Im Rahmen einer Studienarbeit wurden an Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, folgende Fragen zur Erbschaftsteuer gestellt:
Verhindern Erbschaft- und Schenkungsteuer die Vermögensbildung?
Circa wieviel Prozent Ihrer Fälle sind tatsächlich Erbschaftsteuerfälle mit dafür notwendiger Erstellung eines Nachlassverzeichnisses und Abgabe der Erbschaftsteuererklärung?
Sie fragen nach der Prozentzahl der Erbschaftsteuerfälle. Bei der Planung einer Vermögensübergabe oder bei der Erstellung des Testamentes wird immer die Erbschaftsteuer mit überprüft. Tatsächlich relevant ist sie schätzungsweise bei 10 % bis 20 % der Fälle, wobei der Schwerpunkt unserer Tätigkeit Baden-Württemberg ist.
Und welchen Anteil der Fälle Ihres Hauses machen testamentarische Verfügungen, Beratungen, Schenkungen bzw. Firmenübergaben, also Dinge, die der Erblasser zu Lebzeiten regelt, etwa aus?
Bei Todesfällen schätze ich die Bearbeitung mit Nachlassverzeichnis und Abgabe der Erbschaftsteuererklärung auf ungefähr 10 % bis 15 % der Fälle ein. Die Mehrzahl der Fälle, bei denen die Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung notwendig ist, sind solche, bei denen die Erblasser keine Verwandten in der Erbschaftsteuerklasse I hatten, also keine Kinder oder Enkel und verwitwet waren.
In der vorsorgenden Beratung machen testamentarische Verfügungen ungefähr 60 % der Tätigkeit aus, vorweggenommene Erbfolgen 25 %, Firmenübergaben bzw. Unternehmensnachfolgen 5 %.
Haben Sie im Rahmen Ihrer Beratungen den Eindruck gewonnen, dass durch die Regelungen zur Erbschaftssteuer das Sparverhalten Ihrer Mandanten negativ beeinflusst wird?
Dass Regelungen zur Erbschaftsteuer dazu führen würden, dass die Mandanten nicht mehr so nachhaltig wie bisher sparten, kann ich nicht bestätigen. Dies wird eher scherzhaft in den Raum gestellt, dann aber doch nicht durchgeführt. Hier schlägt sich vielleicht die schwäbische Mentalität durch.
Ist es dann eher so, dass selbst drohende Steuer- bzw. Pflichtteilsregelungen für unliebsame Kinder trotzdem die Motivation zum Sparen und Anhäufen von Vermögenswerten nicht mindern, da Sparen auch etwas mit eigener Vorsorge und dem Gefühl der Sicherheit zu tun hat?
Die Steuer führt nicht zum Sparen. Die drohenden Pflichtteile unliebsamer Kinder führen zu Pflichtteilsvermeidungsstrategien. Hier sind die familiären Zerwürfnisse oft so stark, dass alles getan wird, um die Kinder um den Pflichtteil zu bringen. Hier wären manche Mandanten sogar zu illegalen Aktionen bereit, von denen wir natürlich abraten.
In der Regel dienen fast alle unsere vorweggenommenen Erbfolgen dazu, im Vorfeld absehbare Steuern durch vorweggenommene Erbfolgen bzw. Schenkungen zu vermeiden.
Wie häufig werden eventuelle, im Vorfeld absehbare Steuern, durch Schenkungen versucht abzuwenden?
Ein bei unseren Mandanten sehr beliebtes Modell ist die vorweggenommene Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt (Steuerersparnis) mit einem freien Rückforderungsrecht (§ 29 ErbStG). Dies gibt den Mandanten die Sicherheit, dass ihre Nachkommen die Erbschaftsteuer sparen, wenn alles gut läuft. Im Notfall können Sie die Immobilie jederzeit ohne Angabe von Gründen zurückfordern.
Welche anderen Möglichkeiten der Abwendung gibt es?
Andere schlagkräftige Möglichkeiten der Abwendung des Anfalls von Erbschaftsteuer sehe ich heute nicht mehr. Hier hat der Gesetzgeber ganze Arbeit geleistet und quasi alle Schlupflöcher gestopft. Es wäre zwar möglich, z.B. eine Landwirtschaft zu erwerben und die Landwirtschaft dann steuerfrei zu vererben, aber dies sind eher theoretische Gedankenspielereien und in der Praxis nicht gewünscht.
Finden Sie das Erbschaftsteuerrecht in seiner aktuellen Form gerecht und gut anwendbar?
Die Erbschaftsteuer halte aufgrund meiner sozialliberalen Grundeinstellung im Grundsatz für gerechtfertigt. Schon Stuart Mill, einer der bedeutendsten Denker des Liberalismus, hat für mich das überzeugendste Argument für die Erbschaftsteuer geliefert. Gerade die Anerkennung des Leistungsprinzips müsse zu einer Beschränkung von Erbschaften führen, denn anders als der Erblasser habe der Erbe nicht zur Entstehung des Vermögens beigetragen. Schließlich gefährde eine Reichtumskonzentration die Freiheit einer Gesellschaft, wenn immer weniger ihrer Mitglieder infolge von Erbschaften über immer größere Vermögen verfügten. Der letzte Gedanke hat auch seinen Niederschlag in Artikel 123 Abs. 3 der Bayrischen Landesverfassung gefunden, wo die Erbschaftsteuer als Möglichkeit gesehen wird, um die Ansammlung von Riesenvermögen in der Hand weniger zu verhindern.
An der jetzigen Erbschaftsteuer bemängle ich vor allem den geringen Freibetrag von nur 20.000,00 € bei Schenkungen oder Vermögensnachfolgen von Todes wegen von Geschwistern oder Nichten und Neffen. Dass solch nahe Familienangehörigen wie familienfremde Dritte behandelt werden, ist mir schlichtweg unverständlich. Ihre These, dass der Erblasser durch die Erbschaftsteuer nachträglich bestraft würde, halte ich für absolut richtig. Unternehmensnachfolgen müssten meiner Meinung nach völlig steuerfrei gestellt werden. Es handelt sich ja um wirtschaftlich gebundenes Vermögen, über das der Unternehmer nicht frei verfügen kann. Wird das Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt schlägt der Stadt mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer zu.
Bei den privaten Vermögen müsste meines Erachtens für jedes der Kinder bzw. Enkelkinder doch auf jeden Fall ein sogenanntes Familiengebrauchsvermögen steuerfrei übergehen können. Zum Familiengebrauchsvermögen gehört auf jeden Fall angemessenes Familienheim.
Vermögende Erblasser müssen bereits frühzeitig daran arbeiten, ihr Vermögen stückweise an die nächste Generation zu übertragen. Dies ist ein Prozess, der bei Wohlhabenden bereits 30 oder 40 Jahre vor dem eigentlichen Ableben beginnen muss, um die 10-Jahres-Perioden für die Freibeträge auszunutzen.
Die These meiner Facharbeit lautet: Durch die Erbschaftssteuer werden Erblasser nachträglich bestraft und die Motivation zum Ansparen von Vermögen gemindert. Wie beurteilen Sie diese These?
Dass die Erbschaftsteuer die Motivation zum Sparen verhindere, kann ich nicht bestätigen. Die Sorge um das eigene Alter aber auch der elementare Wunsch, den Kindern etwas zu hinterlassen, sind stärker als die Angst vor der Erbschaftsteuer. Man versucht dann eben durch Übergaben Steuern für die Nachkommen bzw. Nachfolger zu vermeiden.