Grundsicherung und Sozialhilfe: Kann der Staat das Erbe abkassieren?

Grundsicherung muss nicht zurückgezahlt werden
Grundsicherung muss nicht zurückgezahlt werden

Grundsicherung und Sozialhilfe: Kann der Staat auf das Erbe zugreifen? Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Grundsicherung und Sozialhilfe: Kann der Staat auf das Erbe zugreifen?

Die Auseinandersetzungen zwischen dem Sozialamt und dem Grundsicherungsträger einerseits und Erben andererseits nehmen zu. Wenn jemand seinen Pflichtteil nicht geltend macht, wird ihm oftmals kurzerhand die Sozialhilfe nicht mehr weiter bezahlt etc.

Nachfolgend eine Übersicht über die Möglichkeiten des Sozialleistungsempfängers (Grundsicherung, Sozialhilfe) und des Sozialleistungsträgers bei einem Erbfall:

1. Muss der Sozialleistungsträger einen vom Sozialleistungsempfänger gegenüber seinen Eltern  erklärten Pflichtteilsverzicht akzeptieren, wenn ein Elternteil später stirbt?

JA (h.M., das Urteil des BGH ZEV 2011, 258, das ein behindertes, geschäftsfähiges Kind betraf, das vor dem Sterbebett des Elternteils den Pflichtteilsverzicht zu notarieller Urkunde erklärte, dürfte verallgemeinerungsfähig sein)

2. Ist es dem Sozialleistungsträger gegenüber wirksam, wenn der Sozialleistungsempfänger eine ihm angefallene Erbschaft ausschlägt?

JA, eine solche Ausschlagung verstößt nicht gegen die guten Sitten (BGH ZEV 2011, 258). Sie kann aber dazu führen, dass der Leistungsträger die Sozialleistungen kürzt (§ 26 SGB XII; bei Grundsicherung Kürzung für drei Monate, §§ 31, 31a, 31b SGB II).

3. Was passiert, wenn der Pflichtteilsanspruch schon entstanden ist?

Hier ist zu unterscheiden, ob das Elternteil vor oder während dem Sozialleistungsbezug stirbt:

3.1 Verstirbt ein Elternteil während des Sozialleistungsbezuges des enterbten Kindes, gilt:

a) Der Sozialhilfeträger kann den Pflichtteilsanspruch auf sich überleiten und ihn selbst geltend machen (§ 93 SGB XII).

b) Auf den Grundsicherungsträger geht der Pflichtteilanspruch sogar von Gesetzes wegen über (§ 33 SGB II)

c) Erlässt der Sozialleistungsbezieher die Pflichtteilsschuld, dürfte dies
aa) wieder zur Kürzung der Sozialhilfe führen;
bb) Bei der Grundsicherung ist ein solcher Erlass der Pflichtteilschuld gar nicht mehr möglich, weil hier der Pflichtteilsanspruch ja schon von Gesetzes wegen auf den Grundleistungsträger übergegangen ist.

TIPP: Zu Lebzeiten der Eltern Pflichtteilsverzichte erklären!

3.2 Ist das Elternteil schon vor dem Antrag auf Sozialhilfe gestorben, gilt:

a) Der Pflichtteilsanspruch zählt im Regelfall zum verwertbaren Vermögen, so dass überhaupt keine Hilfsbedürftigkeit vorliegt.

b) In Ausnahmefällen ist die Verwertung unzumutbar:

aa) wenn die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils zum Verlust der Schlusserbenstellung nach dem zweitversterbenden Elternteil führt (Pflichtteilsstrafklausel).

bb) wenn eine besondere Härte vorliegt, z.B. wenn die Mutter als Witwe das selbst genutzte Familienheim verwerten müsste, um die Pflichtteilsansprüche bezahlen zu können.

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