Erbschaftsbesitzer: Der falsche Erbe. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Erbschaftsbesitzer: Der falsche Erbe
Erbschaftsbesitzer ist eine Person, die den Nachlass in Besitz hat und sich dabei auf ein Erbrecht beruft, das sie in Wirklichkeit gar nicht hat. Der Erbschaftsbesitzer hat den Erben Auskunft über den Bestand der Erbschaft und über den Verbleib der Nachlassgegenstände zu erteilen.
1. Wie haftet ein gutgläubiger Erbschaftsbesitzer für die Nutzungen und Früchte?
Gutgläubiger Erbschaftsbesitzer ist jemand, der die Erbschaft in gutem Glauben besitzt, Erbe zu sein (z.B. aufgrund eines falschen Erbscheins, der ihn zu Unrecht als Alleinerbe ausweist), obwohl er in Wahrheit gar nicht Erbe ist.
Er muss die aus der Erbschaft gezogenen Nutzungen herausgeben (z.B. Zinsen aus Geldanlagen) auch die Früchte, an denen er Eigentum erworben hat
§ 2020 BGB Nutzungen und Früchte
Der Erbschaftsbesitzer hat dem Erben die gezogenen Nutzungen herauszugeben; die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auch auf Früchte, an denen er das Eigentum erworben hat.
Die verbrauchten Früchte muss er nur nach den Grundsätzen über die ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben.
§ 2021 BGB Herausgabepflicht nach Bereicherungsgrundsätzen
Soweit der Erbschaftsbesitzer zur Herausgabe außerstande ist, bestimmt sich seine Verpflichtung nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung.
Der gutgläubige Erbschaftsbesitzer kann sich also, da er nur nach Bereicherungsrecht haftet, auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs 3 BGB berufen.
§ 818 BGB Umfang des Bereicherungsanspruchs
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
Schließlich kann der gutgläubige Erbschaftsbesitzer Ersatz aller Verwendungen verlangen, die er auf die Erbschaft gemacht hat:
§ 2022 BGB Ersatz von Verwendungen und Aufwendungen
(1) Der Erbschaftsbesitzer ist zur Herausgabe der zur Erbschaft gehörenden Sachen nur gegen Ersatz aller Verwendungen verpflichtet, soweit nicht die Verwendungen durch Anrechnung auf die nach § 2021 herauszugebende Bereicherung gedeckt werden. Die für den Eigentumsanspruch geltenden Vorschriften der §§ 1000 bis 1003 finden Anwendung.
(2) Zu den Verwendungen gehören auch die Aufwendungen, die der Erbschaftsbesitzer zur Bestreitung von Lasten der Erbschaft oder zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten macht.
(3) Soweit der Erbe für Aufwendungen, die nicht auf einzelne Sachen gemacht worden sind, insbesondere für die im Absatz 2 bezeichneten Aufwendungen, nach den allgemeinen Vorschriften in weiterem Umfang Ersatz zu leisten hat, bleibt der Anspruch des Erbschaftsbesitzers unberührt.
2. Wie haftet der bösgläubige Erbschaftsbesitzer?
Der Erbschaftsbesitzer ist bösgläubig, wenn er bei Beginn des Erbschaftsbesitzes weiß, dass er in Wirklichkeit nicht der Erbe ist oder dies jedenfalls hätte erkennen müssen. Der bösgläubige Erbschaftsbesitzer haftet nach § 2024 BGB wie der gutgläubige Erbschaftsbesitzer (§ 2023 BGB) nach Eintritt der Rechtshängigkeit.
§ 2024 BGB Haftung bei Kenntnis
Ist der Erbschaftsbesitzer bei dem Beginn des Erbschaftsbesitzes nicht in gutem Glauben, so haftet er so, wie wenn der Anspruch des Erben zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre. Erfährt der Erbschaftsbesitzer später, dass er nicht Erbe ist, so haftet er in gleicher Weise von der Erlangung der Kenntnis an. Eine weitergehende Haftung wegen Verzugs bleibt unberührt.§ 2023 BGB Haftung bei Rechtshängigkeit, Nutzungen und Verwendungen
(1) Hat der Erbschaftsbesitzer zur Erbschaft gehörende Sachen herauszugeben, so bestimmt sich von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an der Anspruch des Erben auf Schadensersatz wegen Verschlechterung, Untergangs oder einer aus einem anderen Grund eintretenden Unmöglichkeit der Herausgabe nach den Vorschriften, die für das Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer von dem Eintritt der Rechtshängigkeit des Eigentumsanspruchs an gelten.
(2) Das Gleiche gilt von dem Anspruch des Erben auf Herausgabe oder Vergütung von Nutzungen und von dem Anspruch des Erbschaftsbesitzers auf Ersatz von Verwendungen.
Er haftet also nach den Vorschriften über die Rechtsstellung des bösgläubigen Sachbesitzers gemäß §§ 987, 989, 992, 994 BGB.
Der bösgläubige Erbschaftsbesitzer haftet also für alle Schäden, die dadurch entstehen, dass infolge seines Verschuldens Erbschaftssachen verschlechtert werden, untergehen oder aus anderen Gründen nicht herausgegeben werden können. Die Haftungsverschärfung gilt auch für den Anspruch des Erben auf Herausgabe oder Vergütung von Nutzungen. Der bösgläubige Erbschaftsbesitzer haftet auch für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen. Für Gebrauchsvorteile muss er dem Erben in Höhe des objektiven Werts der Vorteile Ersatz leisten.