💡 Pflichtteilsrecht & Schulden:

Was passiert mit dem Pflichtteil bei Gläubigern, Insolvenz und Sozialhilfe?


🧑‍⚖️ 1. Kann ein Gläubiger mich zwingen, den Pflichtteil einzufordern?

Nein. Du hast das Recht, selbst zu entscheiden, ob du deinen Pflichtteil geltend machst.
Das nennt man „negative Erbfreiheit“, 852 Abs. 1 ZPO

§ 852 Abs. 1 ZPO:
Der Pflichtteilsanspruch ist der Pfändung nur unterworfen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist.

📌 Wichtig:
Auch wenn du Schulden hast, kann dein Gläubiger dich nicht verklagen, damit du den Pflichtteil verlangst.
➡️ Untätigkeit schützt – du musst nichts tun.


💼 2. Wie ist das bei einer Privat- oder Regelinsolvenz?

🧩 Pflichtteil = Teil der Insolvenzmasse?

Ja, aber mit Einschränkung:
Der Pflichtteilsanspruch gehört dem Grunde nach zur Insolvenzmasse, aber:

🚫 Der Insolvenzverwalter kann dich nicht zwingen, ihn geltend zu machen.

📌 Du darfst sogar einen Verzicht oder Erlassvertrag schließen, solange du es freiwillig machst.


⏳ 3. Was gilt in der Wohlverhaltensphase (vor Restschuldbefreiung)?

🟢 Keine Pflicht zur Geltendmachung!

Du musst den Pflichtteil nicht verlangen – auch wenn er dir zusteht.

📤 Falls du ihn geltend machst, musst du aber die Hälfte abgeben; die andere Hälfte darfst Du behalten.

§ 295 InsO Obliegenheiten des Schuldners
Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist

Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes … an den Treuhänder herauszugeben; …

🔒 Solange Du keinen Pflichtteil verlangst, musst du auch nichts abgeben.


⚖️ 4. Nach der Restschuldbefreiung: Was passiert dann?

Wenn du nachträglich den Pflichtteil beanspruchst (z. B. nach dem Schlusstermin), dann:

📌 Muss er ggf. nachträglich verteilt werden – also doch noch in die Insolvenzmasse.
➡️ Das nennt man Nachtragsverteilung.


💰 5. Und wenn ich Sozialhilfe oder Bürgergeld bekomme?

🔁 Pflichtteilsanspruch wird automatisch auf den Leistungsträger übertragen!

  • Bei Bürgergeld: automatisch (§ 33 SGB II)
  • Bei Sozialhilfe: durch Verwaltungsakt (§ 93 SGB XII)

👉 Der Träger kann den Anspruch selbst geltend machen – sogar auch gegen deinen Willen.


🚫 6. Was funktioniert nicht mehr?

Erlassverträge oder „Nichtgeltendmachung“

Wenn der Anspruch bereits übertragen wurde, sind Erlassverträge unwirksam.
Auch „Ich fordere einfach nichts“ schützt nicht mehr, sobald das Amt den Anspruch übernommen hat.


🧠 7. Was zählt beim Sozialamt als „Vermögen“?

  • Pflichtteilsanspruch = Vermögen, sobald du ihn bekommst – nicht Einkommen
  • Du musst ihn ggf. zur Finanzierung deines Lebensunterhalts einsetzen
  • Es gelten aber Freibeträge:
🎯 Leistungsart💸 Freibetrag
Sozialhilfe (§ 90 SGB XII)10.000 €
Bürgergeld (§ 12 SGB II)15.000 € je Person (bzw. mehr)
SGB IX (Reha-Leistungen)67.410 € (Stand 2025)

🛡️ 8. Pflichtteil als unbillige Härte

In bestimmten Härtefällen, z. B.:

  1. 💔 Familienfrieden wird durch Geltendmachung massiv gestört
  2. 🧑‍🦽 Erbe hat den pflichteilsberechtigten Sozialleistungsempfänger jahrelang gepflegt, und hat somit höhere Sozialleistungen vermieden; wenn der Erbe jetzt Pflichteilansprüche dan Sozialleistungsbezieher zahlen müsste, wäre das grob unbillig
  3. 🏠 Der Erbe müsste das eigene Haus verkaufen, um den Pflichtteil zu erfüllen

➡️ In solchen Fällen kann das Amt auf die Verwertung verzichten.


🔐 9. Was hilft vorbeugend?

Ein verzicht auf den Pflichtteil, am besten notariell vereinbart, schützt vor:

  • Rückgriffen des Amts
  • Enterbungsklauseln im Testament
  • Streit mit Geschwistern

📘 Besonders sinnvoll bei Behindertentestamenten oder Schenkungen an Enkel, um keine Rückforderung an den Sozialhilfeempfänger auszulösen.

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