Verhältnis zwischen postmortaler Vollmacht und Testamentsvollstreckung
Wenn eine Person stirbt, kann sie einer anderen Person eine postmortale (über den Tod hinaus gültige) Vollmacht oder eine Testamentsvollstreckung übertragen. Doch was hat mehr Gewicht, wenn es um Entscheidungen über das Erbe geht?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Fall entschieden, dass das Verhältnis zwischen postmortaler Vollmacht und Testamentsvollstreckung nicht pauschal geregelt werden kann. Vielmehr muss im Einzelfall genau geprüft werden, was der Erblasser wirklich wollte.
Zum Fall:
- Eine Frau hatte ihrer Enkelin eine postmortale Vollmacht erteilt, mit der sie die Erblasserin nach ihrem Tod in Vermögens- und Rechtsangelegenheiten vertreten konnte.
- Gleichzeitig hatte sie ihre Enkelin als Alleinerbin bestimmt, jedoch eine Testamentsvollstreckung angeordnet.
- Später ernannte sie einen Rechtsanwalt als Testamentsvollstrecker für bestimmte Aufgaben, insbesondere die Fortführung eines laufenden Gerichtsverfahrens.
- Nach ihrem Tod zog die Enkelin – basierend auf ihrer Vollmacht – einen von der Erblasserin in einem Gerichtsverfahren gestellten Antrag zurück, doch der Testamentsvollstrecker war dagegen.
Gerichtliche Entscheidung:
Das Gericht stellte fest:
✅ Eine postmortale Vollmacht und eine Testamentsvollstreckung können nebeneinander bestehen.
✅ Im Zweifel gilt der Wille des Erblassers, um Konflikte zwischen beiden Regelungen zu vermeiden.
✅ Da die Erblasserin ausdrücklich einen Testamentsvollstrecker für das Verfahren bestimmt hatte, konnte die Enkelin mit ihrer Vollmacht nicht einfach eigenmächtig handeln.
✅ Die Vollmacht diente in diesem Fall nur zur Unterstützung der Aufgaben des Testamentsvollstreckers, nicht zur eigenständigen Verfügung.
Der BGH stellte in seinem Beschluss vom 14.9.2022 – IV ZB 34/21 hier zu fest:
Eine postmortale Vollmacht, die unwiderruflich oder – wie hier – nicht widerrufen worden ist, kann grundsätzlich auch im Außenverhältnis selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen. Dabei kann das Verhältnis der postmortalen Vollmacht zur Testamentsvollstreckung nicht losgelöst vom jeweiligen Einzelfall bestimmt werden. Zwar wird es im Allgemeinen dem maßgeblichen Willen des Erblassers entsprechen, dass keine voneinander unabhängigen Machtbefugnisse verschiedener Personen mit gegenseitiger Störungsmöglichkeit nebeneinander bestehen. Die einem Dritten erteilte postmortale Vollmacht betrifft aber nicht generell im Außenverhältnis nur Vermögensteile, die nicht unter die Testamentsvollstreckung fallen, auch wenn der vom Erblasser Bevollmächtigte nach dem Erbfall als Bevollmächtigter des Erben anzusehen ist und dessen Verfügungsmacht durch die Rechte eines Testamentsvollstreckers gem. § 2211 I BGB beschränkt wird . Ebenso wenig kann allgemein angenommen werden, dass im Umfang der postmortalen Bevollmächtigung der Machtbereich des Testamentsvollstreckers nach § 2208 I 1 BGB eingeschränkt ist.
Vielmehr ist der wirkliche Wille des Vollmachtgebers und Erblassers ausgehend vom jeweiligen Wortlaut der Vollmachtsurkunde und der Anordnung der Testamentsvollstreckung durch Auslegung der beiden Urkunden – unabhängig von ihrer zeitlichen Reihenfolge – nach den Maßstäben des § 133 BGB zu erforschen. Auf diese Weise ist zu ermitteln, ob und inwieweit der Erblasser voneinander unabhängige Machtbefugnisse des Bevollmächtigten und des Testamentsvollstreckers begründen wollte. Bei der Auslegung können auch Begleitumstände sowie der verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage berücksichtigt werden.
Fazit:
Eine postmortale Vollmacht gibt dem Bevollmächtigten nicht automatisch das Recht, in alle Angelegenheiten des Nachlasses einzugreifen. Entscheidend ist, wie der Erblasser es wollte – das Testament und die Vollmacht müssen genau ausgelegt werden. Kompetenzkonflikte können dadurch gelöst werden, dass die erteilte Vollmacht entweder vom Testamentsvollstrecker oder den Erben widerrufen wird