Bauten auf fremdem Grund und Boden

Bauten auf fremdem Grund und Boden. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht.

1. Zurechnung von Wirtschaftsgütern nach der Abgabenordnung

§ 39 AO  Zurechnung
(1) Wirtschaftsgüter sind dem Eigentümer zuzurechnen
(2) Abweichend von Absatz 1 gelten die folgenden Vorschriften:
1. Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen. Bei Treuhandverhältnissen sind die Wirtschaftsgüter dem Treugeber, beim Sicherungseigentum dem Sicherungsgeber und beim Eigenbesitz dem Eigenbesitzer zuzurechnen.
2. Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zustehen, werden den Beteiligten oder Gesellschaftern anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Rechtsfähige Personengesellschaften gelten für Zwecke der Ertragsbesteuerung als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen.

Das Steuerrecht betrachtet die steuerliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern wirtschaftlich (sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise). § 39 Abs. 2 S. 1 definiert das „wirtschaftliche Eigentum“, das nicht mit dem zivilrechtlichen Eigentum übereinstimmen muss.

In der Praxis sind Hauptfall des wirtschaftlichen Eigentums die Bauten auf fremdem Grund und Boden.

2. Steuerliche Zurechnung von Bauten auf fremdem Grund und Boden

Errichtet jemand im eigenen Namen und für eigene Rechnung auf einem fremden Grundstück ein Gebäude, ist der Bauende als wirtschaftlicher Eigentümer zu beurteilen, wenn er auf Grund eindeutiger im Voraus getroffener und tatsächlich durchgeführter Vereinbarungen die wirtschaftliche Verfügungsmacht und Sachherrschaft unter dauerndem Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers innehat, weil ihm allein Substanz und Ertrag des Gebäudes für dessen voraussichtliche Nutzungsdauer zustehen1.

Für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums reicht es aber auch aus, dass der Berechtigte das Grundstück nutzen darf und ihm im Falle der vorzeitigen Beendigung des Nutzungsverhältnisse ein vertraglicher oder ein gesetzlicher Anspruch auf den vollen Zeitwert des Gebäudes zusteht.

3. Wirtschaftliches Eigentum in der Praxis

Wichtige Fälle wirtschaftlichen Eigentums in der Praxis sind Folgende:

  • Zweckverfehlung beim Bau des Kindes auf Grundstück der Eltern
    Errichtet z.B. ein Kind auf eigene Kosten auf dem Grundstück der Eltern ein Gebäude zu eigenen Wohnzwecken in der – zugesicherten – Erwartung, später im Rahmen der Erbregelung das Eigentum an dem (bebauten) Grundstück zu erlangen, hat es – sollte diese Erwartung enttäuscht werden – einen Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs 1 BGB. Das Kind hat in diesem Fall einen – gesetzlichen – Anspruch auf Ersatz des Werts, den das Gebäude für die Eltern (Grundstückseigentümer) bzw. deren Rechtsnachfolger im Zeitpunkt der Nutzungsbeendigung hat. Das Kind als Bauherr ist daher – auch ohne besondere vertragliche Vereinbarung – von vornherein wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes.
  • Innengesellschaft beim Bau auf dem Grundstück des Lebensgefährten
    Errichten die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gemeinsam ein Wohnhaus auf einem Grundstück, das zivilrechtlich im Eigentum nur des einen Partners steht, ist auch der andere Partner wirtschaftlicher Miteigentümer des Gebäudes; denn bei eventueller Auflösung der Lebensgemeinschaft hat der zivilrechtliche Nichteigentümer des Grundstücks einen gesetzlichen Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des Verkehrswerts des gemeinsam errichteten Gebäudes. Ausgleichsansprüche außerhalb eines schuldrechtlichen Vertrags kommen nämlich in Betracht, wenn die Partner durch gemeinsame Leistungen zur Schaffung eines Vermögenswerts von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, insbesondere zum Bau und zur Erhaltung eines zwar auf den Namen des einen Partners eingetragenen, aber als gemeinsames Vermögen betrachteten Anwesens beigetragen haben. In einem solchen Fall ergibt sich der Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung gesellschaftsvertraglicher Grundsätze. Anwendbar sind auch die Bestimmungen über die Auseinandersetzung von Innengesellschaften, nach denen sich der Ausgleichsanspruch ergibt.
  • Errichtung eines gemeinsamen Wohnzwecken dienenden Gebäudes von Ehegatten
    Errichten Ehegatten auf einem in gemeinschaftlichem Eigentum stehenden Grundstück mit Finanzmitteln nur eines Ehegatten ein Gebäude zu privaten Wohnzwecken, liegt regelmäßig eine unbenannte Zuwendung des die Finanzmittel aufwendenden Ehegatten an den anderen in Höhe der halben Herstellungskosten vor. In solchen Fällen ist nach dem Bundesgerichtshof grundsätzlich davon auszugehen, dass jeder von ihnen Herstellungskosten entsprechend seinem Miteigentumsanteil getragen hat. Im Fall der Auflösung der Ehe besteht somit kein bereicherungsrechtlicher – gesetzlicher – Ausgleichsanspruch. Der Ehegatte, der die Herstellungskosten allein getragen hat, wird daher im vorliegenden Fall nicht von vornherein wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes. Scheitert die Ehe, sind bei gesetzlichem Güterstand die Regeln des Zugewinnausgleichs anwendbar. Besteht Gütertrennung, sind ehebedingte Zuwendungen – jeweils unter bestimmten Voraussetzungen – nach den Rechtsgrundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage bzw. über die Ehegatten-Innengesellschaft auszugleichen. Dies führt aber nicht zur Annahme wirtschaftlichen Eigentums ex tunc. Beabsichtigen die Eheleute, dass der Bauende – von Anfang an – wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes wird, müssen sie dies – entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen – durch eindeutige und im Voraus zu treffende Vereinbarungen regeln. Dies kann dadurch geschehen, dass dem Ehegatten, der die gesamten Herstellungskosten des Hauses getragen hat, durch im Voraus geschlossenen Vertrag ein Anspruch auf Ersatz des Verkehrswerts der zivilrechtlich im Eigentum des anderen Ehegatten stehenden Gebäudehälfte eingeräumt wird. Dadurch würde der die Herstellungskosten allein aufwendende Ehegatte – von Anfang an – wirtschaftlicher Eigentümer der im bürgerlich-rechtlichen Eigentum des anderen Ehegatten stehenden Gebäudehälfte.
  • Eigenbetriebliches Gebäude auf Grundstück des Ehegatten
    Errichtet der (Unternehmer-)Ehegatte mit eigenen Mitteln und für eigene betriebliche Zwecke ein Gebäude auf einem im (Mit-)Eigentum des anderen Ehegatten stehenden Grundstück, so bedarf es für die Erlangung wirtschaftlichen Eigentums des Bauenden keiner besonderen vertraglichen Vereinbarung hinsichtlich des Anspruchs auf Entschädigung für den Fall der Nutzungsbeendigung; denn im Gegensatz zur oben genannten Fallvariante „Ehegatten und privates Wohngrundstück” besteht ein gesetzlicher Ausgleichsanspruch nach § 951  BGB grundsätzlich auch dann, wenn der (Unternehmer-)Ehegatte in eigenem Interesse für eigene betriebliche Zwecke ein Gebäude errichtet. Anders als beim Bau eines Hauses zu eigenen Wohnzwecken spricht in diesem Fall (betriebliche Gebäude)  keine tatsächliche Vermutung für eine unbenannte Zuwendung von Herstellungskosten an den Grundstückseigentümer-Ehegatten oder einen Verzicht auf einen Ausgleichsanspruch nach  § 951 BGB.
  • Gebäude bei fremden Dritten. Errichtet ein Gewerbetreibender mit Einverständnis des fremden Grundstückseigentümers auf dessen Grundstück auf eigene Rechnung und Gefahr ein Gebäude für seine betrieblichen Zwecke, steht dem Bauenden bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses gegenüber dem fremden Grundstückseigentümer zumindest ein gesetzlicher Ausgleichsanspruch in Höhe des Gebäudewerts zu. Demzufolge ist der Bauende von Anfang an wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes.

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