🧭 § 1978 BGB – Wann gilt die Vorschrift überhaupt?
Die besondere Haftung nach § 1978 BGB greift nicht immer. Sie setzt klare Voraussetzungen voraus und gilt nur in bestimmten Konstellationen. Wir zeigen, wann § 1978 Anwendung findet – und wann nicht:
🔹 1. Direkte Anwendung: Nur bei angeordneter Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz
Damit § 1978 BGB überhaupt direkt gilt, muss entweder:
- die Nachlassverwaltung angeordnet oder
- das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet sein.
Aber aufgepasst: Es geht nur um Handlungen des Erben, die nach dem Erbfall und vor der Anordnung des Verfahrens erfolgt sind.
🕰️ Was ist mit Handlungen vor dem Erbfall?
➡ Keine Anwendung von § 1978 BGB!
Hier haftet der spätere Erbe nur nach allgemeinem Recht, etwa aus:
- Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB)
- Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB)
- Auftragsrecht (§§ 662 ff. BGB)
In dieser Zeit handelt der Erbe nicht im Namen des Nachlasses, sondern – wenn überhaupt – für den Erblasser.
⚖️ Was ist mit Handlungen nach Verfahrenseröffnung?
➡ Auch hier gilt § 1978 nicht mehr!
Denn mit Eröffnung der Nachlassinsolvenz oder Anordnung der Verwaltung verliert der Erbe seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis.
✅ Handelt er trotzdem, haftet er nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln (z. B. unberechtigte Verfügung, § 687 Abs. 2 BGB).
🔹 2. Entsprechende Anwendung: Bei Dürftigkeit und Unzulänglichkeit
§ 1978 gilt entsprechend über § 1991 Abs. 1, wenn:
- der Erbe sich auf die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB) oder
- auf die Unzulänglichkeitseinrede (§ 1992 BGB) beruft.
➡ Dann wird der Erbe wie ein „faktischer Verwalter“ behandelt, auch wenn kein förmliches Verfahren angeordnet wurde.
🚫 3. Wann gilt § 1978 BGB nicht?
a) ❌ Gegenüber ausgeschlossenen Gläubigern
- Gläubiger, die im Aufgebotsverfahren (§§ 1973, 1974) ausgeschlossen wurden
- Gläubiger nach § 1989 BGB (Ausschluss wegen Untätigkeit)
➡ Ihnen gegenüber haftet der Erbe nur noch nach Bereicherungsrecht, nicht nach § 1978.
💡 Praxistipp: Wenn solche Gläubiger dennoch Zwangsvollstreckung betreiben, kann der Erbe über §§ 785, 767 ZPO vorgehen – und sich auf die beschränkte Haftung berufen.
b) ❌ Bei unbeschränkter Haftung
Wenn der Erbe nicht beschränkt haftet (z. B. weil er die Erbschaft vorbehaltlos annimmt und keine Verfahren einleitet), gilt § 1978 nicht. Warum?
- § 1978 setzt die Möglichkeit voraus, die Haftung zu begrenzen
- Ist das ausgeschlossen, wäre die Anwendung sinnlos
⚠️ Ausnahme: Bei mehreren Erben, die unterschiedlich haften, kann § 1978 für einzelne Miterben weiter gelten (§ 2013 Abs. 2 BGB).
💡 Was der Erbe bei unbeschränkter Haftung nicht kann:
❌ | Kein Aufwendungsersatz aus § 1978 Abs. 3 |
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❌ | Keine Verlagerung von Kosten auf den Nachlass |
❌ | Keine Rückgriffe bei Fehlern anderer |
➡ Einziger „Trost“: Der Nachlassverwalter kann dennoch Ansprüche gegen den Erben geltend machen, auch wenn dieser unbeschränkt haftet.
🧾 Fazit: Prüfen Sie immer zuerst die Voraussetzungen!
Voraussetzung | Gilt § 1978 BGB? |
---|---|
Nachlassverwaltung oder -insolvenz angeordnet | ✅ Ja, bei vorherigen Handlungen |
Dürftigkeitseinrede erhoben (§ 1990) | ✅ Ja, über § 1991 BGB |
Ausschlussgläubiger (§§ 1973 ff.) | ❌ Nein |
Unbeschränkte Haftung (§ 2013 Abs. 1) | ❌ Nein |
Miterbengemeinschaft mit differenzierter Haftung | 🔄 Teilweise möglich |