Auslegung des Testaments: Legt ihr’s nicht aus, so legt was unter
Auslegung des Testaments: Legt ihr’s nicht aus, so legt was unter
Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby
Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung erfolgt in der Weise, dass der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen ist und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist.
1. Wie erfolgt die Auslegung im Erbrecht?
1. Schritt: Zunächst versucht die einfache Auslegung (= erläuternde = unmittelbare Auslegung) den wirklichen Willen des Erblassers zu ermitteln.
2. Schritt: Ist dieser nicht feststellbar, z.B. wegen Lückenhaftigkeit, dann kommt die ergänzende Auslegung zum Zuge, die feststellen will, was der Erblasser verfügt hätte, wenn er die Lücke in seinem Testament bedacht hätte (= vermutlicher = hypothetischer Erblasserwille).
3.Schritt: Hilft auch die ergänzende Auslegung nicht weiter, dann kommen die gesetzlichen Auslegungs- und Ergänzungsregeln zum Zuge, die das BGB bereitstellt (z.B. § 2069 bis 2070 BGB).
4. Schritt: Kommen danach mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht, ist diejenige zu wählen, bei der die Verfügung Bestand hat (Grundsatz der wohlwollenden Auslegung, § 2084 BGB).
§ 2084 BGB Auslegung zugunsten der Wirksamkeit
Lässt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zu, so ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann.
5. Schritt: Eine Auslegung ist nur wirksam, wenn das Auslegungsergebnis im Testament zumindest schriftlich angedeutet ist, da sonst das Schriftformerfordernis leer liefe (sog. Andeutungstheorie).
6. Die Auslegung geht der Umdeutung nach § 140 BGB vor.
§ 140 BGB Umdeutung
Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.
7. Die Auslegung geht der Anfechtung nach §§ 2078 ff. BGB vor.
§ 2078 BGB Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung
(1) Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, soweit der Erblasser über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte und anzunehmen ist, dass er die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben haben würde.
(2) Das Gleiche gilt, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist.
(3) Die Vorschrift des § 122 findet keine Anwendung.