Die Änderungen des Bewertungsgesetzes, die ab dem 31.12.2022 gelten, haben in der Presse und Bevölkerung für viel Unruhe gesorgt. Durch das Jahressteuergesetz wurde für Todes- und Schenkungsfälle nach dem 31.12.2022 die Bewertung für Hausgrundstücke an die aktuelle Marktsituation angepasst. So sagt es die Gesetzesbegründung. Höhere Hauswerte führen logischerweise zu höheren Erbschaftsteuereinnahmen. Während der Gesetzgeber die Bewertung im BewG anpasste, „vergaß“ er aber die seit 2009 unveränderten Freibeträgt bei der Erbschaftsteuer ebenfalls anzupassen. Die Bewertungsanpassung führt zu Erhöhungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, da sich die Grundbesitzwerte in der Regel um 20 bist 30 Prozent, in manchen Fällen sogar um bis zu 50 % erhöhen. Dies betrifft vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser, sofern für diese der Sachwert maßgeblich ist, und Mehrfamilienhäuser, weil hier regelmäßig der Ertragswert anzusetzen ist, und. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern ist zwar im gesetzlichen Regelfall das Vergleichswertverfahren anzuwenden. Das Vergleichswertverfahren geht von Verkaufspreisen und Vergleichsfaktoren vergleichbarer Immobilien aus. Da den Gutachterausschüssen oft aber keine Vergleichswerte vorliegen, sind in solchen Fällen die Sachwerte für die Bewertung der Ein- und Zweifamilienhäuser maßgebend. Das ist überwiegend immer noch die Praxis.
Die Änderungen betreffen vor allem die für die Bewertung wichtigen
- Liegenschaftszinssätze, die um rund 30 Prozent gesenkt wurden, was im Ergebnis zu höheren Werten führt, da die Bodenwertverzinsung im Ertragswertverfahren ein Abzugsposten ist. Weniger Abzug, höherer Wert!
- die sog. Wertzahlen für das Sachwertverfahren, die um rund 30 % angehoben wurden, was zu höheren Werten führt. Die Wertzahl für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen lag bis 2023 bei 0,5 bis 1,5. Jetzt liegen sie bei 0,8 bis 1,8. Die Wertzahl wird auch Sachwertfaktor genannt. Mit der Wertzahl wird der vorläufige Sachwert (Bodenwert + Regelherstellungswert = VSW) multipliziert: VSW x 1,3 ist teurer also VSW x 1,0! Die Wertzahl dient der Anpassung des vorläufigen Sachwertes an den Marktwert (z.B. der Ort hat eine gute Infrastruktur oder schlechte, was zu höheren oder niedrigeren Verkaufswerten führt, als im vorläufigen Sachwert abgebildet).
- Die Gesamtnutzungsdauer (= „Lebensdauer“) für Ein- und Zweifamilienhäuser wurde von 70 auf 80 Jahre angehoben, was zu einer geringeren Alterswertminderung führt. Wurde bislang pro Jahr seit der Bezugsfertigkeit eine Minderung von 1,42 Prozent abgezogen, sind das jetzt nur noch 1,25 %.
Liegenschaftszinssätze und Wertzahlen wurden an das aktuelle Marktniveau angepasst. Die Anpassungen können insbesondere bei Übertragungen von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen zum Anstieg der Schenkung- und Erbschaftsteuer führen, soweit mangels Vergleichswerten das Sachwertverfahren einschlägig ist. Betroffen sind auch Mehrfamilienhäuser, bei denen regelmäßig der Ertragswert herangezogen wird.
Ein Beispiel: Mehr als die doppelte Erbschaftsteuer
Angenommen der vorläufige Sachwert eines Einfamilienhauses in guter Lage beträgt nach altem und neuem Bewertungsgesetz rund 700.000 Euro. Der alte Wertzahl beträgt 1,0 die neue 1,3. Dann war der alte Steuerwert 700.000 und der neue beträgt 910.000 Euro. Der Freibetrag für ein Kind beträgt nach wie vor 400.000 Euro. Während bis 31.12.2022 somit 700.000 ./. 400.000 x 11 % = 33.000 Euro Erbschaftsteuer anfielen, beläuft sich die Schenkungsteuer jetzt auf 910.000 ./. 400.000 x 15 % = 76.500 Euro.
Die wichtigsten Änderungen im Gesetzestext
§ 188 BewG Liegenschaftszinssatz
(1) Liegenschaftszinssätze sind Kapitalisierungszinssätze, mit denen Verkehrswerte von Grundstücken je nach Grundstücksart im Durchschnitt marktüblich verzinst werden.
(2) Anzuwenden sind die von den Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs ermittelten Liegenschaftszinssätze nach Maßgabe des § 177 Absatz 2 und 3. Soweit derartige Liegenschaftszinssätze nicht zur Verfügung stehen, gelten die folgenden Zinssätze:
1. 3,5 Prozent für Mietwohngrundstücke (bis 31.12.22 5 Prozent)
2. 4,5 Prozent für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 Prozent, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche (bis 31.12.22 5,5 Prozent)
3. 5,0 Prozent für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von mehr als 50 Prozent, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche (bis 31.12.22 6 Prozent), und
4. 6,0 Prozent für Geschäftsgrundstücke (bis 31.12.22 6,5 Prozent)
§ 191 BewG Wertzahlen
Als Wertzahlen im Sinne des § 189 Absatz 3 sind die von den Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs ermittelten Sachwertfaktoren nach Maßgabe des § 177 Absatz 2 und 3 anzuwenden. Soweit derartige Sachwertfaktoren nicht zur Verfügung stehen, sind die in Anlage 25 bestimmten Wertzahlen zu verwenden.