RGZ 14, 200–210 Rechnungslegung, Pflichtteilsrecht
RGZ 14, 200–210 Rechnungslegung, Pflichtteilsrecht
- Nähere Bestimmung der Anwendbarkeit von Teilurteilen, insbesondere in der Berufungsinstanz
- Inwiefern kommt bei gegebener Rechnungsperiode eine tatsächliche Unmöglichkeit der Rechnungslegung in Betracht?
- Inhalt der von einem Pflichtteilsberechtigten den Testamentsvollstreckern gegenüber zu erhebenden Ansprüche
Erster Zivilsenat. Urteil vom 20. Februar 1884 in Sachen C. C., Testamentsvollstrecker (Beklagter) gegen B. (Kläger) Rep. I 506/83
I. Landgericht Hamburg
II. Oberlandesgericht daselbst
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Die Ehefrau B., eine Tochter des verstorbenen C., war von diesem in seinem Testamente, welches unter anderem die sozinische Kautel in der aus den unten folgenden Entscheidungsgründen ersichtlichen Fassung enthielt, mit Vermächtnissen bedacht, die jedoch von B. kraft seines ehemännlichen Vertretungsrechtes ausgeschlagen wurden, indem er stattdessen den seiner Frau gebührenden Pflichtteil forderte. Zur Erläuterung ist dabei zu bemerken, dass dem hamburgischen Rechte ein Noterbenrecht im engeren Sinne, d. h. das alternative Recht gewisser Personen auf Erbeinsetzung oder Angabe eines gesetzlichen Ausschließungsgrundes, unbekannt ist. Der Nachlass des C. bestand zum größeren Teile aus dem Anspruch des C. an dem Nachlasse eines gewissen vor ihm verstorbenen W., der nach gesetzlicher Erbfolge entweder ganz oder zur Hälfte ihm zugefallen war; ob das eine oder das andere, darüber schwebte noch ein Prozess mit einem auswärtigen Prätendenten, während der W’sche Nachlass sich in der Verwaltung des hamburgischen Erbschaftsamtes befand. Die Testamentsvollstrecker des C. verweigerten wegen dieser und anderer Verhältnisse dem B. vorläufig sowohl jede Rechnungslegung wie die Auszahlung des Pflichtteils. B. behauptete außerdem, im Namen seiner Ehefrau gegen den C’schen Nachlass noch einen Anspruch auf Zahlung von 100.000 Mark zu haben, weil sie seiner Tochter, der Ehefrau B., diese Summe schenkungsweise versprochen habe. B. klagte daher gegen die Testamentsvollstrecker auf Zahlung dieser 100.000 Mark sowie darauf, dass die Testamentsvollstrecker für verpflichtet erklärt würden, ihm unter Erteilung einer Abrechnung über den Nachlass des C. den Pflichtteil seiner Ehefrau nach Maßgabe dieser Abrechnung zu bezahlen, wobei er allerdings sich jene 100.000 Mark anrechnen lassen wollte. Er wurde jedoch mit diesen Ansprüchen vom Landgerichte zur Zeit abgewiesen. Auf Berufung des Klägers hob sodann das Oberlandesgericht das erste Urteil im Ganzen auf und erließ stattdessen ein „Teilurteil“, durch welches die Berufung in Ansehung des Anspruches aus dem behaupteten Schenkungsversprechen zurückgewiesen, dagegen die Beklagten verpflichtet wurden, dem Kläger über den streitigen Nachlass Abrechnung zu erteilen; dabei wurde in Aussicht gestellt, dass nach Erteilung dieser Abrechnung über den Anspruch auf Auszahlung auf weiteren Antrag fernerer Termin angesetzt werden solle. Dieses Urteil wurde vom Kläger nicht angefochten; auf Revision der Beklagten wurde es aber vom Reichsgericht
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aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen aus folgenden
Gründen:
Die Aufhebung des vorigen Urteils musste schon deshalb erfolgen, weil die Form des Teilurteils in demselben auf eine den Vorschriften der Zivilprozessordnung nicht entsprechende Weise verwandt worden ist. Zunächst liegt schon darin ein Widerspruch, dass das die ganze Sache erledigende Endurteil des Gerichtes erster Instanz in seiner Totalität aufgehoben und doch nur ein Teilurteil an seine Stelle gesetzt ist, welches die Entscheidung einzelner Punkte noch offen lässt. In der Rechtsmittelinstanz kann korrekterweise ein Teilurteil nur in der Weise ergehen, dass vor allem über das Rechtsmittel als solches nur erst zum Teil entschieden und entweder dasselbe soweit zurückgewiesen oder auf dasselbe die angefochtene Entscheidung soweit aufgehoben beziehungsweise endlich abgeändert wird. Handelt es sich hierbei auch im Allgemeinen nur um die Frage der äußeren Form, so hängt im vorliegenden Falle dieser Formfehler doch mit einem ferneren Verstoß zusammen, welcher darin liegt, dass der durch das ergangene Teilurteil späterer Erledigung vorbehaltene Anspruch gar nicht mit dem durch dasselbe erledigten Anspruch zusammen den Gegenstand eines und desselben Prozesses bilden kann. Die Zivilprozessordnung kennt kein Verfahren, welches Raum dafür böte, dass, nachdem der Beklagte diejenige Leistung, zu welcher er zunächst zu verurteilen ist (hier nach dem angefochtenen Urteil die Erteilung einer Abrechnung), beschafft hätte, sich innerhalb desselben Prozesses auf Grundlage eben dieser Leistung und im Anschluss an ihre Ergebnisse noch eine zweite Streitverhandlung über ferner dem Beklagten aufzuerlegende Leistungen entwickeln könnte. Das Teilurteil ist nach § 273 ZPO nur dazu bestimmt, einen von solchen mehreren Ansprüchen vorweg zu erledigen, die, wenn sie nur sämtlich nach Maßgabe der Parteivorträge und Beweisergebnisse schon zur Endentscheidung reif wären, jetzt bereits gleichzeitig erledigt werden können, nicht aber einen Anspruch von solcher Beschaffenheit, dass eine Erledigung und Befriedigung im Sinne der Klage die notwendige Voraussetzung dafür bildet, dass der Kläger die ferneren Ansprüche überhaupt in bestimmter Abgrenzung geltend machen könne. In solchem Falle sind die letzteren Ansprüche mittels neuer Klageerhebung geltend zu machen; der erste Prozess muss durch diejenige
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Verurteilung des Beklagten, welche wegen der materiellen Abhängigkeit der weiter etwa noch geltend zu machenden Ansprüche von den noch abzuwartenden praktischen Folgen dieser Verurteilung für jetzt allein möglich ist, seinen endgültigen Abschluss finden, abgesehen von einem etwaigen Zwangsvollstreckungsverfahren.
Ihre wichtigste praktische Bedeutung hat diese Auffassung darin, dass, wenn – wie im vorliegenden Falle – die Verurteilung des Beklagten zur Rechnungslegung erst auf Berufung des Klägers in der zweiten Instanz erfolgt, der etwaige Rechnungsbetrag nicht von vornherein in die Berufungsinstanz verlegt werden kann, wie dies noch nach § 499 verglichen mit § 500 ZPO geschehen würde, wenn ein Teilurteil, wie das hier in Frage stehende, zulässig wäre. Der Rechnungsbetrag muss vielmehr in ähnlicher Weise durch neue Klage bei einem Gericht erster Instanz anhängig gemacht werden, wie nach § 78 Abs. 2 ZPO im Falle fruchtloser Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe einer Sache oder zu einer Handlung oder Unterlassung der Kläger seinen etwaigen Anspruch auf Leistung des Interesses im Wege einer neuen Klage bei dem Prozessgericht erster Instanz geltend zu machen hat.
Wäre daher der Klagantrag: „Die Beklagten zu verpflichten, dem Kläger unter Erteilung einer Abrechnung über den Nachlass des verstorbenen C. den Pflichtteil seiner Ehefrau nach Maßgabe der Abrechnung zu bezahlen“, dahin zu verstehen, dass der Kläger in diesem Prozesse die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme ausgesprochen wissen wollte, deren Betrag sich aber erst aus der zu erteilenden Abrechnung ergeben solle, so würde der Antrag auf diese Verurteilung schon aus dem dargelegten formellen Grunde jedenfalls zur Zeit haben abgewiesen werden müssen. Allerdings war aber keine Veranlassung gegeben, den Antrag so auszulegen: Man brauchte vielmehr nichts anderes als beantragt anzusehen als die allgemeine Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet seien, dem Kläger nach Maßgabe der zu erteilenden Abrechnung den vertraglichen Pflichtteil auszukehren, und die Verurteilung derselben zur Erteilung dieser Abrechnung.
Ob, wenn im Übrigen kein Grund zur Aufhebung des vorigen Urteils vorgelegen hätte, das Reichsgericht nach Maßgabe des § 528 ZPO in der Lage gewesen wäre, von dem angedeuteten Standpunkte aus selbst in der Sache zu entscheiden, braucht nicht erörtert zu werden, da in der Tat auch noch aus anderen Gründen die Aufhebung ausgesprochen werden musste und
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zwar so, dass die Sache jedenfalls an das Berufungsgericht zur anderweitigen Verhandlung zurückzuverweisen war.
Mit Recht haben sich nämlich die beklagten Testamentsvollstrecker darüber beschwert, dass sie dem Kläger überhaupt zur Erteilung einer Abrechnung verurteilt worden sind, wenngleich dem rechtlichen Standpunkt, von welchem aus die Abweisung des Anspruchs verlangt worden ist, keineswegs in jeder Beziehung bereits beigetreten werden konnte.