Keine Kürzung des Vermächtnisses wegen Verletzung des Erben im Pflichtteil

§ 2318 BGB Pflichtteilslast bei Vermächtnissen und Auflagen
(1) Der Erbe kann die Erfüllung eines ihm auferlegten Vermächtnisses soweit verweigern, dass die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig getragen wird. Das Gleiche gilt von einer Auflage.
(2) Einem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer gegenüber ist die Kürzung nur soweit zulässig, dass ihm der Pflichtteil verbleibt.
(3) Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, so kann er wegen der Pflichtteilslast das Vermächtnis und die Auflage soweit kürzen, dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt.

Kammergericht, III. ZS. Urteil vom 16. Oktober 1906 = OLGZ 14, 308 f.

Die Berufung des Beklagten auf § 2318 BGB beruht jedoch auf einer missverständlichen Auslegung dieser Vorschrift. Letztere regelt nämlich lediglich die Frage, ob und inwieweit der Erbe die ihm Dritten gegenüber obliegende Pflichtteilslast auf die Vermächtnisnehmer abwälzen darf. Die Verteilung der Pflichtteilslast zwischen dem Erben und dem Vermächtnisnehmer wird in dem Abs. 3 der angezogenen Bestimmung einer besonderen Regelung für den Fall unterworfen, dass der die Pflichtteilslast tragende Erbe zugleich selbst pflichtteilsberechtigt ist. Das Gesetz bringt hierbei die Worte „wegen der Pflichtteilslast“ deutlich zum Ausdruck, dass der Erbe behufs Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs eines Dritten sich nicht seinen eigenen Pflichtteil schmälern lassen braucht, vielmehr zu dem gedachten Zwecke, das Vermächtnis, ohne seinen Pflichtteil anzugreifen, kürzen kann. Der Betrag der aus dem fremden Pflichtteil entspringenden Pflichtteilslast ist der Höchstbetrag, bis zu dem sich die Kürzung des Vermächntnisses erstrecken darf. Dagegen besagt die Vorschrift nicht, daß ein Erbe, der die Pflichtteilslast Dritten gegenüber nicht zu tragen hat, ein Vermächtnis zu dem Zwecke, die Verletzung seines eigenen Pflichtteils zu vermeiden, kürzen dürfe. Vielmehr kann sich der Erbe gegen die Beeinträchtigung seines eigenen Pflichtteils durch die Auferlegung von Vermächtnissen nur nach Maßgabe des § 2306 BGB schützen (vgl. Planck, Anm. 4 zu § 2318 BGB.; Staudinger Anm. 3,; Küntzel bei Gruchot 451 S. 613 ff.).

Da die Beklagte die Alleinerbin des Erblassers ist, so kann sie nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB. ihr Pflichtteilsrecht nur zur Geltung bringen, wenn sie den ihr hinterlassenen Erbteil ausschlägt. Das Ausschlagungsrecht geht aber durch die Annahme der Erbschaft verloren (§ 1943 BGB). Die Annahme bedarf keiner ausdrücklichen Erklärung. Sie ist hier durch die Stellung des Antrags auf Erteilung eines Erbscheins unzweifelhaft erklärt worden (vgl. Staudinger Anm. III 2 zu § 1943 BGB).

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