Was ist eigentlich ein Vorvermächtnis und was ein Nachvermächtnis?
Was ist eigentlich ein Vorvermächtnis und was ein Nachvermächtnis?
Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby
Begriff
Ein Vorvermächtnis ist die Zuwendung einer Sache aus dem Nachlass. Allerdings muss er dann später vom Bedachten herausgegeben werden. Das kann auch der Tod des Bedachten sein.
Beispiel
Ein Hausgrundstück geht mit dem Tod des Mannes an dessen zweite Ehefrau, während die Tochter aus erster Ehe Erbin ist. Das Haus ist allerdings zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich dem Tod der zweiten Ehefrau von ihren Erben an den Nachvermächtnisnehmer herauszugeben. Das könnte im Beispiel so sein, dass mit dem Tod der Ehefrau das Hausgrundstück an den Sohn des Erblassers herauszugeben ist.
Wie Vor- und Nacherbschaft
Die Parallele zu Vor- und Nacherbschaft ist offensichtlich. Allerdings ist zu beachten, dass die Vor- und Nacherbschaft jeweils dinglich wirkt. Das ist bei Vor- und Nachvermächtnis nicht der Fall. Der Nachvermächtnisnehmer erhält nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Vorvermächtnisnehmer zugewandt, den Vermächtnisgegenstand zu übereignen. Bei Vor- und Nacherbschaft wäre er sofort Eigentümer (dingliche Wirkung).
Zeitpunkt
Das Nachvermächtnis fällt mit dem vom Erblasser festgesetzten Zeitpunkt oder bestimmten Ereignis an.
Schadensersatz des Vorvermächtnisnehmers
Der Nachvermächtnisnehmer hat bereits mit dem Erbfall eine Anwartschaft auf den späteren Anspruch, den Gegenstand des Nachvermächtnisses zu erwerben. Vereitelt der Vorvermächtnisnehmer den späteren Erwerb des Vermächtnisgegenstandes schuldhaft, hat der Nachvermächtnisnehmer gegen ihn bzw. seine Erben einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB.
Absicherung im Grundbuch
Soll eine Grundstück vom Vor- an den Nachvermächtnisnehmer herausgegeben werden, kann man den Nachvermächtnisnehmer bis zum Zeitpunkt des Nachvermächtnisanfalls durch eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch absichern. Dann muss der Vorvermächtnis zusätzlich mit einem entsprechenden Untervermächtnis beschwert werden.
Tipp
Es sollte immer ein Ersatz-Nachvermächtnisnehmer im Testament benannt werden. Das Nachvermächtnis fällt erst im Nachvermächtnisfall an. Stirbt der eigentliche Nachvermächtnisnehmer vor dem Nachvermächtnisfall, so steht mit dem Ersatz-Nachvermächtnisnehmer der Begünstigte fest. Fragen über die Vererbbarkeit der Nacherbenanwartschaft oder Fragen über gesetzliche Ersatzerbenschaften bzw. ergänzende Testamentsauslegungen in dieser Richtung werden damit vermieden.
Stirbt der Vorvermächtnisnehmer vor dem Nachvermächtnisnehmer und vor dem Erbfall, dann wird der Nachvermächtnisnehmer als Ersatzmann sofort Vermächtnisnehmer.