Prinzip 4: Gleichlaufprinzipt – Der Gleichlauf von forum und ius
Die EuErbVO strebt einen „Gleichlauf“ von nationaler Gerichtszuständigkeit (forum) und anwendbarem nationalem Recht (ius) an. Die Zuständigkeit der Gerichte (forum) und das anzuwendende Erbrecht (ius) sollen gleich laufen. Nach Möglichkeit soll also z.B. ein spanisches Gericht über spanisches Erbrecht entscheiden und nicht über deutsches Erbrecht. Allerdings lässt sich das nicht immer erreichen.
Ziel der EuErbVO ist aber, dass die Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes des Erblassers zuständig sein sollen und grds. nur über das Aufenthaltserbrecht, also ihr nationales Erbrecht entscheiden. Hierdurch werden Entscheidungen richtiger, schneller und billiger. Die nationale Zuständigkeit folgt nach der EuErbVO also grundsätzlich dem anwendbaren nationalen Erbrecht.
Die zentrale Vorschrift hierzu ist
Artikel 4 EuErbVO Allgemeine Zuständigkeit
Artikel 4 der Europäischen Erbrechtsverordnung
Für Entscheidungen in Erbsachen sind für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Dieses Gleichlaufprinzip kann aber durchbrochen werden. Hat der Erblasser z.B. bei seinem Tod dauerhaft in Italien gelebt, für seinen Nachlass aber deutsches Erbrecht gewählt, tritt das unerwünschte Ergebnis ein, dass die italienischen Gericht deutsches Erbrecht anwenden müssen. Die Rechtswahl im Testament wird durch Art. 22 EuErbVO ermöglicht, und zwar auch für Doppelstaatler.
Artikel 22 EuErbVO Rechtswahl
Artikel 22 Absatz 1 der Europäischen Erbrechtsverordnung
(1) Eine Person kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. …
Die EuErbVO bietet aber Möglichkeiten an, das gewünschte Ergebnis des Gleichlaufs von forum und ius auch in solchen Fällen insoweit zu erreichen, dass die nationalen Gerichte des vom Erblasser gewählten nationalen Erbrechts zuständig werden.
In unserem Beispielsfall stellt sich also die Frage, wie können die deutschen Gericht zuständig werden, wenn ein Deutscher oder Doppelstaatler, der dauerhaft in Italien lebte, in seinem Testament deutsches Erbrecht gewählt hat. Es gibt nach Art. 7 EuERbVO folgende
Möglichkeiten die Zuständigkeit der Gerichte zu begründen, deren nationales Erbrecht Anwendung findet:
- Möglichkeit 1: Unzuständigkeitserklärung
des eigentlich zuständigen und als erstes angerufenen Gerichts, weil die nationalen Gerichte des gewählten nationalen Rechts für die Entscheidung kompetenter sind, Art. 7 lit a) EuErbVO - Möglichkeit 2: Gerichtsstandsvereinbarung
der Parteien, dass die Gerichte des Staates zuständig sein sollen, dessen Recht der Erblasser für seinen Nachlass gewählt hat, Art. 7 lit b) EuErbVO. Diese Gerichtsstandsvereinbarung ist nach Art. 5 EuErVO schriftlich mit Datumsangabe zu treffen und muss von allen Parteien unterzeichnet werden. Selbst wenn nicht alle Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung unterzeichnet haben, will die EuErbVO die Zuständigkeit erhalten. Lassen sich die Parteien, die die Gerichtsstandsvereinbarung nicht unterzeichnet haben, vor dem angerufenen Gericht auf die Verhandlung ein, ohne die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu rügen, bleibt dieses zuständig. Rügt eine Partei hingegen die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts, hat es sich für unzuständig zu erklären. - Möglichkeit 3: Zuständigkeitsanerkenntnis
durch die Parteien, die die Zuständigkeit eines bereits angerufenen Gerichts des Staates, dessen Erbrecht der Erblasser gewählt hat, ausdrücklich anerkennen, Art. 7 lit c) EuErbVO. - Möglichkeit 4: Vergleich
Vereinbaren die Parteien die Erbsache außergerichtlich und einvernehmlich zu regeln, und zwar in dem Staat und nach dem Recht, das der Erblasser gewählt hat, beendet das angerufene Gericht das Verfahren.