Sicherung des Nachlasses durch das Nachlassgericht. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht.
Sicherung des Nachlasses durch das Nachlassgericht
Gerichtliche Fürsorge
Nachlassgerichte werden ungern von sich aus tätig. Das mag auch an der aktuellen Überlastung liegen. Allerdings muss das Nachlassgericht, wenn es vom Tod einer Person Kenntnis hat, prüfen, ob der Nachlass der Sicherung oder sonstigen Fürsorge bedarf. Dies ist in den §§ 1960 bis 1962 BGB – wenn auch mit spärlichen Worten – geregelt. Die Sicherung des Nachlasses ist Aufgabe des Nachlassgerichtes und nicht der Polizei. Die Polizei wird nur bei Straftaten, die sich gegen den Nachlass richten tätig.
§ 1960 BGB Sicherung des Nachlasses; Nachlasspfleger
(1) Bis zur Annahme der Erbschaft hat das Nachlassgericht für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das Gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat.
(2) Das Nachlassgericht kann insbesondere die Anlegung von Siegeln, die Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten sowie die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses anordnen und für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Pfleger (Nachlasspfleger) bestellen.
(3) Die Vorschrift des § 1958 findet auf den Nachlasspfleger keine Anwendung.
§ 1961 BGB Nachlasspflegschaft auf Antrag
Das Nachlassgericht hat in den Fällen des § 1960 Abs. 1 einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, von dem Berechtigten beantragt wird.
§ 1962 BGB Zuständigkeit des Nachlassgerichts
Für die Nachlasspflegschaft tritt an die Stelle des Familiengerichts oder Betreuungsgerichts das Nachlassgericht.
Fürsorge- und Sicherungsmaßnahmen können also vom Nachlassgericht angeordnet werden
- wenn der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat oder über die Wirksamkeit einer Annahme oder Anfechtung der Annahme streitig ist
- wenn der Erbe unbekannt ist. Das ist schon der Fall
– wenn mehrere Testamente vorliegen, aber unklar ist, welches der Testamente gilt
– wenn mehrere mögliche Erben über das Erbrecht streiten - bei einer Gefährdung des Nachlassbestands
Zuständigkeit
Zuständiges Nachlassgericht ist das Amtsgericht am letzten Wohnsitz des Verstorbenen. Es kann aber auch das Amtsgericht zuständig sein, in dessen Bezirk Fürsorgemaßnahmen erforderlich sind.
Zuständige Person ist grundsätzlich der Rechtspfleger am zuständigen Amtsgericht.
War der Erblasser aber Ausländer, obliegt die Anordnung der wichtigsten Sicherungsmittel, nämlich Nachlasspflegschaft und Nachlassverwaltung, ausschließlich dem Richter.
In den Landegesetzen sind Hilfs- und Sicherungsfunktionen teilweise auch den Gemeinde übertragen, z.B. in
§ 40 Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit Baden Württemberg Mitwirkung der Gemeinde
(1) Die Gemeinde, in deren Gebiet der Verstorbene seinen Aufenthalt oder letzten Wohnsitz hatte, soll dem Nachlassgericht unverzüglich die Tatsachen mitteilen, die für eine von Amts wegen vorzunehmende Tätigkeit Bedeutung haben können. Sind diese Tatsachen der Gemeinde nicht aus ihren Unterlagen oder sonst bekannt, so kann sie in ihrem Zuständigkeitsbereich eigene Erkundungen anstellen, soweit dies zur Feststellung der Erben oder zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Absatz 2 erforderlich ist. Auf die Verpflichtung zur Ablieferung eines eigenhändigen Testaments des Verstorbenen (§ 2259 Abs. 1 BGB) soll hingewiesen werden.(2) Bei Gefahr im Verzug hat die Gemeinde in ihrem Gebiet die nach § 1960 BGB zur Sicherung des Nachlasses erforderlichen Anordnungen, ausgenommen die Anordnung einer Nachlasspflegschaft, zu treffen und auszuführen. Die Anordnungen sind unverzüglich dem Nachlassgericht mitzuteilen. Das Nachlassgericht kann die Anordnungen abändern oder aufheben.
(3) Die Gemeinde hat nach den Anordnungen des Nachlassgerichts bei der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses mitzuwirken. Der Gemeinde kann vom Nachlassgericht ebenso die Ausführung der Anordnung oder Aufhebung von Sicherungsmaßnahmen übertragen werden. Auf Verlangen des Nachlassgerichts ist der Wert von Nachlassgegenständen zu schätzen.
(4) Die bei der Mitwirkung der Gemeinde in Nachlasssachen anfallenden Akten werden beim Nachlassgericht verwahrt.
(5) Gegen Verfügungen der Gemeinde nach Absatz 2 ist die Erinnerung zulässig. Die Gemeinde kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen sie nicht abhilft, legt sie dem Amtsgericht vor. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften über die Beschwerde sinngemäß anzuwenden. Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei. Eine Beschwerdegebühr wird nicht erhoben, wenn die Beschwerde vor einer gerichtlichen Verfügung zurückgenommen wird.
(6) Für die Mitwirkung der Gemeinde in Nachlass- und Teilungssachen unterliegt sie der Dienstaufsicht des Präsidenten oder aufsichtführenden Richters des Nachlassgerichts. Für die weitere Dienstaufsicht gilt § 16 AGGVG. Die Aufsicht beschränkt sich auf die Fachaufsicht; das Weisungsrecht ist unbeschränkt.
Kosten
Die für Maßnahmen der Nachlasssicherung anfallenden Kosten hat der Nachlass zu tragen. Für diese Kosten haften die Erben wie auch sonst bei Nachlassverbindlichkeiten nur mit dem Nachlass, sofern sie die Haftung auf den Nachlass beschränken.
§ 31 GNotKG Besonderer Kostenschuldner
…
(2) Für die Kosten, die durch die Errichtung eines Nachlassinventars und durch Tätigkeiten zur Nachlasssicherung entstehen, haften nur die Erben, und zwar nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Nachlassverbindlichkeiten.