Gesamthands- bzw. Erbengemeinschaft / in der Rechtsprechung (Chronologie)
Gesamthands- bzw. Erbengemeinschaft / in der Rechtsprechung
Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Die Gesamthandsgemeinschaft ist nach wie vor oder mehr denn je ein Mysterium. Hier stelle ich zwei unbekannte Urteile des BGH und Reichsgerichts zu diesem Thema vor, wobei die Urteile nicht veröffentlicht sind.
11.12.1903 (siehe RGZ 56, 206 ff.):
Der VII. Senat des Reichsgerichts stellt fest, dass die §§ 719, 725 Abs. 2, 738 BGB „die mehreren Gesellschafter in ihrer Zusammenfassung als Träger von Rechten und Verbindlichkeiten, als Inhaber des gemeinschaftlichen Vermögens“ betrachten. Die Entscheidung fährt fort:
„Darin liegt keine Schöpfung einer juristischen Persönlichkeit im römisch-rechtlichen Sinne; wohl aber entspricht die Regelung den im deutschen Recht entwickelten Grundsätzen über die Vereinigungen zur gesamten Hand, welche je nach dem Zweck der Vereinigung ein mehr oder minder enges Maß der Zusammenfassung gestatten, bei denen aber stets die mehreren vereinigt als Inhaber des Vermögens erscheinen. Die Gebundenheit des Vermögens liegt nach der Seite der Personen als Rechtsträger hin.“
30.1.1951, (siehe: BGH V BLw 36/50, Beschl. vom 30.1.1951).
Der V. Senat (für Landwirtschaftssachen) hält die Kündigung eines Pachtverhältnisses über einen landwirtschaftlichen Betrieb nicht für eine Verfügung im Sinne des § 2040 Abs. 1 BGB, weil keine Verfügung über den Hof als Nachlassgegenstand vorliege, sondern nur das über den Hof bestehende Pachtverhältnis beendet werden solle. Die sei eine Verwaltungshandlung nach § 2038 BGB, für die die Erbenmehrheit ausreiche. Es handelt sich um das erste Urteil des BGH, bei dem die Kündigung durch die Erbenmehrheit erfolgen kann. Es ist der Ausgangspunkt dieser Entwicklung und m.E. zugleich ein dogmatisches Fehlurteil. Fehlerhaft ist die Aussage des BGH, das Pachtverhältnis als Gegenstand der Kündigung sei kein Nachlassgegenstand. Das Urteil war wohl dem Wunsch getragen, den Miterben zu helfen, zumal einer der Miterben kriegsvermisst war. Der BGH hat diese Rechtsprechung aber übernommen, so dass die Rechtspraxis damit leben muss.