Erbschaftsteuer: Freistellungsbescheid anfordern. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Nach dem Erbschaftsteuergesetz ist jeder der Erbschaft- bzw. der Schenkungsteuer unterliegende Erwerb dem zuständigen Erbschaftsteuerfinanzamt anzuzeigen.
§ 30 ErbStG Anzeige des Erwerbs
(1) Jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb (§ 1) ist vom Erwerber … binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall oder von dem Eintritt der Verpflichtung dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen.
(2) Erfolgt der steuerpflichtige Erwerb durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, ist zur Anzeige auch derjenige verpflichtet, aus dessen Vermögen der Erwerb stammt.
(3) Einer Anzeige bedarf es nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt; das gilt nicht, wenn zum Erwerb Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 unterliegen, oder Auslandsvermögen gehört. Einer Anzeige bedarf es auch nicht, wenn eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung gerichtlich oder notariell beurkundet ist.
Keine Anzeigepflicht besteht also bei einer vom Nachlassgericht eröffneten Verfügung von Todes wegen. Hier teilt das Nachlassgericht der Erbschaftsteuerstelle des Finanzamts das Testament und auch den bekannten Nachlass mit. Bei einer vom Notar beurkundeten Schenkung teilt der Notar die Schenkungskurkunde der Schenkungssteuerstelle des Finanzamts mit.
Nach Eingang dieser Informationen, sei es die Mitteilung des Notars oder Nachlassgerichts oder die Anzeige des Erben, Beschenkten oder Schenkers prüft das Erbschaft- und Schenkungssteuerfinanzamt, ob für den angezeigten Erwerb eine Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer anfallen könnte. Kommt eine Steuerpflicht in Betracht, fordert das Finanzamt einen der am Besteuerungsverfahren Beteiligten zur Abgabe einer Erbschaft- bzw. Schenkungssteuererklärung auf.
Soweit das Finanzamt der Auffassung ist, dass der angezeigte Erwerb steuerfrei bleibt, erhält der Erwerber bzw. der Anzeigeerstatter in der Regel keine Rückmeldung in Form eines
Freistellungsbescheides oder dergleichen.
Letzteres kann für den Erben oder Beschenkten zum Problem werden. Er weiß nicht sicher, ob sein Erwerb wirklich steuerfrei ist. Das Gleiche Problem hat der Testamentsvollstrecker. Dieser haftet nämlich neben den Erben mit seinem persönlichen Vermögen für die Erbschaftsteuerschuld. Überträgt er z.B. eine Immobilie an einen Vermächtnisnehmer und kann der Vermächtnisnehmer dann die Erbschaftsteuer nicht zahlen, wendet sich das Finanzamt an den Testamentsvollstrecker, der dann – sofern ihm seine Haftung nicht bewusst war – aus allen Wolken fällt.
Um hier Rechtssicherheit zu erlangen, sollten die Betroffenen (Beschenkte, Schenker, Testamentsvollstrecker) das Finanzamt um einen Freistellungsbescheid bitten. Der Freistellungsbescheid des Finanzamtes enthält die verbindliche Entscheidung, dass keine Erbschafsteuer bzw. Schenkungsteuer geschuldet wird.
Bevor hier keine Klarheit besteht, sollte z.B. ein Testamentsvollstrecker die Immobilie nicht an den Vermächtnisnehmer übertragen bzw. in einem Vermächtniserfüllungsvertrag beurkunden lassen, dass die Grundbucheintragung des Vermächtnisnehmers erst erfolgen kann, wenn die Steuerproblematik durch Zahlung der Steuerschuld oder Freistellungsbescheid geklärt ist.