Testamentsauslegung. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Testamentsauslegung: Ist die Tochter der Lebensgefährtin Ersatzerbe?
Frage:
Unser Bruder ist kinderlos verstorben. In seinem notariellen Testament hat er seine ältere Lebensgefährtin eingesetzt, die dann aber vor unserem Bruder verstarb. Er verfügte:
„Ich setze hierdurch L zu meiner alleinigen Erbin ein. Weiteres habe ich nicht zu bestimmen. Den Wert meines Vermögens gebe ich mit … an.” Wir meinen, gesetzliche Erben unseres Bruders zu sein. Jetzt macht uns aber die Tochter der vorverstorbenen Lebensgefährtin unseres Bruders die Erbenstellung streitig. Sie behauptet, Ersatzerbin zu sein (§ 2069 BGB analog). Dabei hatte sich unser Bruder bei der Testamentserrichtung bewusst gegen eine Ersatzerbeneinsetzung der Tochter seiner Lebensgefährtin entschieden.
Antwort:
Keine Bange. Die Tochter der Lebensgefährtin ist nicht Alleinerbin Ihres Bruders geworden. § 2069 BGB kann hier nicht angewendet werden, da er eine Auslegungsregel für die Ersatzerben nur dann enthält, wenn ein Abkömmling des Erblassers Erbe wurde.
§ 2069 BGB Abkömmlinge des Erblassers
Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.
Die Auslegung ergibt, dass Ihr Bruder sich bewusst gegen eine Ersatzerbeneinsetzung entschieden hat, so dass mangels Ersatzebenbestimmung die gesetzliche Erbfolge vorliegt, nach der sie als Geschwister des Erblassers Erben geworden sind.
Tipp:
Lesen Sie OLG Düsseldorf vom 30.7.2012, 3 Wx 247/11 in ZEV 2012, 662