Zur Berechnung des Pflichtteils – Sind die Kosten der Sterbeurkunde abzugsfähig?
1. Einleitung
Die korrekte Berechnung des Pflichtteils wirft in der Praxis immer wieder komplexe Abgrenzungsfragen auf. Eine oft übersehene, aber praxisrelevante Frage ist: Gehören auch die Kosten für die Ausstellung der Sterbeurkunde zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten? Diese Frage hat das Landgericht Ellwangen in seinem Endurteil vom 08.05.2024 (Az. 1 S 83/23) bejaht.
2. Leitsatz der Entscheidung
Das Gericht stellt klar:
„Die Erstellung einer Sterbeurkunde dient – im Gegensatz zur Erteilung des Erbscheins – in erster Linie der Verwaltung des Nachlasses und ist damit als Nachlasserbenschuld als Passivum zu berücksichtigen.“
3. Hintergrund des Verfahrens
In dem entschiedenen Fall machte die Tochter eines Erblassers Pflichtteilsansprüche gegen die zweite Ehefrau des Erblassers geltend. Die Beklagte hatte die Ausstellung der Sterbeurkunde mit einer Rechnung über 24 Euro nachgewiesen. Die Klägerin bestritt die Passivierung pauschal. Das Landgericht stellte klar, dass ein pauschales Bestreiten unbeachtlich sei, wenn der Vortrag durch Belege untermauert ist.
4. Bedeutung für die Pflichtteilsberechnung
Nach § 2311 Abs. 1 BGB bestimmt sich der Pflichtteil nach dem Bestand und Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls, wobei von den Aktiva die Nachlassverbindlichkeiten in Abzug zu bringen sind. Hierzu zählen unter anderem sog. Nachlasserbenschulden, also Verbindlichkeiten, die im Rahmen der Nachlassabwicklung anfallen.
Die Ausstellung der Sterbeurkunde ist notwendig, um den Tod des Erblassers gegenüber Dritten (z. B. Banken, Versicherungen, Grundbuchamt) nachzuweisen und so den Nachlass verwalten zu können. Anders als der Erbschein, der der Legitimation als Erbe dient, ist die Sterbeurkunde damit ein Grundlagendokument für die Nachlassabwicklung selbst. Daher gehört ihre Beschaffung zu den originären Verpflichtungen des Erben und kann bei der Pflichtteilsberechnung als Passivum geltend gemacht werden.
5. Abgrenzung zur Eröffnungskosten der letztwilligen Verfügung
Nicht abzugsfähig sind hingegen die Kosten für die Eröffnung der letztwilligen Verfügung. Diese entstehen nur, wenn ein Testament oder Erbvertrag vorliegt, also nicht notwendig bei gesetzlicher Erbfolge. Solche Kosten sind daher nicht pflichtteilsrelevant.
6. Praktische Hinweise für die Pflichtteilsabwicklung
- Erfassen Sie alle Nachlassverbindlichkeiten sorgfältig und belegen Sie sie nachweisbar.
- Auch geringe Beträge wie die Ausstellung der Sterbeurkunde (hier: 24 Euro) können pflichtteilsrelevant sein.
- Ein pauschales Bestreiten reicht nicht aus, um belegte Passiva zu entkräften.
7. Streit um Abzugsfähigkeit von Erbscheinkosten
Umstritten ist, ob die Kosten für die Erteilung des Erbscheins abgesetzt werden können. Dies wird von der h.M. verneint, da dieser primär der Legitimation des Erben dient.
Demgegenüber steht die Auffassung, dass der Erbschein gerade der Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses dient und im Falle der gesetzlichen Erbfolge dieselben Kosten anfallen würden. Daher sei ein Abzug der Kosten zulässig.
Nicht abzugsfähig sind dagegen die Kosten der Nachlassverwaltung durch die Erben (soweit sie dem Pflichtteilsberechtigten nicht nützlich waren) sowie der Erbauseinandersetzung und eines Nachlassinsolvenzverfahrens bei Eintritt der Überschuldung nach dem Erbfall, da deren Berücksichtigung gegen das Stichtagsprinzip verstoßen würde.
8. Fazit
Die Entscheidung des LG Ellwangen bringt Klarheit in eine praxisnahe Frage. Wer Pflichtteilsansprüche berechnet, sollte auch die scheinbar kleinen Posten wie die Kosten der Sterbeurkunde berücksichtigen. Voraussetzung ist allerdings stets ein konkreter Nachweis.
Gericht: LG Ellwangen (1. Zivilkammer), Endurteil vom 08.05.2024 – 1 S 83/23
Fundstelle: ZEV 2025, 209 (Ls.); LSK 2024, 36768