Gilt ein Testament mit herausgeschnittener Zeile? Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby
📝 Gilt ein Testament mit herausgeschnittener Zeile?
Ein echter Erbstreit – mit einem Loch in der Mitte
Ein ungewöhnlicher Fall beschäftigt das Oberlandesgericht Hamm:
Eine kinderlose Frau verfasste im Jahr 2002 eigenhändig ein Testament. Darin hieß es:
„Hiermit setze ich … meine Neffen M und C jeweils zur Hälfte zu Erben ein.“
Doch zwischen „Hiermit setze ich“ und „meine Neffen“ wurde eine ganze Zeile mit einem scharfen Werkzeug herausgeschnitten.
Das Blatt wies ein offensichtliches Loch auf – genau dort, wo ein entscheidender Teil des letzten Willens gestanden haben könnte.
🔍 Wer hat das Loch verursacht?
Laut Gericht kamen mehrere Möglichkeiten in Betracht:
-
Die Erblasserin selbst,
-
ein Dritter,
-
oder auch die Erben M und C.
Dass das Testament von Anfang an auf einem beschädigten Blatt geschrieben wurde, wurde vom Gericht ausgeschlossen.
⚖️ Was wollten die Neffen?
Die beiden Neffen beantragten beim Nachlassgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein – sie sahen sich je zur Hälfte als Erben eingesetzt.
Das Nachlassgericht gab ihnen vorläufig recht.
Doch andere Verwandte – die Betroffenen zu 3 und 4 – legten Beschwerde ein.
🧑⚖️ Entscheidung des Gerichts: Keine eindeutige Erklärung – kein Erbschein
Das Landgericht hob den Erbschein-Vorbescheid auf.
Auch die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht Hamm blieb erfolglos.
Das OLG erklärte:
Wenn sich aus einem beschädigten Testament der letzte Wille nicht sicher rekonstruieren lässt, ist das Testament unwirksam.
Das bedeutete:
Die Neffen hatten das Nachsehen – sie erbten nicht.
📌 Fazit für die Praxis
✔ Ein eigenhändiges Testament muss vollständig und klar lesbar sein.
❌ Lücken, Beschädigungen oder Manipulationen können zur Unwirksamkeit führen.
🧠 Im Zweifel entscheidet das Gericht nicht zu Gunsten der mutmaßlichen Erben, sondern verlangt einen nachweisbaren Testierwillen.
📚 Entscheidung:
OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2007 – Az. 15 W 331/06