⚖️ Pflichtteilslast gezielt steuern – Was § 2324 BGB erlaubt
Viele Erblasser wünschen sich, dass ihr Nachlass gerecht verteilt wird – nicht nur nach dem Gesetz, sondern nach den individuellen Bedürfnissen und Leistungen der Erben. Dabei kann § 2324 BGB helfen, die sogenannte Pflichtteilslast im Innenverhältnis unter den Erben und Vermächtnisnehmern gezielt zu steuern.
🧾 Was regelt § 2324 BGB?
„Der Erblasser kann durch Verfügung von Todes wegen die Pflichtteilslast im Verhältnis der Erben zueinander einzelnen Erben auferlegen und von den Vorschriften des § 2318 Abs. 1 und der §§ 2320 bis 2323 abweichende Anordnungen treffen.“
Diese Vorschrift erlaubt es dem Erblasser:
✅ Die Pflichtteilslast anders zu verteilen als im Gesetz vorgesehen.
✅ Einzelne Erben vollständig von der Pflichtteilslast zu befreien.
✅ Die gesetzlich vorgesehene Kürzungsbefugnis (§ 2318 Abs. 1 BGB) einzuschränken oder auszuschließen.
🛠️ Was ist überhaupt die Pflichtteilslast?
Wenn ein Erblasser jemanden enterbt, steht diesem nahen Angehörigen ein Pflichtteil in Geld zu. Der Pflichtteil muss aus dem Nachlass gezahlt werden. Nach gesetzlicher Regelung teilen sich alle Erben anteilig diese Last.
Mit § 2324 kann der Erblasser abweichen und z. B. festlegen:
📌 Nur ein Erbe trägt die Pflichtteilslast allein.
📌 Der Vermächtnisnehmer muss sich nicht an der Pflichtteilslast beteiligen.
📌 Die Pflichtteilslast soll nach Billigkeit durch Dritte (z. B. Schiedsrichter) verteilt werden.
📝 Mögliche Formulierung für das Testament
„An den Pflichtteilslasten soll sich der Vermächtnisnehmer nicht beteiligen.“
Dies stellt ein Vermächtnis zugunsten des Erben dar, der dadurch von der Pflichtteilslast befreit wird.
🔧 Zulässige Abänderungen
Nach § 2324 kann der Erblasser die Verteilung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis zwischen Erben, Vermächtnisnehmern und Auflagebegünstigten abweichend von § 2318 Abs. 1, §§ 2320–2323 regeln.
Er kann:
- die Pflichtteilslast im Verhältnis der Erben untereinander einzelnen Erben auferlegen (§ 2046 Abs. 2, § 2189 BGB),
- im Verhältnis von Erben und Vermächtnisnehmern allein den Vermächtnisnehmern auferlegen,
- die Ausfallhaftung nach § 2319 Satz 2 BGB abbedingen,
- das Kürzungsrecht aus § 2318 Abs. 1 erweitern, beschränken oder ausschließen.
📌 Beispiel: Ein Vermächtnis dient der Versorgung einer bestimmten Person und soll ungeschmälert ausgezahlt werden. Dann kann der Erblasser anordnen, dass nur der Erbe die Pflichtteilslast trägt.
🔒 Wichtiger Hinweis: Der Vorrang des Pflichtteilsanspruchs im Außenverhältnis bleibt unberührt (§ 327 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO).
⛔ Nicht abdingbare Vorschriften
🚫 Der Erblasser kann nicht abweichen von:
- § 2318 Abs. 2 und 3 BGB – Schutz des pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmers bzw. Erben
- § 2319 Satz 1 BGB – Schutz des Pflichtteilsanspruchs gegen Ausfall
- §§ 2058 ff. BGB – Regeln das Außenverhältnis der Erben
- Pflichtteilsergänzungsanspruch (z. B. bei Schenkungen)
Diese Regeln sichern die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten und sind zwingendes Recht.
✍️ Wie erfolgt die Anordnung?
🔹 Die abweichende Regelung muss in einem Testament oder Erbvertrag getroffen werden.
🔹 Sie kann sich aus dem Gesamtzusammenhang der Verfügung ergeben – eine ausdrückliche Formulierung ist nicht zwingend nötig.
🔹 Juristisch handelt es sich um ein Vermächtnis zugunsten des Begünstigten.
👁️🗨️ Beispiel für Auslegung: Wenn der Erblasser im Testament anordnet, dass bestimmte Vermächtnisse vor Pflichtteilsansprüchen zu erfüllen sind.
⚠️ In notariellen Testamenten kann eine Haftung des Notars entstehen, wenn § 2324 nicht klar angesprochen wurde und ein Beteiligter dadurch einen Schaden erleidet.
🧩 Fazit
§ 2324 BGB ist ein kraftvolles Werkzeug für Erblasser, um ihre individuelle Nachlassgestaltung abzusichern. Die Regelung eröffnet maßgeschneiderte Lösungen für faire Verteilungen – solange sie sich im Rahmen des rechtlich Zulässigen bewegen.
👨⚖️ Als Fachanwalt für Erbrecht unterstütze ich Sie gerne bei der Formulierung rechtssicherer Testamente, insbesondere bei der gerechten Verteilung der Pflichtteilslast.