§ 29 ErbStG – Wenn die Steuer wieder verschwindet
Gesetzestext: § 29 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG)
Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen
(1) Die Steuer erlischt mit Wirkung für die Vergangenheit,
- soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste;
- soweit die Herausgabe gemäß § 528 Absatz 1 Satz 2 BGB abgewendet wurde;
- soweit unentgeltliche Zuwendungen auf einen Zugewinnausgleich angerechnet wurden;
- soweit die Erbschaft oder Schenkung innerhalb von 24 Monaten gemeinnützigen Organisationen übertragen wird, unter bestimmten Bedingungen.
(2) Der Beschenkte wird wie ein Nießbraucher behandelt, solange er den Nutzen aus dem Geschenk hatte.
🌟 Einfach erklärt: Wann entfällt die Steuer?
Wenn man etwas geschenkt bekommt, muss man normalerweise Schenkungsteuer zahlen. Aber in bestimmten Fällen erlischt die Steuer wieder. Das bedeutet: So, als ob sie nie entstanden wäre. Diese Regel steht in § 29 ErbStG.
🦄 1. Geschenk wird zurückgegeben (wegen Rückforderungsrecht)
Wenn man ein Geschenk zurückgeben muss, weil es ein gesetzliches oder vertraglich vereinbartes Recht dazu gibt, dann entfällt die Steuer.
💡 Wichtig: Freiwillig zurückgeben reicht nicht! Es muss ein echtes Rückforderungsrecht bestehen.
Beispiele für Rückforderungsgründe:
- Grober Undank (§ 530 BGB)
- Der Schenker wird arm (§ 528 BGB)
- Die Schenkung wurde unter falschen Annahmen gemacht (z. B. falsche Steuererwartungen)
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – Erlöschen der Steuer durch Herausgabe des Geschenks
🧾 Kernaussage:
Die Schenkungsteuer entfällt nur dann rückwirkend, wenn das Geschenk tatsächlich wieder herausgegeben wurde – und nicht schon vorher, etwa bei Anfechtung, Rücktritt oder Widerruf ohne tatsächliche Rückgabe.
Merke: Es zählt die tatsächliche Rückabwicklung – also Besitz- oder Verfügungsübertragung – nicht nur die rechtliche Verpflichtung dazu.
🏠 Sonderfall: Haus-Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
Ein typisches Beispiel aus der Praxis ist die Übertragung eines Hauses vom Elternteil auf ein Kind unter Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs. Der Schenker bleibt also wirtschaftlich „drin“ – das Kind wird nur rechtlich Eigentümer.
🔁 Rückabwicklung einer solchen Schenkung – was gilt als Herausgabe?
In solchen Fällen ist entscheidend:
Die Rückübertragung des Eigentums auf den Schenker (z. B. durch notarielle Rückauflassung und Eintragung im Grundbuch),
+ Aufgabe des mittelbaren Besitzes durch den Erwerber.
✅ Die Herausgabe ist also nicht allein die Grundbuchumschreibung, sondern es kommt auf die gesamte Rückabwicklung des Eigentumsübergangs an – also inklusive Rückgabe aller Nutzungsrechte, falls übertragen.
🧠 Besonderheit beim Nießbrauch:
Wenn sich der Schenker bereits den Nießbrauch vorbehalten hat, verbleibt der Besitz ohnehin bei ihm. In diesem Fall ist die Rückübertragung des Eigentums in der Regel ausreichend, um die Herausgabe zu bejahen – denn der Schenker hatte das Haus nie „verlassen“.
Fazit für Nießbrauchsfälle:
Die Eigentumsrückübertragung genügt in Kombination mit dem fortbestehenden Besitz durch den Schenker – dies entspricht wirtschaftlich der Herausgabe.
🖋️ Gestaltung im notariellen Rückübertragungsvertrag
Damit § 29 ErbStG wirkt, sollte die Rückübertragung klar und zweifelsfrei geregelt werden. Ein guter notarieller Vertrag enthält daher:
Rückauflassungserklärung (zur Rückübertragung des Eigentums),
Auflassung und Eintragungsbewilligung für das Grundbuch,
Regelung zur Besitzübertragung (z. B. Übergabe mit Nutzen und Lasten zum Datum X),
Widerrufsklausel oder Berufung auf vertragliches Rückforderungsrecht,
Hinweis auf die steuerliche Rückabwicklung gem. § 29 ErbStG, ggf. mit Hinweis auf § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO.
Optional hilfreich:
✒️ Eine Erklärung beider Parteien, dass die Rückabwicklung wegen eines vertraglich vereinbarten Rückforderungsrechts erfolgt und das Geschenk damit im Sinne des § 29 ErbStG herausgegeben wird.
Soweit Grundbesitz geschenkt wurde, wird der Schenker vielfach mit einer Rückauflassungsvormerkung das Vertragsverhältnis und insbesondere auch die dingliche Eigentumsübertragung am leichtesten tatsächlich rückgängig machen können“(Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 29 ErbStG Rz. 17). Wenn also jemand eine Immobilie (Grundbesitz) verschenkt, ist es für den Schenker besonders praktisch und sicher, sich im Schenkungsvertrag eine Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch eintragen zu lassen.
Was ist eine Rückauflassungsvormerkung?
- Das ist eine vormerkliche Sicherung im Grundbuch, dass das Eigentum an der Immobilie zu einem späteren Zeitpunkt wieder an den Schenker zurückübertragen werden soll – z. B. für den Fall des Widerrufs, Rücktritts oder bei bestimmten Bedingungen (z. B. bei Verarmung oder Undank des Beschenkten).
Was bewirkt diese Vormerkung?
- Sie sichert den Anspruch auf Rückübertragung gegen spätere Verfügungen des Beschenkten (z. B. Verkauf an Dritte).
- Der Schenker kann damit das Eigentum rechtlich und faktisch einfacher zurückholen.
- Auch das Finanzamt erkennt die Rückübertragung eher als echte Herausgabe im Sinne von § 29 ErbStG an, wenn sie so gesichert ist.
💡 Praxistipp für Anwälte und Notare:
Um den Steuererlass nach § 29 ErbStG erfolgreich geltend zu machen:
Rückforderungsrechte klar im Ursprungsvertrag regeln
Im Rückabwicklungsvertrag explizit auf § 29 ErbStG Bezug nehmen
Rückübertragung vollziehen, dokumentieren und anzeigen
Antrag auf Aufhebung des Steuerbescheids gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO stellen
Nach dem Urteil des FG Düsseldorf vom 6.8.2008 (4 K 3936/07 Erb) liegt eine Herausgabe i. S. d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nur dann vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
✅ Wann liegt eine Herausgabe nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor?
Nur wenn das Geschenk tatsächlich zurückgegeben wird, sodass der ursprüngliche Schenker wieder seine alte Rechtsstellung erlangt.
Mit anderen Worten: Es reicht nicht, den Schenkungsvertrag formell aufzuheben oder einen Rückforderungsgrund geltend zu machen – das Geschenk muss tatsächlich zurückgehen.
❌ Was reicht nach dieser Entscheidung nicht aus?
- Eine bloße Vereinbarung über Rückabwicklung oder eine notarielle Aufhebung des Schenkungsvertrags.
- Eine Rückübertragung, die wirtschaftlich oder rechtlich in andere Hände fällt (z. B. Nachlassauseinandersetzung statt Rückgabe an die Schenkerin).
- Der Schenker erlangt nicht sein ursprüngliches Eigentum zurück, sondern der Vermögensgegenstand wird zwischen anderen Personen umverteilt oder verbleibt beim Beschenkten.
📌 Kernaussage des FG Düsseldorf:
„§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfordert eine ernsthafte Rückgängigmachung des Vorgangs, bei welcher der vormalige Schenker seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt.“
Diese Aussage bedeutet:
- Es genügt nicht, dass die Schenkung „im Geiste“ rückgängig gemacht wurde.
- Es reicht nicht, dass andere Beteiligte (z. B. Erben oder Miterben) zustimmen.
- Es reicht auch nicht, wenn der Beschenkte das Geschenk zwar weitergibt – aber nicht an den ursprünglichen Schenker zurück.
🧱 Fallbezug (FG Düsseldorf):
- Die Tochter schenkt ihrer Mutter das Haus zurück.
- Später wird diese Rückschenkung notariell aufgehoben.
- Man einigt sich familienintern auf eine neue Nachlassregelung, bei der die Mutter das Haus behält.
- Aber: Die ursprüngliche Schenkerin (die Tochter) bekommt das Haus nicht zurück.
- → Folge: Keine „Herausgabe“ i. S. d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG → Schenkungsteuer bleibt bestehen.
🧠 Praxisrelevanz: Was bedeutet das für Rückabwicklungen in der Gestaltung?
Damit eine Rückabwicklung steuerlich wirksam ist (§ 29 ErbStG), muss:
- Der ursprüngliche Schenker das Geschenk zurückerhalten.
- Die Rückübertragung tatsächlich vollzogen werden (z. B. durch Grundbuchumschreibung).
- Die Rückübertragung auf ein Rückforderungsrecht gestützt sein (z. B. Störung der Geschäftsgrundlage, vertragliches Rückforderungsrecht).
- Der Erwerber nichts behalten (z. B. keine Nutzungen oder Rechtspositionen).
🛠️ Fazit: Gestaltungshinweis
- Ein bloßer Vertrag über die Rückabwicklung reicht nicht aus.
- Die Rückübertragung muss nachweislich und vollständig erfolgen.
- Die „Herausgabe“ im Sinne von § 29 ErbStG bedeutet: vollständige Rückübertragung an den ursprünglichen Schenker – nicht an einen Dritten, nicht im Rahmen eines Erbauseinandersetzungsvertrags.
- In der Praxis: Die Rückauflassung muss an den ursprünglichen Schenker erfolgen, und er muss wieder ins Grundbuch eingetragen werden.
Also Herausgabe ist erst mit der Wiedereintragung des Schenkers im Grundbuch erfolgt=?
Kurz und klar: Ja – im Fall einer Grundstücksschenkung ist die „Herausgabe“ i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG grundsätzlich erst dann erfolgt, wenn der ursprüngliche Schenker wieder als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist.
📘 Begründung:
Die Schenkungsteuer entsteht bei Grundstücksschenkungen mit der „Ausführung der Zuwendung“, also regelmäßig mit der Eintragung des Beschenkten im Grundbuch (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, ständige Rspr. des BFH).
Genauso konsequent fordert § 29 ErbStG für ein späteres Erlöschen der Steuer eine vollständige Rückabwicklung des Zuwendungsvorgangs.
Dazu gehört:
- eine zivilrechtlich wirksame Rückübertragung,
- und die Eintragung des ursprünglichen Schenkers als Eigentümer im Grundbuch.
⚖️ Rechtsprechung:
Das FG Düsseldorf (Urteil vom 6.8.2008 – 4 K 3936/07 Erb) bringt es auf den Punkt:
„§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfordert […] eine ernsthafte Rückgängigmachung des Vorgangs, bei welcher der vormalige Schenker seine ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangt.“
Das ist bei Grundstücken eindeutig erst der Fall, wenn der Schenker wieder im Grundbuch eingetragen ist – denn erst dann hat er sein Eigentum im rechtlichen Sinne zurückerhalten.
🛑 Was nicht genügt:
- Notarielle Rückübertragungsvereinbarung ohne Eintragung,
- Verpflichtung zur Rückauflassung ohne Vollzug,
- Erbauseinandersetzung oder Umverteilung des Grundstücks unter den Erben,
- Verurteilung zur Rückübertragung ohne tatsächliche Umsetzung.
✅ Praxisregel:
Herausgabe eines Grundstücks i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liegt vor, wenn der ursprüngliche Schenker durch Eintragung im Grundbuch wieder als Eigentümer ausgewiesen ist.
Das gilt unabhängig davon, ob Nießbrauch, Rückforderungsrechte oder persönliche Bindungen bestehen.
🔒 2. Herausgabe wird abgewendet (durch Zahlung)
Manchmal muss der Beschenkte ein Geschenk nicht zurückgeben, weil er stattdessen Geld zahlt (z. B. bei Verarmung des Schenkers). Dann entfällt die Steuer für den Teil, den er gezahlt hat.
👫 3. Ausgleich bei Ehegatten-Zuwendungen
Wenn Eheleute sich gegenseitig Vermögen schenken und es später zu einem Zugewinnausgleich kommt, kann die früher gezahlte Steuer entfallen. Das ist oft bei Scheidungen der Fall.
🌿 4. Schenkung an gemeinnützige Organisationen
Wer eine Erbschaft oder ein Geschenk bekommen hat, kann dieses innerhalb von 2 Jahren an bestimmte Einrichtungen weitergeben:
🔹 Bund, Land, Gemeinde oder 🔹 eine gemeinnützige Stiftung
Dann entfällt die Steuer auf die ursprüngliche Schenkung oder Erbschaft.
🚫 Aber Achtung: Es gibt viele Einschränkungen!
- Die Stiftung darf dem Spender nichts zurückgeben.
- Es darf keine Doppelbegünstigung mit Spendenabzug geben.
- Man muss dem Finanzamt eine verbindliche Erklärung geben, wie hoch die Spende ist.
📅 Wie lange hat man Zeit?
In allen Fällen muss die Änderung innerhalb der Festsetzungsfrist beim Finanzamt beantragt werden – das ist in der Regel vier Jahre.
🤔 Was ist mit der „Rückschenkung“?
Wenn jemand ein Geschenk einfach zurückschenkt (z. B. weil es Streit gab), dann fällt zweimal Steuer an:
- Beim ersten Schenkungsvorgang
- Und beim Zurückschenken
Nur wenn ein echtes Rückforderungsrecht vorliegt, vermeidet man die Doppelbesteuerung!
📊 Besonderheit: Nutzung des Geschenks
Wenn der Beschenkte das Geschenk eine Zeit lang nutzt (z. B. Mieteinnahmen hat), bevor er es zurückgibt, dann muss er für diese Nutzung Steuern zahlen. Er wird steuerlich wie ein Nießbraucher behandelt.
📄 Gestaltungstipp: Rückforderungsrechte schriftlich regeln!
Wer etwas verschenkt, sollte sich das Recht sichern, das Geschenk zurückverlangen zu dürfen. Solche Rechte müssen von Anfang an im Vertrag stehen.
Beispiel für eine Vertragsklausel:
„Der Schenker darf das Geschenk zurückverlangen, wenn das Finanzamt eine unerwartete Schenkungsteuer erhebt.“
🪡 Fazit
§ 29 ErbStG ist wie ein „Rettungsanker“, wenn sich nach einer Schenkung oder Erbschaft etwas grundlegend ändert. Aber:
- Die Voraussetzungen sind streng
- Die Rückgabe muss rechtlich verpflichtet sein
- Doppelte Besteuerung droht bei freiwilligen Rückschenkungen
🔹 Tipp: Bei jeder größeren Schenkung unbedingt rechtlich beraten lassen!
Sie wünschen eine konkrete Einschätzung oder eine Gestaltung mit Widerrufsvorbehalt? Sprechen Sie uns gerne an – wir helfen Ihnen weiter!