Erwirbt der Ersteher in der Zwangsversteigerung / Teilungsversteigerung ein Grundstück unter Übernahme einer bestehen gebliebenen Grundschuld, ist der Grundschuldgläubiger berechtigt, stellt sich die Frage, welche Rechte der Grundschuldgläubiger gegen den Ersteher hat. Diese Frage beantwortet ein Urteil des Landgerichts Stuttgart, vom 19.03.2013 – 21 O 379/12.
Der Fall des Landgerichts Stuttgart, vom 19.03.2013 – 21 O 379/12
Der Kläger ist Ersteher eines Grundstücks, das ihm durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts in einem Zwangsversteigerungsverfahren zugeschlagen wurde. Ausweislich des Zuschlagsbeschlusses ist eine Grundschuld in Höhe von 100.000,00 DM/51.129,19 € und einem Jahreszinssatz von 15% bestehen geblieben.
Der Kläger wandte sich an die beklagte Bank (Grundschuldgläubigerin) und bat um Annahme eines Treuhandauftrages bei Zahlung eines Betrages in Höhe von 100.000,00 DM/51.129,19 € gegen Abtretung der die Beklagte berechtigenden Grundschuld.
Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass die Annahme des Treuhandauftrages nur dann in Betracht komme, sofern neben dem Betrag in Höhe von 100.000,00 DM auch die dinglichen Zinsen in Höhe von 15% p. a., die Gegenstand des Zuschlags an den Kläger waren, für den Zeitraum seit Zuschlag bis Geldeingang gezahlt würden, sofern kein Verzicht der früheren Eigentümer auf die diesen zustehenden dinglichen Zinsen in Höhe von 15% p. a. vorgelegt werde.
Der Kläger zahlte die 100.000,00 DM an die beklagte Bank und verlangte von der Beklagten die Herausgabe des Grundschuldbriefs. Die beklagte Bank wie darauf hin, dass dass die dinglichen Zinsen in weiterhin offen seien.
Die Klägerin beantragt daraufhin, die Bank zu verurteilen den Grundschuldbrief zur auflagenfreien Verwendung (Löschung) freizugeben.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, weil ihr als Sicherungsnehmerin aus der streitgegenständlichen Grundschuld auch ein Anspruch auf dingliche Grundschuldzinsen bis zur vollständigen Bezahlung auf die Grundschuld zustünde. Diese Zahlungsverpflichtung, die zunächst den früheren Eigentümer getroffen habe, sei gemäß § 56 S. 2 ZVG ausweislich des Zuschlagsbeschlusses vom ab Zuschlag auf den Kläger übergegangen. Es bestehe eine Berechtigung der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Sicherungsnehmerin, auch die dinglichen Zinsen ab Zuschlag bis zur Zahlung vom Kläger zu verlangen, zumal ein etwaiger Übererlös von ihr an die ursprünglichen Eigentümer und Schuldner bzw. Sicherungsgeber auszukehren sei.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage war insoweit begründet, als ihr Zug um Zug gegen die von der Beklagten begehrte Zinszahlung stattzugeben war. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Das LG Stuttgart führte aus:
Der Kläger ist berechtigt, von der Beklagten die Herausgabe des Grundschuldbriefs zur auflagenfreien Verwendung zu verlangen, jedoch nur Zug um Zug gegen Zahlung der der Höhe nach unstreitigen offenen dinglichen Zinsen (DM 6.500,00/€ 3.323,40) nebst Verzugszinsen (€ 1.858,67), also in Gesamthöhe von 5.182,07 €.
Die Beklagte ihrerseits ist nach §§ 56 S. 2 ZVG, 1191 Abs. 2 BGB berechtigt, gegenüber dem Kläger als Ersteher des streitgegenständlichen Grundstücks neben dem Nominalbetrag der Grundschuld, den der Kläger an die Beklagte gezahlt hatte, auch die dinglichen Zinsen ab Zuschlag bis zum Zahlungseingang zu verlangen.
Aus § 56 S. 2 ZVG ergibt sich, dass die Gesamtzahlungsverpflichtung, die auf den Kläger aufgrund Zuschlagsbeschlusses übergegangen ist, nicht nur den Nominalbetrag enthält, sondern auch die dinglichen Zinsen ab Zuschlag.
§ 56 S. ZVG
… Von dem Zuschlag an gebühren dem Ersteher die Nutzungen und trägt er die Lasten …
Zwar ist nach der Entscheidung des BGH vom 04.02.2011 (NJW 2011, 1500 ff.) der Gläubiger/Sicherungsnehmer nicht verpflichtet gegenüber dem früheren Schuldner/Sicherungsgeber, diese Verpflichtung zur Zahlung der dinglichen Zinsen durchzusetzen, aber er ist dazu berechtigt …
Soweit die Klägerseite auf … den Inhalt eines Darlehensvertrages zwischen der Beklagten als Darlehensgeberin und den früheren Eigentümern des dem Kläger zugeschlagenen Grundstücks rekurriert, ist anzumerken, dass die Höhe der persönlichen Schuld bedeutungslos ist für die Gesamtzahlungsverpflichtung des Klägers als Ersteher. Einwendungen aus diesem Kausalverhältnis und der Sicherungsabrede zwischen der Bank als Darlehensgeberin und den früheren Darlehensnehmern stehen dem Kläger als Ersteher nicht zu. Auch ist nicht vorgetragen, dass und auf welche Weise etwa derartige Rechte auf den Kläger übertragen worden sein sollen.
…
Soweit die Klägerseite auf Kondiktionsrecht rekurriert, besteht ein etwaiger „Übererlös“ in Ansehung des den Kläger als Ersteher nicht tangierenden Darlehensschuldverhältnisses lediglich im Verhältnis zwischen der Beklagten als ehemaliger Darlehensgeberin und Sicherungsnehmerin gegenüber dem früheren Schuldner; in diesem Verhältnis wäre ein etwaiger Übererlös auszukehren, einen Anspruch insoweit hat der Kläger jedenfalls nicht. Dass die Beklagte ebenfalls davon ausgeht, dass ein Übererlös an die vormaligen Sicherungsgeber und Darlehensschuldner auszukehren wäre, hat sie bereits schriftsätzlich vorgetragen. Es bestehen keine Zweifel, dass sie sich insoweit keiner Rechtsposition bemächtigen würde, die ihr nicht zusteht….