Verdeckte Teilklage im Pflichtteilsprozess
Einleitung
In der Praxis der Pflichtteilsprozesse begegnet man immer wieder einer klageartenspezifischen Schwierigkeit: der verdeckten Teilklage. Diese ist in rechtlicher wie prozesstaktischer Hinsicht ein heikles Terrain. Wer hier nicht klar differenziert, riskiert schwerwiegende Folgen bis hin zur Unzulässigkeit der Klage. Besonders prekär wird es, wenn ordentlicher Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsergänzungsanspruch vermischt werden, ohne dies kenntlich zu machen oder die Herleitung zu strukturieren.
1. Was ist eine Teilklage?
Eine Teilklage liegt vor, wenn ein Gläubiger bewusst nur einen Teilbetrag eines größeren Gesamtanspruchs einklagt. Klassisch ist dies bei Zahlungsansprüchen der Fall: Statt der vollen Forderung von z.B. 1 Mio. Euro werden nur 500.000 Euro geltend gemacht. Die restliche Forderung bleibt „stehen“ und kann später noch verfolgt werden.
2. Verdeckte Teilklage: die täuschende Unsichtbare
Eine verdeckte Teilklage liegt vor, wenn die Klage äußerlich wie eine Gesamtklage erscheint, tatsächlich aber nur auf einen Teil des Gesamtanspruchs gestützt ist. Dies kann durch eine unstimmige oder unvollständige Berechnungsweise, durch unklare Zuordnung von Nachlasswerten zu Anspruchsarten oder durch mangelnde Bestimmtheit im Klageantrag geschehen. Besonders risikoreich ist dies im Pflichtteilsrecht, wo Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche prozessual selbständig sind (vgl. BGH, NJW 1998, 3117).
3. Anforderungen an die Bestimmtheit der Teilklage
Der Klageantrag muss klar erkennen lassen:
- Dass es sich um eine Teilklage handelt,
- welchen Anteil des Gesamtanspruchs sie umfasst,
- aus welchem rechtlichen Anspruch der eingeklagte Teil hergeleitet wird,
- wie sich dieser Teilbetrag berechnet.
Bei Geltendmachung von Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung müssen diese strikt getrennt werden. Jede Anspruchsart muss ihre eigene Berechnungsgrundlage erhalten. Andernfalls riskiert man, dass das Gericht die Klage wegen Unbestimmtheit als unzulässig abweist.
4. Keine Vorteile ohne Not: Warum Teilklagen im Pflichtteilsprozess riskant sind
- Keine Verjährungsschutz-Funktion, wenn bereits alle Forderungen verjährt sind
- Keine Taktikvorteile, wenn der Gegner ohnehin umfassend streitet
- Hohes Risiko der Unzulässigkeit, wenn Berechnungsreihenfolge unklar oder widersprüchlich ist
- Mehrarbeit für das Gericht: Die Unklarheit erzeugt Unsicherheit und lässt die Klage instabil erscheinen
5. Ausweg: Klarstellung und Umstellung auf Gesamtklage
Falls Zweifel an der Einordnung bestehen oder das Gericht von einer verdeckten Teilklage ausgehen könnte, ist eine ausdrückliche Klarstellung hilfreich. Beispielsweise:
„Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht von einer verdeckten Teilklage ausgeht, stelle ich klar, dass vorrangig der gesamte ordentliche Pflichtteil aus den Nachlasspositionen in der Reihenfolge vom höchsten zum niedrigsten Wert geltend gemacht wird. Nachrangig erfolgt die Geltendmachung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs aus § 2325 BGB, ebenfalls in absteigender Reihenfolge der Werte.“
Eine Umstellung auf die Gesamtklage ist bis zur letzten mündlichen Verhandlung möglich. Eine Umstellung ist keine Klageänderung i.S.d. § 263 ZPO, sondern eine Klarstellung oder Beschränkung im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO.
6. Praxistipp: Nachlasspositionen vom werthaltigsten bis zum billigsten?
Die Auflistung der Nachlasswerte in absteigender Wertigkeit – also vom höchsten bis zum niedrigsten Wert – ist:
- nicht zwingend notwendig, wenn es sich um eine Gesamtklage handelt;
- aber sinnvoll, wenn ordentlicher Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung kombiniert geltend gemacht werden;
- zulässig, solange daraus keine intransparente Staffelung von Teilansprüchen entsteht;
- unzulässig nur dann, wenn durch die Reihenfolge der Eindruck einer Mischberechnung oder unklaren Anspruchszuordnung entsteht.
Fazit: Wer die Werte explizit vom höchsten bis zum niedrigsten aufführt, sorgt für Transparenz und entzieht sich dem Verdacht, verdeckt nur einzelne Ansprüche geltend zu machen. Gleichzeitig wird das Gericht entlastet, weil es die Berechnung logisch nachvollziehen kann.
Fazit: Mehr Mut zur Klarheit
Die Teilklage kann im Pflichtteilsprozess sinnvoll sein, muss aber strategisch klug begründet und glasklar formuliert werden. Wer unbedacht mit der Teilklage hantiert, riskiert formale Klageabweisung und erhebliche Prozessverzögerung. Besser ist in vielen Fällen die klare Gesamtklage mit transparenter Anspruchszuordnung. Im Zweifel ist weniger Taktik und mehr juristische Sauberkeit der bessere Weg zum Erfolg.