Steuerhinterziehende Unterprotokollierung des Kaufpreises – Ist der Grundstückskaufvertrag nichtig?
✨ 1. Der „Schwarzkauf“ – Was ist das?
Beim sogenannten Schwarzkauf vereinbaren die Parteien eines Grundstückskaufs einen höheren Kaufpreis, als sie im Notarvertrag angeben. Der „unbeurkundete“ Teil des Kaufpreises wird meist bar übergeben. Ziel ist es oft, Grunderwerbsteuer oder andere Abgaben zu sparen. Die Frage: Ist ein solcher Vertrag nichtig?
🔒 2. Ausgangspunkt: Grundsatz der Vertragsfreiheit und § 311b BGB
Grundstückskaufverträge müssen notariell beurkundet werden (§ 311b I 1 BGB). Ein Vertrag, der nur mündlich geschlossen wird, ist formnichtig (§ 125 S. 1 BGB). Wird jedoch im notariellen Vertrag zugleich die Auflassung erklärt und später die Eigentumsumschreibung vollzogen, heilt dies den Formmangel (§ 311b I 2 BGB).
🏛️ 3. BGH 2024: Der Sachverhalt im Überblick (V ZR 115/22)
- Im Kaufvertrag wurde ein Preis von 120.000 EUR beurkundet.
- Tatsächlich gezahlt wurden 150.000 EUR, 30.000 davon bar und vor der Beurkundung.
- Ziel: mutmaßlich Steuerersparnis.
- Nach Eigentumsumschreibung kam es zum Streit: Ist der Vertrag wirksam?
🔢 4. Ist der Vertrag wegen Steuerhinterziehung nichtig (§ 134 BGB)?
Nein, sagt der BGH:
Der Vertrag ist nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig. Zwar kann die Absicht, Steuern zu hinterziehen, einen Verstoß gegen § 370 AO darstellen. Doch nur wenn diese Absicht der Hauptzweck des Vertrags ist, kommt eine Nichtigkeit in Betracht.
Im entschiedenen Fall war aber der Eigentumserwerb der hauptsächliche Zweck. Die Steuerersparnis (1.500 EUR) war gering. Damit kein Verstoß gegen § 134 BGB.
🚫 5. Sittenwidrigkeit wegen Schwarzgeldabrede (§ 138 BGB)?
Auch das verneint der BGH:
„Rechtlich anstößig“ ist die Schwarzgeldabrede schon. Aber sie führt nur dann zur Gesamtnichtigkeit, wenn die Steuerhinterziehung den Hauptzweck bildet.“
Das war hier nicht der Fall. Die Klägerin hätte die Wohnung auch bei voller Beurkundung gekauft.
🪖 6. Keine Übertragung der Schwarzarbeits-Rechtsprechung
Der VII. Zivilsenat des BGH hat für Werkverträge entschieden, dass Verstöße gegen das Schwarzarbeitsgesetz (§ 1 II Nr. 2 SchwarzArbG) zur Gesamtnichtigkeit führen. Der V. Zivilsenat betont aber:
„Diese Rechtsprechung lässt sich nicht auf Grundstückskaufverträge übertragen, da die Zielrichtung der Vorschriften unterschiedlich ist.“
📒 7. Heilung des Formmangels trotz Schwarzgeld?
Ja! Trotz der Schwarzgeldabrede war der Vertrag formwirksam, weil:
- Auflassung erklärt und
- Eigentum umgeschrieben wurde.
Die Heilung gem. § 311b I 2 BGB greift, weil kein anderer Nichtigkeitsgrund einschlägig ist.
🔎 8. Bedeutung des Barzahlungsverbots seit 1.4.2023
Ab dem 1.4.2023 verbietet § 16a GwG die Barzahlung bei Immobilientransaktionen über 10.000 EUR. Eine Heilung gem. § 311b I 2 BGB könnte bei Schwarzgeldzahlungen über 10.000 EUR ausgeschlossen sein, wenn dadurch Überwachungs- und Nachweispflichten umgangen werden.
📊 9. Fazit: Der Schwarzkauf bleibt zivilrechtlich meist wirksam
Ein Grundstückskaufvertrag mit „Schwarzgeldabrede“ ist nicht automatisch nichtig. Entscheidend ist:
- War die Steuerhinterziehung Hauptzweck?
- War der Kaufvertrag auch ohne die Schwarzgeldabrede gewollt?
Wenn ja, bleibt der Vertrag wirksam, trotz steuerstrafrechtlicher Relevanz.
📄 10. Konsequenzen für Mandanten und Notare
- Die steuerliche Bewertung bleibt Aufgabe der Finanzverwaltung.
- Zivilrechtlich kann eine Heilung nach § 311b I 2 BGB in vielen Fällen greifen.
- Aber: Seit 1.4.2023 sind Barzahlungen über 10.000 EUR unzulässig (§ 16a GwG).
- Notare haben umfangreiche Kontrollpflichten – Verstöße können Folgen haben.
🌐 Dieser Aufsatz basiert auf der Entscheidung des BGH vom 15.03.2024 (NJW 2024, 2310).