Nießbrauch: Steuern sparen mit Genuss. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Mit Nießbrauch Steuern sparen in Beispielen
Willy Brandt machte 1974 den Vermögenden im Lande einen Strich durch die Rechnung. Er nahm ihnen ein Steuersparmodell, das derzeit infolge der neuen Erbschaftsteuer wieder hochaktuell ist. Brandt untersagte, es bei einer Hausübergabe an die Kinder den Wert eines für die Eltern vorbehaltenen Nutzungsrechts vom Hauswert abzuziehen. Dieses Abzugsverbot war kombiniert mit einer teilweisen Stundung der Steuer, die abgelöst werden konnte. Gleiches galt bei einer Übergabe an Familienfremde, wenn sich der Übergeber für sich oder seinen Ehegatten die Nutzung der Immobilie (Nießbrauch, Wohnungsrecht) vorbehielt. Brandts Vorgehen war verständlich, wurde damals doch der Hauswert mit dem 1,4 fachen Einheitswert angesetzt, der sehr niedrig war; der abziehbare Nießbrauch hingegen kam mit dem wirklichen Wert in Ansatz, so dass man die Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer auf Null und darunter herunterrechnen konnte. Nachdem seit 1.1.2009 Immobilien mit dem Verkehrswert angesetzt werden, kann man auch wieder den vollen Nießbrauchwert abziehen. Allerdings ist der Wert des Jahresnießbrauchs auf den 18,6ten Teil des Verkehrswerts der Immobilie gedeckelt. Das eröffnet neue Steuersparmodelle, bei denen man als Nießbraucher die zu übergebende Immobilie weiterhin nutzen und genießen und dabei für die Bedachten Schenkungsteuer sparen kann. Die Erbschaftsteuer hat die Brandt’sche Ampel von rot auf grün geschaltet: die Nießbrauchlast ist jetzt wieder vom Immobilienwert abziehbar. Das kann innerhalb der Kernfamilie zu immensen Einsparungen, bei ferneren Verwandten oder Familienfremden aber auch zur Mehrbelastung führen, so dass jeder Einzelfall geprüft werden muss.
Hier ein negativer und ein positiver Belastungsvergleich zwischen altem und neuem Recht, die der Fachanwalt für Erbrecht Gerhard Ruby aus Villingen-Schwenningen erstellt hat:
Beispiel 1:
Onkel A möchte ein bebautes Grundstück mit einem Verkehrswert von 400 000 EUR und einem Steuerwert (nach altem Recht) von 300 000 EUR an seine Nichte N übertragen. A ist 60 Jahre alt. Der Vervielfältiger für die Kapitalisierung des Nießbrauchs beträgt 10,448, der Ablösefaktor gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 0,402.
Schenkungsteuer nach altem Recht:
Erwerb
300 000 EUR
abzgl. Freibetrag StKl. II
10 300 EUR
steuerpflichtiger Erwerb
289 700 EUR
Steuersatz 22 %, Steuer
63 734 EUR
Von diesen 63.734 Euro war zwingend nur der Anteil sofort zu zahlen, der auf den Hauswert abzüglich der Nießbrauchlast samt Freibetrag entfiel, also
Erwerb
300 000 EUR
abzgl. Nießbrauchslast (300 000 EUR ./. 18,6 = 16 130 x 10,448)
168 526 EUR
abzgl. Freibetrag StKl. II
10 300 EUR
steuerpflichtiger Erwerb
121 000 EUR
Steuersatz 17 %, Steuer
20 638 EUR
Zu stunden war der Differenzbetrag von 63.734 ./. 20.638 = 43 096 EUR. Dieser Betrag konnte auf Antrag aber abgelöst
werden mit 0,402 x 43.096 Euro, so dass sich derAblösebetrag auf 17 324 EUR belief.
Insgesamt waren somit bei Antrag auf Ablösung (20.638 + 17.324) zu zahlen
37.962 EUR
Schenkungstgeuer nach neuem Recht:
Erwerb
400 000 EUR
abzgl. Nießbrauchslast (400 000 EUR ./. 18,6 = 21 506 x 10,448)
224 694 EUR
abzgl. Freibetrag StKl. II
20 000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb
155 300 EUR
Steuersatz 30 %, Steuer
46 590 EUR
Das neue Recht führt zu einer Mehrbelastung i. H. von
8 628 EUR
Beispiel 2:
A überträgt an seine Tochter T, sonst gleicher Sachverhalt.
Schenkungsteuer nach altem Recht:
Erwerb
300 000 EUR
abzgl. Freibetrag StKl. I
205 000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb
95 000 EUR
Steuersatz 11 %, Steuer
10 450 EUR
Ermittlung des Stundungs- und Ablösebetrags:
Erwerb
300 000 EUR
abzgl. Nießbrauchslast (300 000 EUR ./. 18,6 = 16 130 x 10,448)
168 526 EUR
abzgl. Freibetrag StKl. I
205 000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb
0 EUR
Steuersatz 0 %, Steuer
0 EUR
Zinslos zu stunden sind auf Antrag 10 450 EUR,
die erst beim Ableben des A zu zahlen sind.
Wurde ein Antrag auf Ablösung gestellt belief sich die Steuer auf 4 200 EUR.
Schenkungsteuer nach neuem Recht:
Erwerb
400 000 EUR
abzgl. Nießbrauchslast (400 000 EUR ./. 18,6 = 21 506 x 10,448)
224 694 EUR
abzgl. Freibetrag StKl. I
400 000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb
0 EUR
Steuersatz 0 %, Steuer
0 EUR
Nach dem neuen Recht fällt nicht nur keine Steuer an, sondern der Vater könnte noch weitere 175.306 EUR steuerfrei an die Tochter schenken, ohne dass hierfür Schenkungsteuer anfiele, da der Freibetrag in dieser Höhe noch nicht verbraucht ist.