🏡 Grundstücksbewertung im Vergleichswertverfahren

⚖️ Rechtsgrundlage

Das Vergleichswertverfahren ist ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Bewertung bebauter und unbebauter Grundstücke gemäß den §§ 182 bis 183 BewG.

Gemäß § 183 BewG stehen dabei zwei Verfahren gleichrangig nebeneinander:

  • das Vergleichspreisverfahren (§ 183 Abs. 1 BewG),
  • das Vergleichsfaktorverfahren (§ 183 Abs. 2 BewG).

Die Auswahl zwischen diesen Verfahren trifft das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein Vorrang des Vergleichspreisverfahrens besteht nicht.


🛠️ Anwendung des Vergleichsfaktorverfahrens

📌 Voraussetzungen

Das Vergleichsfaktorverfahren kann angewendet werden, wenn:

  • vom Gutachterausschuss geeignete Vergleichsfaktoren veröffentlicht wurden,
  • diese sich auf Bezugseinheiten wie m²-Wohnfläche oder Ertragsfaktoren beziehen,
  • der Bewertungsstichtag innerhalb des maßgeblichen Zeitraums liegt (in der Regel max. 3 Jahre zurück),
  • für das Bewertungsobjekt erforderliche Umrechnungskoeffizienten verfügbar sind (z. B. für Baujahr, Wohnlage, Wohnfläche etc.).

🧮 Rechenbeispiel zur Anwendung des Vergleichsfaktorverfahrens

Ein Einfamilienhaus soll für Zwecke der Erbschaftsteuer bewertet werden. Die Bewertung erfolgt auf den 22.07.2022. Grundlage ist der Immobilienrichtwert und die Umrechnungskoeffizienten aus dem Grundstücksmarktbericht 2022 (BORIS NRW).

🔍 Objektangaben:

  • Wohnfläche: 131 m²
  • Baujahr: 1971
  • Ausstattung: einfach–mittel
  • Grundstück: 1.000 m²
  • Lage: gut
  • Modernisierung: nur kleinere Instandhaltungen
  • Immobilienrichtwert: 3.830 €/m²

📊 Berechnung:

1. Umrechnungskoeffizienten für das Vergleichsobjekt:

MerkmalKoeffizient
Baujahr 19710,9325
Wohnfläche 131 m²0,964
Ausstattung einfach–mittel0,93
Grundstücksgröße 1.000 m²1,12
Modernisierung1,03
Wohnlage „gut“1,09

Gesamtfaktor: 0,9325 × 0,964 × 0,93 × 1,12 × 1,03 × 1,09 ≈ 1,05

2. Vergleichswert:

3.830 €/m² × 1,05 × 131 m² = 526.780,50 €

  • Garage (pauschal): 4.500 €
    Gesamtwert: 531.280,50 €

🧾 Rechtsprechung: FG Düsseldorf, Beschluss vom 12.03.2024 – 11 V 78/24 A(BG)

Das Finanzgericht bestätigt:

  • Vergleichspreis- und Vergleichsfaktorverfahren sind gleichrangig.
  • Das Finanzamt darf aus Gründen der Verfahrensökonomie das Vergleichsfaktorverfahren anwenden.
  • Die Nutzung eines Immobilienpreiskalkulators (z. B. BORIS NRW) mit den veröffentlichten Umrechnungskoeffizienten ist zulässig.
  • Voraussetzung ist die vollständige Dokumentation der Berechnung.

📉 Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes (§ 198 BewG)

Ein Steuerpflichtiger kann durch ein qualifiziertes Gutachten einen niedrigeren Wert nachweisen. Dabei gelten folgende Anforderungen:

  • Für Stichtage nach dem 22.07.2021 ist hierzu das Gutachten eines nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Sachverständigen oder eines Gutachterausschusses erforderlich.
  • Das Gutachten muss vollständig nachvollziehbar und objektspezifisch begründet sein.

📌 Fazit

✅ Das Vergleichsfaktorverfahren ist ein vollwertiges und häufig verwendetes Verfahren der steuerlichen Grundstücksbewertung.

✅ Die Anwendung der Umrechnungskoeffizienten muss nachvollziehbar und rechnerisch korrekt erfolgen.

✅ Das Finanzamt darf das Verfahren frei wählen – maßgeblich ist jedoch, welches Verfahren zu einem günstigeren Ergebnis für den Steuerpflichtigen führt.

✅ Liegen die Vergleichsfaktoren vor, ist der Rückgriff auf das Sachwertverfahren ausgeschlossen (§ 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG).

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