Erbengemeinschaft: Der Miterbe als Hausbesetzer. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen
Erbengemeinschaft: Der Miterbe als Hausbesetzer
Der im Erbrecht tätigt Anwalt kennt die Problematik nur zu gut. Die Eltern sind gestorben, die Kinder sind zu gleichen Teilen Erben geworden und der Nesthocker der Familie lebt im geerbten Familienheim. Er macht keine Anstalten auszuziehen oder an die Geschwister wenigstens eine anteilige „Miete“ zu zahlen. Eventuell verschanzt er sich sogar im Haus, tauscht die Schlüssel aus und lehnt jeden Kontakt mit seinen Geschwistern ab. Diese stehen vor dem verschlossenen Haus und sind hilflos. Schlimmer geht immer: Es gibt sogar Fälle in denen der Nesthocker weitere Mitbewohner ins Haus holt und sogar Miete dafür abkassiert. Er fühlt sich als Herr des Hauses, in dem er schon zu Lebzeiten der Eltern, vielleicht sein ganzes Leben lang, gewohnt hat.
Was ist zu tun?
Die Miterben, die keinen Zutritt mehr zum Gebäude haben, müssen gerichtliche Hilfe beanspruchen. So können sie den Hausbesetzer z.B. auf Räumung und Herausgabe des Hauses verlangen:
Der Beklagte wird verurteilt das Hausgrundstück Erbenstraße 15, 77777 Erbendorf, eingetragen im Grundbuch von Erbendorf Nr. 7, Flurstück Nr. 7777, Gebäude- und Freifläche zu räumen und an die Erbengemeinschaft nach Frau Elisabeth Erbenmutter, verstorben am 7.7.2021, bestehend aus den Miterben A, B und Hausbesetzer C herauszugeben.
In der Regel verteidigen sich die Hausbesetzer gegen eine solche Klage mit folgenden Argumenten:
- Wenn parallel vielleicht schon eine Teilungsversteigerung des Familienheims erfolgt, verneinen sie das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Räumungs- und Herausgabeklage. Ein solcher Einwand geht aber fehl. Die Klage der Miterben verschafft diesen ein Urteil, der Zuschlag in der Teilungsversteigerung, die noch gar nicht abgeschlossen ist, gibt aber nur dem Ersteher einen Titel gegen den Miterben.
- Gerne wird angeführt, es habe ein Mietverhältnis mit den Eltern bestanden. Kann der Hausbesetzer keinen Mietvertrag vorlegen und keine Mietzahlungen nachweisen, führt er gerne an, dadurch dass die Eltern ihn im Haus hätten wohnen lassen, sei ein Mietverhältnis entstanden. Das ist falsch. Dadurch dass die Eltern den Hausbesetzer im Haus wohnen lassen entsteht kein Mietvertrag.
- Dann führt der Hausbesetzer an, wenn schon kein Mietverhältnis bestanden habe, sei wenigstens ein Nutzungsverhältnis eigener Art entstanden. Wer aber vom Eigentümer in sein Haus oder seine Wohnung aufgenommen wird, erwirbt dadurch kein vertragliches Nutzungsrecht und muss die Wohnung auf schlichte Aufforderung verlassen.
- Haben die Miterben vom Hausbesetzer eine Nutzungsentschädigung verlangt, wird der Hausbesetzer einwenden, dass sich die anderen Miterben nach Treu und Glauben so behandeln lassen müssten, als bestünde ein Mietverhältnis. Das Verlangen einer Nutzungsentschädigung begründet aber kein Mietverhältnis.
- Hat der Hausbesetzer Räume im Haus vielleicht sogar unberechtigt an Dritte Personen weitervermietet und verlangen die Miterben Auskunft und Rechnungslegung über diese Einnahmen begründen kein Mietverhältnis mit dem Hausbesetzer oder eine Genehmigung von Untermietverhältnissen mit den dritten Personen, denen der Hausbesetzer die Räume unberechtigt zum Gebrauch überlassen hat.
- Gerne wendet der Hausbesetzer ein, er habe die Eltern über lange Zeit gepflegt, so dass ihm dies zum Besitz berechtige.
Kann der Erblasser keinen entgeltlichen Pflegevortrag vorlegen oder beweisen, kann er auch kein Zurückbehaltungsrecht einwenden.
Besteht eine Ausgleichungspflicht für besondere Hilfs- und Pflegeleistungen durch den Hausbesetzer, begründet auch diese kein Zurückbehaltungsrecht für den Hausbesetzer, weil die Ausgleichung nur eine Rechengrüße für die Durchführung der Auseinandersetzung ist, die erst bei der Erbteilung zu berücksichtigen ist. - Haben die Eltern gegenüber Nachbarn oder Freunden erklärt, dass sie davon ausgehen, dass der Hausbester auch nach ihrem Tod im Haus bleiben könne, begründet allenfalls eine moralische Erwartung der Eltern an die anderen Miterben, aber keine rechtliche Absicherung des Beklagten im Sinne einer entsprechenden Vereinbarung oder eines Vermächtnisses.
- Wendet der Hausbesetze ein, er habe das Haus per Notgeschäftsführung vermietet, weil ein Leerstand des Hauses unzulässig sei, so liegt dieser Einwand völlig daneben.
Quelle: Beschluss des OLG Karlsruhe vom 19.02.2021, 9 U 61/20.