Kein Wertermittlungsanspruch für Pflichtteilsberechtigte ohne Nachweis einer Schenkung – einfach erklärt

Was ist der Wertermittlungsanspruch?

Pflichtteilsberechtigte haben nach dem Tod eines Erblassers Anspruch auf Informationen über den Nachlass. Neben dem Auskunftsanspruch (§ 2314 Abs. 1 S. 1 BGB) gibt es auch den Wertermittlungsanspruch (§ 2314 Abs. 1 S. 2 BGB). Dieser erlaubt es, ein Sachverständigengutachten auf Kosten des Nachlasses zu verlangen – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen.

🔹 Wozu dient der Wertermittlungsanspruch?

Er hilft dem Pflichtteilsberechtigten, den genauen Wert der Nachlassgegenstände festzustellen, damit er seinen Anspruch beziffern kann. Bei Immobilien oder Unternehmensanteilen ist das oft nur mit einem Gutachten möglich.


Aber: Kein Anspruch ohne Nachweis der Schenkung!

Wenn der Pflichtteilsberechtigte nur vermutet, dass ein Grundstück verschenkt wurde, genügt das nicht für ein Wertgutachten auf Kosten des Nachlasses.

Beispiel: Ein Erblasser hat einem Dritten ein Grundstück zu Lebzeiten verkauft. Der enterbte Sohn vermutet, dass es eine gemischte Schenkung war und will den Wert ermitteln lassen – auf Kosten des Nachlasses.

🔞 Geht nicht! Solange nicht bewiesen ist, dass es sich um eine (teilweise) Schenkung handelt, besteht kein Wertermittlungsanspruch.


🔍 Was muss zuerst bewiesen werden?

  • Dass der überlassene Gegenstand (z. B. das Grundstück) zum fiktiven Nachlass gehört.
  • Dass es sich um eine Schenkung oder gemischte Schenkung handelte.

Nur dann darf der Pflichtteilsberechtigte ein Gutachten auf Kosten des Nachlasses verlangen.


📊 Was tun bei bloßem Verdacht?

Wenn lediglich ein Verdacht auf eine Schenkung besteht, darf der Pflichtteilsberechtigte:

  • ✉️ Auskunft nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen – der Erbe muss alle Schenkungen offenlegen.
  • ✏️ Selbst ein Gutachten in Auftrag geben (§ 242 BGB), aber auf eigene Kosten.
  • ✅ Wird die Schenkung dadurch bewiesen, kann er die Kosten zurückverlangen.

🔀 Pflichtteilsergänzungsanspruch ≠ Wertermittlungsanspruch

Auch bei einem Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) ist der Wertermittlungsanspruch nicht automatisch gegeben. Nur wenn die Schenkung feststeht, kann auf Basis von § 2314 BGB analog ein Wertgutachten verlangt werden.


💡 Wichtig zu wissen:

  • Der Wertermittlungsanspruch ist unabhängig vom Auskunftsanspruch.
  • Er dient nicht der Beweisführung, sondern nur der Bewertung bekannter Nachlassgegenstände.
  • Eine „Ausforschung“ auf Kosten des Nachlasses ist unzulässig.

💡 Praxistipp:

Wenn Sie als Pflichtteilsberechtigter einen Wertermittlungsanspruch geltend machen möchten, klären Sie zunächst, ob der betreffende Gegenstand tatsächlich geschenkt wurde. Erst wenn Sie dafür Anhaltspunkte oder Beweise haben, lohnt es sich, ein Gutachten zu verlangen – und dann auch auf Kosten des Nachlasses.

📆 Quelle: OLG Schleswig, Urteil vom 15.08.2006 – 3 U 63/05 (ZEV 2007, 277)


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