuerberatung)
  • Verdienstausfall oder beruflicher Aufwand muss konkret belegt werden – pauschale Angaben reichen nicht.
  • Wird dieser Vortrag nicht geführt oder vom Gericht nicht akzeptiert, wird die Berufung als unzulässig verworfen.

🧾 Musterformulierung (vorsichtiger Vortrag in Berufungsbegründung)

„Der Aufwand zur Erfüllung der ausgeurteilten Auskunftspflicht übersteigt 600 €, da die Beklagte zur Aufarbeitung komplexer Unternehmensunterlagen, zur Sichtung zahlreicher Immobilienbestände und zur Beiziehung fachlicher Unterstützung (Steuerberater/Notar) gezwungen ist. Der insoweit entstehende Zeitaufwand beträgt über 100 Stunden; bei einer Bewertung mit 4 €/Stunde nach § 20 JVEG ergibt sich ein Beschwerdewert von mindestens 400 €. Hinzu treten unvermeidbare Fremdkosten in Höhe von weiteren 300–400 €, sodass die Schwelle nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überschritten ist.“


🧭 Fazit

Die BGH-Rechtsprechung begrenzt die Berufungsfähigkeit von Auskunftsverurteilungen strikt auf Fälle mit objektiv hohem, belegtem Aufwand. Ohne detaillierten Sachvortrag ist eine Berufung oder Nichtzulassungsbeschwerde regelmäßig unzulässig – selbst wenn hohe Pflichtteilsbeträge im Raum stehen.

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