🧠 Begriff des „Verhandelns“ i.S.v. § 203 BGB

Gemäß § 203 BGB wird die Verjährung gehemmt, wenn zwischen Schuldner und Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder über die diesen begründenden Umstände „schweben“.

Verhandeln bedeutet: Ein wechselseitiger Meinungsaustausch (besser: Erörterung) – ausdrücklich oder konkludent – mit erkennbarem inhaltlichen Bezug zum Anspruch oder zu den anspruchsbegründenden Tatsachen.

📌 Wichtig:

  • 🟢 Keine Vergleichsbereitschaft erforderlich
  • 🟢 Kein Anerkenntnis nötig
  • 🔴 Einseitige Geltendmachung genügt nicht
  • 🔴 Schweigen ist keine Verhandlung
  • 🟢 Konkludentes Verhalten (z. B. Prüfung der geltend gemachten Umstände) kann genügen

⚖️ Gilt das auch für Pflichtteilsansprüche nach § 2303 BGB?

Ja – aber nur unter Beachtung der pflichtteilsrechtlichen Struktur.

⚙️ Tatbestandsmerkmale des Pflichtteilsanspruchs:

  • Eintritt des Erbfalls
  • Enterbung des Pflichtteilsberechtigten
  • Bewertung des Nachlasses, insbesondere durch:
    • Auskunft über den Bestand (§ 2314 BGB)
    • ggf. Wertermittlung (z. B. durch Sachverständige)

🔍 Reicht das Verhandeln über den Auskunftsanspruch zur Hemmung des Zahlungsanspruchs?

📚 § 203 BGB verlangt:

Verhandlungen über den Anspruch selbst oder über die diesen begründenden Umstände.

🧮 Pflichtteilsrechtlich gilt:

Wird nur über die Auskunft verhandelt (z. B. Umfang, Vollständigkeit, Verkehrswerte), so kann dies auch die Verjährung des Zahlungsanspruchs hemmen, wenn:

  • der Lebenssachverhalt des Pflichtteilsanspruchs zentraler Gegenstand der Erörterung ist,
  • und der Schuldner sich inhaltlich auf die Nachlassbewertung einlässt,
  • sodass für den objektiven Beobachter erkennbar ist, dass es letztlich um den Pflichtteilsanspruch geht.

✅ Ein solcher Zusammenhang kann durch Äußerungen zum Nachlasswert, zur Pflichtteilsquote oder zur Berechnungshöhe deutlich werden.

❌ Aber: Keine Hemmung bei „Thementrennung“

Wenn:

  • bewusst nur über Auskunft gesprochen wird,
  • der Zahlungsanspruch nicht thematisiert wird,
  • und auch nicht konkludent (z. B. durch Hinweise auf Pflichtteilsberechnung) angesprochen wird,

➡ dann fehlt es am notwendigen inhaltlichen Bezug zum Zahlungsanspruch.


🔇 Schweigen ≠ Verhandeln

Schweigen hat im deutschen Recht grundsätzlich keinen Erklärungswert.

  • ❌ Wenn der Schuldner nicht auf das Zahlungsbegehren reagiert, liegt keine Verhandlung i.S.v. § 203 BGB vor.
  • ❌ Auch ein Vertrauen des Gläubigers auf eine stillschweigende Bereitschaft ist nicht schutzwürdig.
  • 📬 Der Gläubiger hat zumutbare Mittel zur Verfügung (z. B. Mahnbescheid, Klage).

🚫 Keine Hemmung in diesen Sonderfällen:

📄 Abhängigkeit vom Ausschlagungsverhalten

§ 2332 Abs. 2 BGB: „Die Verjährung wird nicht dadurch gehemmt, dass der Anspruch erst durch Ausschlagung entsteht.“

➡ Eine Hemmung tritt nicht ein, wenn der Pflichtteilsberechtigte seine Ausschlagung noch nicht erklärt hat oder diese abwägt.

🧲 Bloße Auskunftsklage

OLG Düsseldorf, FamRZ 1999, 1097: Die isolierte Erhebung einer Auskunftsklage hemmt die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung des Pflichtteils nicht.

➡ Eine isolierte Auskunftsklage hemmt nicht die Verjährung des Pflichtteilszahlungsanspruchs.


🏁 Fazit für die anwaltliche Praxis

✅ Hemmung der Verjährung nach § 203 BGB setzt voraus:

  • einen Dialog über den Zahlungsanspruch oder die diesen begründenden Umstände,
  • einen sachlichen Bezug zum Anspruch,
  • und tatsächliche Gesprächsbereitschaft beider Seiten.

🚫 Keine Hemmung bei:

  • bloßem Schweigen des Schuldners
  • isoliertem Auskunftsverfahren
  • Abwarten einer Ausschlagung
  • einseitiger Zahlungsaufforderung ohne Reaktion

📌 Praxis-Tipp: Wenn der Schuldner nicht reagiert, sollte der Gläubiger:

  • 🛑 nicht auf Hemmung vertrauen, sondern
  • 📬 gerichtliche Schritte einleiten zur Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB:
    • Klage
    • Mahnbescheid
    • sonstige gerichtliche Geltendmachung

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