Kündigung eines Landpachtvertrages durch Erbenmehrheit. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Kündigung eines Landpachtvertrages durch Erbenmehrheit möglich?
Frage:
Wir sind die Mehrheit der Mitglieder einer Erbengemeinschaft. Der Erblasser W hatte landwirtschaftlich genutzte Flächen verpachtet. Das Pachtverhältnis verlängert sich immer um 12 Jahre, wenn es nicht mit einer Frist von 12 Monaten zum Pachtablauf gekündigt wird. Wir haben dem Pächter eine Kündigung geschickt. Sie war von uns als Erbenmehrheit unterzeichnet und mit dem Absender „Erbengemeinschaft W.” versehen. Trotz der Kündigung gibt der Pächter die Pachtflächen nicht heraus, weil der Pachtvertrag nicht wirksam gekündigt worden sei und sich somit das Pachtverhältnis auf weitere 12 Jahre verlängert habe. Er sagt alle Miterben hätten kündigen müssen. Wer hat Recht?
Antwort:
Nach einer sehr umstrittenen Entscheidung des Landwirtschaftssenats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2006 soll die Kündigung wirksam sein.
Dazu muss man den rechtlichen Hintergrund verstehen. Es geht um die Frage, ob hier § 2038 BGB oder § 2040 BGB vorrangig anzuwenden ist:
§ 2038 BGB Gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses
(1) Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind; die zur Erhaltung notwendigen Maßregeln kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen.
(2) Die Vorschriften der §§ 743, 745, 746, 748 finden Anwendung. Die Teilung der Früchte erfolgt erst bei der Auseinandersetzung. Ist die Auseinandersetzung auf längere Zeit als ein Jahr ausgeschlossen, so kann jeder Miterbe am Schluss jedes Jahres die Teilung des Reinertrags verlangen.§ 2040 BGB Verfügung über Nachlassgegenstände, Aufrechnung
(1) Die Erben können über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen.
(2) Gegen eine zum Nachlass gehörende Forderung kann der Schuldner nicht eine ihm gegen einen einzelnen Miterben zustehende Forderung aufrechnen.
Nach § 2040 Abs. 1 BGB können die Erben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen. Eine Kündigung ist eine Verfügung.
Nach §§ 2038, 745 BGB kann eine Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung mehrheitlich beschlossen werden. Gilt der Mehrheitsbeschluss auch für die Kündigung, da ja die Kündigung ja gerade eine Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung ist?
Die eigentliche Frage ist also, ob § 2040 Abs. 1 BGB als Sondervorschrift für Verfügungen anzusehen ist, so dass solche Verfügungen von allen Miterben immer gemeinschaftlich getroffen werden müssen. Davon geht die bisher h.M. aus.
Demgegenüber wollen andere, wenn es um Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung geht, gerade umgekehrt § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB als Spezialregelung zu § 2040 BGB ansehen. Nach dieser Meinung können Verfügungen wie eine Kündigung als mehrheitlich beschlossene Verwaltungsmaßnahmen entgegen § 2040 BGB nur mehrheitlich umgesetzt werden.
Die letztere Meinung hat der BGH in 2006 zurückgewiesen. Gibt man nämlich das Einstimmigkeitserfordernis für jede einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechende Verfügung über einen Nachlassgegenstand auf, beschränkt das den Anwendungsbereich des § 2040 Abs. 1 BGB nur noch auf Fälle einer nicht ordnungsgemäßen Nachverwaltung.
Nach Auffassung des Landwirtschaftssenats können Verfügungen über einen Nachlassgegenstand als Maßnahmen ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung aber dann wirksam mit Stimmenmehrheit vorgenommen werden könnten, wenn dadurch die auf den Erhalt des Nachlassbestands gerichteten Interessen der anderen Miterben nicht beeinträchtigt würden.
Dies müsste m.E. noch um die Interessen der Nachlassgläubiger am Erhalt des Nachlassbestands ergänzt werden, weil die Erbengemeinschaft vom Gesetzgeber gerade zum Schutz der Nachlassgläubiger als Gesamthand und nicht als Bruchteilsgemeinschaft ausgestaltet wurde. Dann hat diese Auffassung des Landwirtschaftssenats m.E. durchaus einiges für sich. Allerdings ist sie dann auch nicht deutlich praktikabler als die bisher h.M., nach der bei einer Verfügung alle Miterben mitwirken müssen. Die Auffassung des Landwirtschaftssenats führt zu Rechtsunsicherheit, weil nicht klar ist, ob die auf den Erhalt des Nachlassbestands gerichteten Interessen durch die konkrete Verfügung beeinträchtigt wurden. Deshalb sollte m.E. an der bisher herrschenden Meinung festgehalten werden.
Tipp:
Lesen Sie BGH vom 28. 4. 2006, LwZR 10/05