Warum heißt das „Berliner Testament“ eigentlich so?

Berliner Testament

Warum heißt das „Berliner Testament“ eigentlich so? Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Warum heißt das „Berliner Testament“ eigentlich so?

Die Verwendung des Begriffs „Berliner Testament“ geht nicht auf den Gesetzgeber zurück.

Bis zur Schuldrechtsreform (1.2.2002) gab es im Gesetz (§ 2269 BGB) keine amtlichen Überschriften, aber die Lektoren des Beck-Verlages hatten eine in Klammern gesetzte Lektoratsüberschrift „Berliner Testament“ angefügt.

Statt „Berliner Testament“ in Klammern steht heute über dem § 2269 BGB die amtliche Bezeichnung „Gegenseitige Erbeinsetzung“, und zwar ohne Klammern:

§ 2269 BGB Gegenseitige Einsetzung

(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, durch das sie sich gegenseitig als Erben einsetzen, bestimmt, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Dritte für den gesamten Nachlass als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist.
(2) Haben die Ehegatten in einem solchen Testament ein Vermächtnis angeordnet, das nach dem Tode des Überlebenden erfüllt werden soll, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Vermächtnis dem Bedachten erst mit dem Tode des Überlebenden anfallen soll.


Für den Fall des § 2269 Abs. 1 BGB gibt es zwei Möglichkeiten. Die Anordnung „Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein. Nach dem Tod des überlebenden erben die Kinder.“ kann bedeuten:

  • Vollerbschaft des überlebenden Ehegatten (bei ihm verschmelzen sein Eigenvermögen das er schon immer hatte und das vom verstorbenen Ehegatten geerbte zu einer Einheit, daher Einheitslösung) und Schlusserbschaft der Kinder oder
  • Vorerbschaft des überlegenden Ehegatten und der zuerst verstorbene Ehegatte wird dann nach dem Tod des überlebenden Ehegatten nochmals von den Kindern als Nacherben beerbt. Daneben vererbt der überlebende Ehegatte sein Eigenvermögen das er schon immer hatte, getrennt hiervon mit seinem Tod ebenfalls an die Kinder (Trennungslösung)

Heute wird der Begriff Berliner Testament als Oberbegriff sowohl für die Einheits- als auch die Trennungslösung verwendet.

Teilweise wird auch vertreten, nur die Einheitslösung sei ein Berliner Testament (so wird der Begriff in der Praxis regelmäßig gebraucht, da die Einheitslösung in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle gewollt ist und die Zweifelsregelung im Gesetz dies so auch vorsieht. Die Lektoren des Beck-Verlags sind an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig).

Die Herkunft des Begriffs Berliner Testament ist zwar nicht gänzlich geklärt, soweit die Herkunft auf die Berliner Praxis zurückgeführt wird, ist die heutige Verwendung des Begriffes Berliner Testament jedoch unhistorisch. In der Berliner Praxis wurde nämlich nach dem vor dem BGB geltenden Preußischen Allgemeinen Landrecht vorherrschend der sog. Trennungslösung mit der Konstruktion einer Vor- und Nacherbschaft gefolgt. Historisch bezeichnet das Berliner Testament also genau das Gegenteil dessen, was die Lektoren des Beck-Verlages als Berliner Testament bezeichneten. Man hätte über § 2269 BGB früher schreiben müssen „Kein Berliner Testament“.

Erst mit dem BGB kam man zur Einheitslösung. Die Berliner Notare hielten aber an der alten Trennungslösung fest.

Die Einheitslösung war vor Inkrafttreten des BGB im Bayerischen Landrecht kodifiziert und wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch der preußischen Trennungslösung vorgezogen.

So kam es zum § 2269 BGB, dessen richtige Überschrift „Im Zweifel kein Berliner Testament“ hätte lauten müssen.

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