Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen

Amtshaftung der Finanzverwaltung und Schadensersatz

Frage:

Der Finanzbeamte hat beim Erbschaftsteuerbescheid Fehler gemacht. Kann ich jetzt den Schaden, z.B. die Kosten für den Anwalt, vom Finanzamt ersetzt verlangen?

Antwort:

Grundsätzlich haften auch Beamte für Ihre Fehler,  also nicht nur Steuerberater, Notare und Rechtsanwälte. Dabei kann es zu einer Staatshaftung oder zu einer Haftung des Beamten selbst kommen.

§ 839 BGB  Haftung bei Amtspflichtverletzung
   (1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
   (2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
   (3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Art 34 GG leitet die grundsätzlich gegebene Eigenhaftung des Beamten dann aber auf den Staat über.

Art. 34 GG Haftung bei Amtspflichtverletzung
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

Hiernach müssen folgende Voraussetzungen für eine Haftung des Staates erfüllt sein:

1. Amtspflichtverletzung

Eine Amtspflichtverletzung liegt vor, wenn ein Beamter eine persönliche Verhaltenspflicht bezüglich seiner Amtsführung verletzt, d.h. wenn er eine unzulässige Handlung vornimmt oder eine gebotene Handlung unterlässt. Er muss die Gesetze und Verwaltungsvorschriften korrekt ausführen. Er darf seine Amtsgewalt nicht missbrauchen. Er muss nachteilige Folgen seines fehlerhaften Handelns beheben, so weit möglich. Er hat auch eine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit. Er muss den Sachverhalt, den er bearbeitet im Rahmen des Zumutbaren vollständig erforschen. Er hat Anträge ordnungsgemäß aufzunehmen und zu bearbeiten. Auch eine falsche Rechtsmittelbelehrung kann eine Amtspflichtverletzung sein. Er hat Ermessen korrekt auszuüben und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Er hat rechtsunkundigen Personen zu helfen und sie auf Fehler aufmerksam zu machen. Der Beamten hat Auskünfte, die er erteilt, klar und vollständig zu erteilen.

2. Einem Dritten gegenüber

muss die verletzte Amtspflicht des Beamten bestehen, also nicht nur gegenüber der Allgemeinheit. Da bei Steuerbescheiden in die Rechte des Bürgers eingegriffen wird (Eingriffsverwaltung), sind die dabei zu beachtenden Vorschriften in der Regel immer drittbezogen im Sinne des § 839 BGB.

3. Verschulden

ist bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Amtsträgers gegeben. Maßgebend, ob Fahrlässigkeit vorliegt ist, ob ein mit für die Führung des jeweiligen Amtes mit durchschnittlichen Kenntnissen ausgestatteter Beamter den gleichen Fehler gemacht hätte. Für das Finanzamt gilt allerdings ein strenger Maßstab, da sich das Finanzamt selber Vollstreckungstitel beschaffen kann und auch beschafft.

4. Schadenersatz

Zu ersetzen ist der Schaden, der ohne die Amtspflichtverletzung nicht entstanden wäre, und zwar in Geld. Bei einem Finanzgerichtsprozess, den das Finanzamt verliert, werden ihm die Kosten durch Urteil auferlegt. Das Finanzamt hat dann auch die Anwaltskosten im Einspruchsverfahren zu tragen, wenn das Finanzgericht das so ausspricht, weil es die Hinzuziehung für erforderlich hält (§ 139 Absatz 3 Satz 3 Finanzgerichtsordnung).

§ 139 FGO Erstattungsfähige Kosten
   (1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
   (2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.
   (3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet
   (4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Frage: Wie ist der Fall zu beurteilen, dass das Finanzamt bereits im Vorverfahren dem Einspruch des Steuerpflichtigen abhilft?

Die Finanzverwaltung vertritt für diesen Fall die Auffassung, dass Rechtsanwaltskosten und Steuerberatungskosten für das Einspruchsverfahren, das dem Finanzgerichtsprozess vorgeschaltet ist, nicht zu erstatten sind. Eine Kostenerstattung sei in der Abgabenordnung (AO) nicht vorgesehen. Das sieht die Rechtsprechung der Zivilgerichte  aber anders. Unabhängig von der verfahrensrechtlichen Regelung durch die Abgabenordnung besteht nach den Zivilgerichten ein auf Kostenerstattung gerichteter Schadensersatzanspruch dann, wenn die in § 839 BGB bezeichneten Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Zu den Zivilgerichten kommt die Angelegenheit, wenn der Bürger seinen Anspruch auf Erstattung der Kosten durch Amtshaftungsklage beim Amts- oder Landgericht geltend macht. Hier bedarf es fachanwaltlichen Rats (Fachanwalt für Erbrecht oder Fachanwalt für Steuerrecht).

5. Subsidiaritätsklausel

Für ein fahrlässiges Verhalten des Beamten wird nur gehaftet, wenn der Betroffene nicht anderweitig Ersatz erlangen kann.

6. Rechtsmittelversäumung

Hat der Steuerpflichtige keinen Einspruch eingelegt oder nicht geklagt, kann er nicht auf dem Umweg über die Beamtenhaftung seinen Schaden ersetzt verlangen.

7. Schadensminderungspflicht

Der Steuerpflichtige ist nach § 254 BGB verpflichtet den Schaden so gering wie möglich zu halten. Er hat zum Beispiel den Beamten auf einen offenkundigen Denkfehler hinzuweisen, wenn sich dieser aus dem Schreiben oder einer Stellungnahme des Beamten ergibt.

8. Keine Verjährung

Der Schadensersatzanspruch endet mit dem Schluss des Jahres, in dem der Schadensersatzanspruch entstanden ist und der Steuerpflichtige dies weiß oder hätte wissen müssen. Die Verjährung dürfte in der Regel mit dem Erlass des fehlerhaften Steuerbescheides beginnen.

 

 

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