Pflichtteilsergänzungsanspruch: Wer muss was beweisen?

Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB führen in der Praxis häufig zu schwierigen Beweisfragen – insbesondere dann, wenn die Schenkung im familiären Rahmen erfolgt ist und der Pflichtteilsberechtigte keinen Zugang zu Unterlagen hat.

Ein häufiger Streitpunkt ist, ob der Erblasser dem Beschenkten wirklich „etwas geschenkt“ hat, oder ob dem eine echte Gegenleistung gegenüberstand – zum Beispiel Pflege, Geld oder ein Darlehen. Gerade in solchen Fällen nimmt der Bundesgerichtshof (BGH) eine praxisnahe, gerechte Lösung ein.

🔍 Die Beweisschwierigkeit – und wie der BGH ihr begegnet

In der Entscheidung BGH, NJW-RR 1996, 705 macht der BGH deutlich:

Die Beweisschwierigkeit des Pflichtteilsberechtigten wird dadurch ausgeglichen, dass der Beschenkte (also der Anspruchsgegner) die Tatsachen für eine behauptete Gegenleistung sowie die maßgeblichen Vorstellungen zur Bewertung substantiiert vortragen muss.

Mit anderen Worten:
Wenn der Pflichtteilsberechtigte z. B. behauptet, es habe eine Schenkung gegeben, und der Beschenkte behauptet, er habe dafür „etwas geleistet“ (z. B. ein Darlehen oder Pflege), dann muss nicht der Pflichtteilsberechtigte das Fehlen der Gegenleistung beweisen, sondern der Beschenkte muss detailliert darlegen, was, wann, wofür und in welchem Umfang er geleistet hat.

Der BGH betont dabei, dass der Pflichtteilsberechtigte regelmäßig keinen Einblick in die internen Absprachen zwischen Erblasser und Beschenktem hat. Deshalb wäre es unbillig, ihm den Nachweis des Gegenteils aufzubürden. Gerade im familiären Bereich könnten „angebliche Gegenleistungen“ nachträglich vorgeschoben werden, um Pflichtteilsergänzungsansprüche zu umgehen. Dem will der BGH einen Riegel vorschieben.

📌 Konkret bedeutet das:

  • Der Pflichtteilsberechtigte muss grundsätzlich die Schenkung darlegen – nicht aber das Fehlen jeder denkbaren Gegenleistung.
  • Der Beschenkte muss substantiiert vortragen:
    • Wann die angebliche Gegenleistung erbracht wurde,
    • in welchem Umfang,
    • mit welcher rechtlichen Vorstellung (z. B. Rückzahlungspflicht, Vergütung, Verrechenbarkeit),
    • und warum sie als echte Gegenleistung anzusehen sei.

Fehlt ein solcher Vortrag oder bleibt er unkonkret, kann das Gericht von einer voll unentgeltlichen Schenkung ausgehen – mit voller Ergänzungsverpflichtung nach § 2325 BGB.


📖 Fundstelle:

BGH, Urteil vom 17.01.1996 – IV ZR 214/94,
veröffentlicht in: NJW-RR 1996, 705 (706)

Zitat aus der Entscheidung:

„In solchen Fällen ist den Beweisschwierigkeiten dadurch Rechnung zu tragen, dass es zunächst Sache des über die erforderlichen Kenntnisse verfügenden Anspruchsgegners ist, die für die Begründung der Gegenleistung maßgeblichen Tatsachen im Wege des substantiierten Bestreitens der Unentgeltlichkeit vorzutragen.“

Bei § 2325 BGB ist es also zunächst Sache des Pflichtteilsberechtigten, die Vornahme einer Zuwendung sowie deren Unentgeltlichkeit darzulegen und zu beweisen. Dabei genügt es allerdings nicht, dass eine Zuwendung erfolgt ist – vielmehr muss deutlich werden, dass diese nicht oder nicht vollständig durch eine Gegenleistung ausgeglichen wurde.

Beweiserleichterung bei unüberwindbaren Nachweisproblemen

Der Bundesgerichtshof gesteht dem Pflichtteilsberechtigten Beweiserleichterungen zu, wenn ihm der Nachweis der Unentgeltlichkeit faktisch unmöglich ist, etwa weil die behauptete Gegenleistung des Beschenkten sich in einem rein internen Verhältnis zwischen Erblasser und Zuwendungsempfänger abgespielt hat. In diesem Fall obliegt es dem Erben bzw. Zuwendungsempfänger, die behauptete Gegenleistung substantiiert darzulegen.

Ein pauschaler Verweis auf angeblich früher gewährte Leistungen – etwa ein unbestimmter Vortrag, der Beklagte habe der Erblasserin „in der Vergangenheit außerhalb des laufenden Unterhaltsbedarfs darlehensweise Geldleistungen in Höhe von 40.000 DM“ erbracht – genügt nach der Rechtsprechung des BGH nicht. In solchen Fällen trifft den Erben die sogenannte sekundäre Darlegungslast. Verbleibt nach dessen Vortrag eine Non-liquet-Situation, geht dies zu seinen Lasten.

Zudem nimmt der BGH bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und behaupteter Gegenleistung an, dass ein starkes Indiz für die Einigkeit der Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung besteht. Dies kann im Einzelfall zur Begründung einer Vermutung der Schenkung führen, die ebenfalls zulasten des Pflichtteilsverpflichteten wirkt, sofern keine plausiblen und konkreten Anhaltspunkte für eine tatsächliche Gegenleistung vorgebracht werden.

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